Die Luftrettung oder Flugrettung in Österreich wird größtenteils vom ÖAMTC bzw. dem Christophorus Flugrettungsverein, der Martin Flugrettung und dem Roten Kreuz betrieben. Aber auch andere Organisationen bzw. Unternehmen nehmen an der Flugrettung teil. So ist in Vorarlberg die Vorarlberger Bergrettung für die Organisation und den Betrieb der Flugrettung verantwortlich. Sie werden sowohl bei Verkehrsunfällen als auch bei Akuterkrankungen und bei Alpinunfällen eingesetzt. Alarmiert werden sie jeweils über die jeweiligen Rettungsleitstellen.
Zudem gibt es noch mehrere private Betreibergesellschaften von Rettungshubschraubern. Manche Standorte in Skigebieten sind wegen des hohen Einsatzaufkommens nur im Winter besetzt. Allein in Tirol mit 687.000 Einwohnern waren 13 Rettungshubschrauber im Winter 2005/2006 stationiert und aktuell sind es bereits 16 Hubschrauberstandorte.[1] Der ÖAMTC reagiert darauf, indem er seinerseits in Zusammenarbeit mit privaten Betreibern eine Reihe von Winter-Standorten errichtet hat.
Die erste Luftrettung auf dem Gebiet des heutigen Österreich wurde bereits während des Zweiten Weltkrieges mit einem Fieseler Storch durchgeführt. Die organisierte Luftrettung begann mit Flächenflugzeugen im Jahr 1954 durch das Innenministerium. 1982 wurde gesetzlich beschlossen, in Österreich ein flächendeckendes Netz einzuführen.
Am 1. Juli 1983 wurde vom ÖAMTC in Zusammenarbeit mit dem Universitätskrankenhaus Innsbruck der erste Rettungshubschrauber Österreichs – Christophorus 1 – in Betrieb genommen. Christophorus 1 brachte am 11. Oktober 1983 den Organspender Albin Castelrotto ins Universitätskrankenhaus Innsbruck, wo sein Herz dem Patienten Josef Wimmer eingesetzt wurde. Es war dies die erste Herztransplantation in Österreich. In der Berichterstattung der österreichischen Massenmedien wurde auch Christopher 1 häufig erwähnt.[2]
Der zweite österreichische Rettungshubschrauber – Martin 1 – wurde von der AUVA (Allgemeine Unfallversicherungsanstalt) gemeinsam mit dem Innenministerium im September 1983 in Dienst gestellt.
Darauf folgten in kurzen Abständen weitere Hubschrauberstandorte, das Bundesheer unterhielt einen Stützpunkt in Aigen im Ennstal.
Im Jahr 2001 zogen sich Innenministerium (BMI) und Bundesheer aus der Flugrettung zurück, die Stützpunkte wurden vom ÖAMTC übernommen. In Vorarlberg wurden vom ÖAMTC lediglich die Aufgaben des BMI (Bereitstellung des Fluggerätes und der Piloten) übernommen.
Seitdem hat der ÖAMTC mit Suben in Oberösterreich, Ybbsitz/Ötscherland in Niederösterreich und Oberwart im Burgenland drei weitere Hubschrauber-Standorte aufgebaut. „Christophorus Europa 3“ ist am Flugplatz Schärding-Suben, unmittelbar an der deutschen Grenze stationiert und deckt eine Versorgungslücke in Niederbayern (Raum Passau) mit ab. Die Station wird im Wechsel für jeweils sechs Monate vom ÖAMTC und der deutschen Partnerorganisation ADAC besetzt. Die Mannschaft der Rettungskräfte besteht zu gleichen Teilen aus Bayern und Österreichern, wobei die Dienstpläne nicht an den saisonalen Wechsel des Fluggeräts angepasst sind.
Sicherheitsstandards seit 2010
Mit der Luftverkehrsbetreiberzeugnis-Verordnung (AOCV 2008)[3], die am 15. Juli 2008 von der österreichischen Verkehrsministerin Doris Bures erlassen wurde, traten mit 1. Jänner 2010 neue Sicherheitsstandards für Hubschrauber im Ambulanz- und Rettungsflugbetrieb in Kraft.
Die Vereinheitlichung der Sicherheitsstandards aller Rettungshubschrauber-Einsätze soll die größtmögliche Sicherheit für Flugretter und Passagiere besonders unter Berücksichtigung der schwierigen topografischen Verhältnisse in Österreich sicherstellen.[4]
Demnach müssen in Österreich gemäß § 3 Abs. 2 AOCV 2008 Rettungshubschrauber ab dem 1. Jänner 2010 als Kategorie A nach den Bauvorschriften (Certification Specifications) CS-27 (bzw. JAR 27) oder CS-29 (bzw. FAR 29) zertifiziert sein.
Unter anderem sind somit für den Rettungsbetrieb nur noch zweimotorige Maschinen erlaubt, das Cockpit muss mit zwei Personen besetzt werden.
