Enrico Sibilia wurde zum Ehrenkanoniker des Domkapitels von Anagni ernannt. Er trat im April 1890 in den diplomatischen Dienst des Heiligen Stuhls und diente als Auditor der Nuntiatur in Kolumbien 1890–1895 und später bis 1898 als Geschäftsträger. Papst Leo XIII. ernannte ihn am 21. Dezember 1894 zum Kaplan Seiner Heiligkeit. Er kehrte von August 1898 bis Juli 1901 in den diplomatischen Dienst als Auditor der Nuntiatur in Brasilien zurück. Er wurde in die Nuntiatur in Belgien bis 1902 versetzt und weiter bis 1908 nach Spanien.
Im Gegensatz zum katholischen Spanien jener Zeit kamen in Chile starke antiklerikale Regungen verschiedener Gruppen hoch, Freimaurer, Gewerkschafter, Anarchisten und Laien, neben einer Reihe von ungelösten Problemen mit dem Vatikan:
Am 23. Mai 1913, als er nach Chile zurückkehrte, warteten Hunderte von Studenten der Universidad de Chile am Hauptbahnhof in Santiago de Chile mit Geschrei und warfen Steine gegen die Fenster des Waggons des Diplomaten. Sie sangen als Spottlied: „Vom Bischof wird auf einmal klar, dass ein schnöder Dieb er war“. Einem der Schüler gelang es, ihm den Galero zu stehlen, der sich in eine Spotttrophäe verwandelte. In den Tagen danach tauchte ein als Priester verkleideter Student auf und Tieren wurde der Hut aufgesetzt. Demonstrationen und Märsche wiederholten sich in den folgenden Tagen, in denen religiöse Lieder gesungen wurden, diese jedoch mit anderen burlesken Texten. Katholische Gruppen in der Gesellschaft unterstützten den Nuntius, was eine soziale und religiöse Spaltung nach sich zog, die lange Zeit anhielt. Im September reiste Erzbischof Sibilia über Buenos Aires zurück nach Italien.
Enrico Sibilia starb als der älteste Kardinal der Welt in Anagni. Er wurde in Anwesenheit mehrerer Kardinäle und von Mitgliedern der adligen Familien in der Kirche Santa Chiara in Anagni beigesetzt.
Literatur
Andreas Gottsmann: Ludwig von Pastor und Enrico Sibilia – Diplomatie im Dienste des katholischen Österreich. In: Maddalena Guiotto, Wolfgang Wohnout: Italien und Österreich im Mitteleuropa der Zwischenkriegszeit / Italia e Austria nella Mitteleuropa tra le due guerre mondiali, Böhlau, Wien 2018, S. 281–306.