Das Evangeliar besteht aus 198 purpurnenPergamentblättern im Format 355 x 247 mm. Die Textseiten sind mit Goldtinte beschrieben; dabei sind die Texte der vier Evangelien (fol. 1–188) in Unzialschrift, die capitula evangeliorum am Ende (fol. 189v–198r) in Minuskelschrift gehalten. Zum Buchschmuck gehören neben den ganzseitigen Porträts der vier EvangelistenMatthäus (fol. 17v), Markus (fol. 66v), Lukas (fol. 101v) und Johannes (fol. 153v) die kunstvoll ausgeschmückten Kanontafeln (fol. 10r–16v) sowie jeweils seitengroße, reich verzierte Initialen.
Die Handschrift war als Geschenk für Angilbert († 814) bestimmt, den Laienabt der Benediktiner-Abtei Saint-Riquier und Geliebten von Karls des Großen Tochter Bertha. Angilbert schenkte das Evangeliar zusammen mit zahlreichen weiteren Handschriften der Bibliothek seines Klosters, wo es 831 in einem Bestandskatalog nachgewiesen ist. Heute wird die Handschrift im nahen Abbeville verwahrt (Bibliothèque Municipale, Ms. 4).[1]
Das Evangeliar, dessen Text und Ausgestaltung enge Verwandtschaft zum ebenfalls an der Aachener Hofschule entstandenen sogenannten Krönungsevangeliar aufweist,[2] beeinflusste namentlich die westfränkischenSkriptorien des 9. Jahrhunderts.[3]
Literatur
Bernhard Bischoff: Katalog der festländischen Handschriften des neunten Jahrhunderts (mit Ausnahme der wisigothischen). Teil 1: Aachen-Lambach. Aus dem Nachlaß herausgegeben von Birgit Ebersperger. Harrassowitz, Wiesbaden 1998 (Veröffentlichungen der Kommission für die Herausgabe der mittelalterlichen Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz. Bayerische Akademie der Wissenschaften), ISBN 3-447-03196-4, S. 8 Nr. 8.
Elias Avery Lowe (Hrsg.): Codices Latini Antiquiores. A palaeographical guide to Latin manuscripts prior to the 9th century. Band VI: France. Abbeville–Valenciennes, Oxford 1953, Nr. 704.
Wilhelm Koehler: Die Karolingischen Miniaturen. Band 2: Die Hofschule Karls des Großen. Deutscher Verein für Kunstwissenschaft, Berlin 1930, S. 49–55 Tafeln 33–41.
Patrick McGurk: Latin Gospel Books from A.D. 400 to A.D. 800. Erasme, Paris/Brüssel 1961 (= Les Publications de Scriptorium, Band 5), S. 49–50.
Anmerkungen
↑Vgl. Bernhard Bischoff: Die Hofbibliothek unter Ludwig dem Frommen. In: Ders., Mittelalterliche Studien. Ausgewählte Aufsätze zur Schriftenkunde und Literaturgeschichte. Band 3, Hiersemann, Stuttgart 1981, S. 171–186, hier S. 177.
↑Vgl. Bonifatius Fischer: Das neue Testament in lateinischer Sprache. Der gegenwärtige Stand seiner Erforschung und seine Bedeutung für die griechische Textgeschichte. In: Kurt Aland, Matthew Black (Hrsg.): Die alten Übersetzungen des Neuen Testaments, die Kirchenväterzitate und Lektionare. Der gegenwärtige Stand ihrer Erforschung und ihre Bedeutung für die griechische Textgeschichte. De Gruyter, Berlin 1972, ISBN 3-11-004121-9, S. 1–92, hier S. 56 Anm. 184.
↑Vgl. Fabrizio Crivello: Les Evangiles de Saint-Denis et l’influence de l’École de la cour de Charlemagne sur les scriptoria de Francie occidentale. In: Marie-Pierre Lafitte, Jean-Pierre Caillet (Hrsg.): Les manuscrits carolingiens. Actes du colloque de Paris, Bibliothèque nationale de France, le 4 Mai 2007. Brepols, Turnhout 2009 (Bibliologia, Band 27), ISBN 978-2-503-52598-3, S. 45–88, hier S. 47, 51–56 und 81.