Der Betriebstüchtigkeitshinweis BTH A-001[5] der Austro Control besagt, dass zurzeit folgende in Österreich eingesetzte Hubschrauberbaumuster die Anforderungen der § 3 Abs. 2 AOCV 2008 erfüllen:
Obwohl die Neuerungen bereits seit 2008 bekannt waren[4], erfüllten die Helikopter des Flugunternehmens Heli Austria (Knaus Helicopter) die neuen gesetzlichen Bestimmungen nur teilweise. Das Unternehmen verlor bei den betroffenen Maschinen somit die Betriebserlaubnis für den Rettungsbetrieb.[6] Ab September 2010 nahm Heli Austria mit den Vorschriften entsprechenden Maschinen den Flugbetrieb wieder auf.[7]
Alle anderen im Rettungsbetrieb aktiven Flugunternehmen erfüllten entweder bereits die gesetzlichen Vorgaben oder rüsteten entsprechend nach.[8]
Sowohl Knaus, der zwar wegen seines Typwechsels bereits wieder fliegen durfte, als auch Schenk-Air führten Beschwerde wegen Gesetzwidrigkeit der Verordnung und erhielten durch den Verfassungsgerichtshof im Oktober 2011 recht, da beim Erlass der Verordnung das europarechtlich vorgeschriebene Notifizierungsverfahren nicht eingehalten wurde.[9][10][11] Die Aufhebung des § 3 Abs. 2 S. 2 AOCV 2008 trat am 31. März 2012 in Kraft.[12]
Im Jahr 2012 wurde als erstes Christopher 11 in Klagenfurt zum Instrumentenflug nachgerüstet, sodass dieser auch bei widrigen Sichtverhältnissen nach dem sogenannten Wolkendurchstoß-Verfahren fliegen kann.[13][14]
Im Jahr 2017 nimmt der Stützpunkt Gneixendorf nach einer Aufrüstung von Christopher 2 als erster in Österreich den Flugbetrieb auch in der Nacht vor.[15]
Finanzierung
Als die Flugrettung im Jahr 2001 privatisiert wurde, wurde die Finanzierung durch die Republik, die Bundesländer und die Sozialversicherungen vereinbart. Durch zunehmende Engpässe in der Finanzierung kündigte der ÖAMTC im Jahr 2008 den Vertrag mit der Republik mit Ende 2010, da der ÖAMTC bereits 2008 ein Defizit von 4,5 Millionen Euro verzeichnen musste und sich nicht in der Lage sah, die zukünftig zu übernehmen. Grund dafür waren bis zu einem Drittel nicht bezahlte Flüge. Nur mit den Bundesländern Oberösterreich, Niederösterreich und Burgenland wurden in der Folge weiterführende direkte Verträge abgeschlossen, sodass der Betrieb ohne Unterbrechung weitergeführt werden konnte.[16]
Unabhängig davon hat die Republik im Jahr 2010 die Flugrettung neu ausgeschrieben. Wegen Auslegungsunterschieden der Ausschreibung hat der ÖAMTC im August Einspruch gegen die Ausschreibung eingelegt.[17] Auch Airmed-2 von Flymed stellte in Oberösterreich mit Oktober seinen Betrieb aus finanziellen Gründen ein.[18] Ende Oktober scheiterte eine neue Ausschreibung durch den Bund. Die Finanzierung ging vom Bund an die Länder über, welche auch für den bodengebundenen Rettungsdienst verantwortlich sind.[19][20] Sozialversicherungen und Gönner bilden das Rückgrat der Finanzierung. Länder und Kommunen decken die Defizite der Betreiber.[21]
Anmerkung für Stützpunkt Christophorus 8 in Nenzing: Für diesen Stützpunkt stellt der Christophorus Flugrettungsverein das Fluggerät und die Piloten zur Verfügung. Mit der Organisation und dem Betrieb der Flugrettung wurde vom Land Vorarlberg die Vorarlberger Bergrettung beauftragt.
2
Anmerkung für Stützpunkt Christophorus 9 in Wien: Für diesen Stützpunkt stellt der Christophorus Flugrettungsverein das Fluggerät und die Piloten zur Verfügung. Mit der Organisation und dem Betrieb der Flugrettung wurde vom Land Wien die Wiener Berufsrettung MA70 beauftragt.
3
Anmerkung für Stützpunkt Christophorus Europa 3 in Suben: Dieser Stützpunkt wird gemeinsam mit der ADAC Luftrettung gGmbH betrieben und ist das erste grenzüberschreitende und von zwei Ländern betriebene Notarzthubschrauberprojekt Europas. Der Standort wird im Winterhalbjahr vom ADAC und im Sommer vom ÖAMTC betrieben. Die Besatzungen kommen aus Bayern (D) und Oberösterreich (A) und betreuen auch diese beiden Bundesländer. Für die Koordinierung der Hubschraubereinsätze sind die ILS Passau und Ried im Innkreis zuständig.
4
„HAT“ (Heli Ambulance Team GmbH (ÖAMTC-Flugrettung)) betreibt 4 Winterstandorte.
