Unter einer Geisterstadt (lehnübersetzt aus dem englischenghost town) wird eine aufgegebene, unbewohnte Siedlung verstanden. Für kleinere Orte wird auch die Bezeichnung Geisterdorf verwendet oder allgemein Geistersiedlung. Typische Geistersiedlungen entstehen durch Devastierung und bestehen aus langsam verfallenden Gebäuden.
Historisch vor langer Zeit aufgegebene, heute vollkommen zerstörte oder nur noch in Fundamenten nachweisbare Siedlungen oder Wirtschaftsflächen bezeichnet man als Wüstung. Beispiele sind die Toten Städte in Syrien.
Es gibt auch moderne Geistersiedlungen und -städte, die für eine geplante spätere Besiedelung instand gehalten werden. Solche entstanden z. B. im Zuge des Immobilienbooms in Spanien und in größerem Umfang in China.
Ein anderer Grund für das Entstehen von Geisterstädten sind Bahnbauarbeitersiedlungen in ländlichen Gegenden der USA, die nach Fertigstellung der Bahnlinie obsolet wurden. Ein bekanntes Beispiel ist Cisco (Utah).
Halb-Geisterstädte
Daneben gibt es „Halb-Geisterstädte“, die noch von wenigen Menschen bewohnt werden, die Jahrzehnte nach der Zeit des Goldrauschs weiterhin nach Edelmetall schürfen. Die Bewohner verdienen gelegentlich etwas Geld mit Touristen, treten bei Spielfilmen als Statisten auf, oder sie bieten Schürf- und Gelegenheitsfunde wie rohe Schmucksteine, wettergebleichte Tierschädel oder seltsam geformte Wurzeln zum Verkauf an.
Solche Halb-Geisterstädte konservieren oft wie ein Freilichtmuseum die Vergangenheit. Manchmal sind ihre Bewohner die einzigen Zeugen der bewegten Geschichte des Ortes und seiner ehemaligen Einwohner. Einige kümmern sich sorgsam um die Bewahrung des Originalzustandes der Siedlung, obwohl sie selbst diese Zeit nicht mehr erlebt haben. Solche Geisterstädte sind beispielsweise Bodie, Coloma (Gold) und Calico (Silber) in Kalifornien, Rhyolite in Nevada (Gold), Silverton und Cracow in Australien und Sewell in Chile (Kupfer).
Devastierung nach Katastrophen
Sonderfälle sind Städte, die aufgrund von Katastrophen evakuiert werden mussten.
Ein Beispiel für eine aus politischen Gründen entstandene Geisterstadt war Phnom Penh, die heutige HauptstadtKambodschas. Unter der Herrschaft der kommunistischen Roten Khmer wurde 1975 fast die gesamte Stadtbevölkerung aufs Land deportiert, von ursprünglich zwei Millionen Einwohnern lebten nur noch etwa 20.000 Menschen in der Stadt. Städte galten in der Ideologie der Roten Khmer als konterrevolutionär und mussten aufgelöst werden. Nach der Vertreibung der Roten Khmer durch vietnamesische Invasionstruppen im Januar 1979 erholte sich die Stadt langsam wieder.
Ağdam ist eine wegen des Bergkarabachkonflikts verlassene Stadt, die anhaltend geplündert wird (Metall, Backsteine, Infrastruktur-Anlagen).[2]
Ciudad Mier war eine mexikanische Geisterstadt. Als die Drogenbande Los Zetas drohte, alle Einwohner zu ermorden, flohen die mehr als 4000 Bewohner. Inzwischen sind wieder Bewohner zurückgekehrt.
Moderne Geisterstädte
In Irland, Spanien und den USA gab es einige Jahre lang einen Bau- und Immobilienboom (siehe auch Immobilienblase, Subprime-Krise), der durch die Finanzkrise ab 2007 endete und unbewohnte (teils nicht zu Ende gebaute) Straßen oder Stadtviertel hinterließ.[3] Seit 2010 zeichnet sich Irland durch überdurchschnittliche Wachstumsraten aus.