5
Anfang des Jahres 2010 zeitweise außer Betrieb, da die betreffenden Hubschrauber nicht der neuen gültigen Sicherheitsvorschrift entsprachen und somit keine Betriebserlaubnis für den Rettungsbetrieb aufweisen konnte. Ab September 2010 nahm Heli Austria seinen Betrieb wieder auf.
6
Nahm am 27. Dezember 2013 seinen Betrieb auf, der aber aufgrund von ausschreibungsrechtlicher Differenzen von den anderen Betreibern in Tirol juristisch angefochten wird.
7
Martin 5 war ursprünglich bereits im Jahr 2020 im Betrieb, dieser wurde vorerst auf die Sommermonate beschränkt. Allerdings wurde aufgrund der COVID-19-Pandemie und den daraus resultierenden wirtschaftlichen Problemen der Betrieb nach einem halben Jahr eingestellt. Zu Ostern 2024 wurde der Notarzthubschrauber der Marke MD902 Explorer wieder in Dienst gestellt.[30]
Krankenhäuser mit Landeplätzen
Zur funktionierenden Flugrettung sind auch vorbereitete Landeplätze bei den entsprechenden Krankenhäusern notwendig. Diese Landeplätze haben einen ICAO-Code, sind aber nicht am AFTN des Aeronautical Telecommunication Network angeschlossen.[31]
Anmerkung zur Klinik Hietzing: Der Hubschrauberlandeplatz am Gelände des Krankenhauses wurde geschlossen, da er nicht mehr den flugrechtlichen Anforderungen entsprach. Als Ausweichlandeplatz steht der Landeplatz am nahen Neurologischen Zentrum Rosenhügel zur Verfügung, der Bodentransport wird über den Regelrettungsdienst abgewickelt.
2
Anmerkung zum Orthopädischen Spital Speising: Das Krankenhaus verfügt über keinen eigenen Hubschrauberlandeplatz. Als Ausweichlandeplatz steht der Landeplatz am nahen Neurologischen Zentrum Rosenhügel zur Verfügung, der Bodentransport wird über den Regelrettungsdienst abgewickelt.
3
Anmerkung zur Klinik Penzing: Es existiert kein Hubschrauberlandeplatz, es kann aber auf einen Fußballplatz am Gelände zurückgegriffen werden. Als Ausweichlandeplatz steht der Landeplatz bei der nahen Klinik Ottakring zur Verfügung, der Bodentransport wird über den Regelrettungsdienst abgewickelt.
4
Anmerkung zur Klinik Favoriten: Es existiert kein Hubschrauberlandeplatz auf dem Gelände. Als Ausweichlandeplatz steht der Landeplatz am nahen Unfallkrankenhaus Meidling zur Verfügung, der Bodentransport wird über den Regelrettungsdienst abgewickelt.
Diskussion um NAH-Standorte
Die auffallend hohe Zahl von Notarzthubschraubern (NAH), vor allem in den Bundesländern Salzburg und Tirol, wird zunehmend kritisiert, gelegentlich wird Geschäftemacherei vorgeworfen. In Gegenden mit hoher Hubschrauber-Dichte kommen NAH mittlerweile auch bei Bagatell-Verletzungen auf der Skipiste zum Einsatz. Laut Österreichischem Alpenverein werden dem Patienten für eine Hubschrauber-Rettung im Schnitt 3.000 Euro in Rechnung gestellt (deutsche Krankenversicherungen übernehmen die Kosten für Bergungs-Einsätze nicht oder nur zum Teil, Patienten müssen die Kosten mitunter aus eigener Tasche zahlen).[34] Auch der österreichische Rechnungshof hat schon die extrem hohe Zahl an Hubschrauberstandorten in Tirol und Salzburg kritisiert.[35] Grundlegende Änderungen sind aber nicht in Sicht.[36]
Am 14. Oktober 2002 kam es im Zuge einer alpinen Einsatzübung in Ischgl, Tirol zu einem Problem mit dem Antrieb an einem Helikopter der Schenk Air. Die Leistung der computergesteuerten Antriebsturbine ließ sich nicht mehr drosseln. Um dem am Tau hängenden Flugretter eine Überlebenschance zu geben, flog der Pilot an den Bodensee und klinkte bei voller Fahrt von etwa 150 km/h das Tau mit dem Retter in voller Alpinausrüstung in geringer Höhe und nahe dem Ufer über dem Wasser aus. Trotz rascher Nachsuche war der Retter versunken und wurde erst 10 Tage danach mit gebrochenem Genick tot gefunden. Anschließend gelang die Notlandung des defekten Helikopters am Flugplatz Hohenems.[37]
↑Tirol. In: HeliRescue.at. Abgerufen am 22. März 2023 (deutsch).
↑TitelseiteÖsterreichs erste Herzverpflanzung geglückt!, Kurier vom 12. Oktober 1983, abgebildet in: „Meilenstein heimischer Medizin: Ernst Wolner über Österreichs erste geglückte Herzverpflanzung“ (online (Memento vom 27. Januar 2018 im Internet Archive)), abgerufen am 26. Jänner 2018