Geisterstädte im übertragenen Sinne
Keine Geisterstädte im eigentlichen Sinne sind untergegangene Siedlungen, die einem Stausee oder Tagebau weichen mussten und häufig an anderer Stelle neu aufgebaut wurden (Umsiedlung). Beispiele sind etwa Schulenberg im Oberharz oder Tignes in Frankreich. Entgegen populären Klischees wurden in der Regel sämtliche Gebäude vor der Flutung abgerissen, so dass lediglich Grundmauern, Reste von Straßen und Brückenpfeiler übrig blieben. Eine Ausnahme ist der Kirchturm von Alt-Graun in Südtirol, der aus Denkmalschutzgründen erhalten wurde und noch heute aus dem Reschensee ragt.
Phantasie-Orte
Ebenfalls keine Geisterstädte sind Phantominseln wie die Île de Sable (‚Insel aus Sand‘, auch Sandy Island oder Sable Island, auf deutschen Karten auch kurz Sable) – eine vermeintlich im Korallenmeer zwischen Australien und Neukaledonien gelegene fiktive Insel mit einer vermeintlichen Größe von fast 120 Quadratkilometern.
Verödete Quartiere
Der Entstehung geisterstadtähnlicher Wohngebiete in Städten durch innerstädtische Veränderungen soll das sogenannte Quartiersmanagement entgegenwirken.
Das jüngste Geisterdorf in Deutschland ist Kursdorf, wo seit 2017 offiziell keine Menschen mehr leben. Der Einwohnerschwund liegt an der Situation inmitten des Flughafens Leipzig/Halle. Die meisten Häuser wurden durch die Flughafengesellschaft abgerissen, einige denkmalgeschützte Gebäude wie die ehemalige Schule und die Kirche bleiben jedoch erhalten.[4]
Fabbriche di Careggine – 1947 musste der Ort von den Bewohnern verlassen werden, weil der am Edron liegende Ort dem künstlich angelegten Stausee Lago di Vagli zum Opfer fiel.
Rocca San Silvestro ist eine mittelalterliche Festung, die im 10. oder 11. Jahrhundert im Toskanischen Erzgebirge (Colline Metallifere) angelegt wurde. Die Höhenburg, die auch den Charakter einer Ansiedlung einschließlich Hüttengewerbe trug, war bereits mehrere Jahrhunderte verlassen, als 1984 mit ihrer archäologischen Erforschung begonnen wurde.
Spanien
Valdeluz, Provinz Guadalajara – der Bau wurde wegen der Finanzkrise gestoppt, die Stadt hat nur etwa zehn Prozent der Einwohner, für die sie ursprünglich geplant worden war.
Belchite, Provinz Saragossa – die 1937 im Spanischen Bürgerkrieg zerstörte Stadt wurde an der bisherigen Stelle nicht mehr aufgebaut, sondern in der Nachbarschaft als Belchite nuevo wiedererrichtet.
Die chinesische Stadt New Ordos oder Kangbashi wurde für etwa 300.000 Menschen geplant, aber 2011 unterschiedlichen Angaben zufolge nur von etwa 5.000 bis 30.000 Menschen bewohnt und wird deshalb auch als Geisterstadt bezeichnet.[6][7][8] Zu dieser Entwicklung kam es, als um exportintensive Großunternehmen herum Schlafstädte aus dem Boden gestampft wurden, die erst nachträglich bevölkert werden sollten, was nicht funktionierte. Im Hinterland kam es durch den Wegzug in die Industriezentren an der Küste ebenfalls zu massiven Immobilienleerständen und Geisterstädten.[9][10]
Cracow, Ort in Queensland, der infolge des letzten australischen Goldrausches entstand und einen Boom auf über 3000 Einwohner erlebte, mit Erschöpfung der Vorkommen jedoch wieder stark schrumpfte.
Wittenoom, eine wegen Asbestverseuchung aufgegebene Stadt.
Zu erwähnen sind auch die UFO-Häuser in Sanzhi, Neu-Taipeh, Taiwan, obgleich sie als bloße Ansammlung verlassener Ferienhäuser keine Geisterstadt im eigentlichen Sinne bilden.
↑The ghost towns of China. Amazing satellite images show cities meant to be home to millions lying deserted. Daily Mail, 18. Dezember 2010, abgerufen am 14. November 2013 (englisch, Satellitenfotos).
↑Michael Christopher Brown: Ordos, China. A new ghost town. Time (Magazin), abgerufen am 14. November 2013 (Fotostrecke).
Geisterstadt R.L. Stine – Geisterstadt: Kabinett des Schreckens Calico (Geisterstadt) Bogenfels (Geisterstadt) Goldrausch! Cameron Bay (Geisterstadt) Über dem Jenseits