Spoerri wurde als Sohn des Missionars Isaac Feinstein und dessen Ehefrau Lydia Spoerri geboren. Der Vater war nicht nur vom Judentum zum evangelischen Glauben konvertiert, er arbeitete auch für die Norwegische Mission. Als im Sommer 1941 nach Ausbruch des Krieges gegen die Sowjetunion die rumänischen Faschisten seinen Vater im Pogrom von Iași in den Todeszügen ermordeten,[3][4][5] flüchtete die Mutter, eine Schweizer Staatsbürgerin, 1942 mit ihren sechs Kindern, darunter die Schauspielerin Miriam Spoerri und der Theologe Theophil Spoerri, in die Schweiz. Dort wurde Spoerri durch seinen Onkel, Theophil Spoerri, den Rektor der Universität Zürich, adoptiert. Nach einer kaufmännischen Lehre arbeitete Spoerri unter anderem als Buchhändler, Obstverkäufer und Fotograf. In dieser Zeit machte er die Bekanntschaft mit Max Terpis, der Spoerri zu einer Tanzausbildung riet.
1959 zog Spoerri nach Paris und machte dort bald Bekanntschaft mit Jean Tinguely, Arman, François Dufrêne und Yves Klein und gründete die Edition MAT, die die ersten Multiples herausgab. In Paris entstand Spoerris erste Objektkunst und vor allem seine Tableaux pièges (dt. Fallenbilder; Bilder bzw. Objekte, in denen wie in einer Falle ein Stück Realität gefangen ist). Am 27. Oktober 1960 wurde unter Mitwirkung Spoerris die Gruppe Nouveau Réalisme – Leitung Pierre Restany – gegründet. Weitere Gründungsmitglieder waren Jean Tinguely, Arman, François Dufrêne, Raymond Hains, Yves Klein, Jacques de la Villeglé und Martial Raysse. 1961 war Spoerri in der Ausstellung The Art of Assemblage im New YorkerMuseum of Modern Art (MoMA) vertreten. Seine Arbeit Kichkas Frühstück I(Kichka’s Breakfast I) wurde in der Folge vom MoMA angekauft.[6] 1962 war er einer von sechs Teilnehmern der Ausstellung Dylaby in Amsterdam.
1963 gründete Spoerri in der Galerie Dorothea Loehr in Frankfurt am Main das Dorotheanum – gemeinnütziges Institut für Selbstentleibung und nahm im gleichen Jahr am FESTUM FLUXORUM FLUXUS in der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf teil.[7] 1967/68 verbrachte Spoerri ein ganzes Jahr auf der griechischen Insel Symi. In diesem Jahr entstanden 25 Objekte unter dem Titel Gastronomisches Tagebuch – 25 objets de magie à la noix.
Im Jahr 1968 gründete Spoerri die Eat-Art Edition und eröffnete mit dem Wirt Carlo Schröter (* 1935 in Bern; † 31. Juli 2024 in Düsseldorf) das Restaurant der Sieben Sinne am Burgplatz 19 (Ecke Mühlenstraße) in Düsseldorf, das er bis 1982 führte[8] und in dem unter anderem Aktionen mit Joseph Beuys, Robert Filliou, Dieter Roth, Ben Vautier und Emmett Williams stattfanden.[9] Im Erdgeschoss gab es den Bier- und Barbetrieb und im ersten Obergeschoss lag das Restaurant. An der Aussenfassade hingen die Palindrom-Schilder von André Thomkins. 1970 eröffnete er die EAT-ART-Gallery, zusammen mit Hete Hünermann und Carlo Schröter, in der er in der Folgezeit EAT-ART-Bankette veranstaltete, so zum Beispiel Ultima Cena oder Banchetto funebre del Nuovo Realismo. Spoerri initiierte in regelmäßigen Abständen unter Mitwirkung zeitgenössischer Künstler verschiedene Editionen sowie Happenings, deren Relikte auch über die Galerie vertrieben wurden.
1978 wurde er als Professor für Dreidimensionale Gestaltung an die Kölner Werkschulen berufen und lehrte dort bis 1982. Dazwischen gründete er das Musée Sentimental in Köln. 1983 nahm er einen Ruf an die Akademie der bildenden Künste in München an und unterrichtete dort bis 1989. Während dieser Zeit veröffentlichte er auch mehrere Kochbücher, die aber eigentlich doch mehr Kunst als Kochen enthielten.
Seit Juni 2015 liegt im Hof des Museums Niederösterreich die Skulpturengruppe Dead End, ein Bronzeguss nach Schaufensterpuppen, Tote, Opfer von Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellend.[10]
Im November 2015 und Januar 2016 nutzte der Opernregisseur Bruno Berger-Gorski die SkulpturCarrelino von Daniel Spoerri als dramaturgische Verbindung zweier israelischer Kammeropern in Bonn und Luxemburg.[11] Diese wurden anlässlich des Deutsch-Israelischen Jahres 2015 und im Gedenken an die November-Pogrome inszeniert.
Il Giardino: Ab ungefähr 1990 ließ sich Spoerri in der Toskana nieder. Am Fuß des Monte Amiata kaufte Spoerri ein großes Areal, auf dem er sukzessive den Skulpturengarten Il Giardino errichtete. Für dieses Projekt, das von Spoerri bis zu seinem Lebensende erweitert wurde, schuf der Künstler selbst einen Großteil der Skulpturen.
Ausstellungshaus Spoerri: 2009 erwarb Spoerri in Hadersdorf am Kamp zwei am Hauptplatz gelegene Häuser.[13] Das alte Kino (Hauptplatz 16) wurde zum Esslokal Eat Art, das aus dem 13. Jahrhundert stammende ehemalige Kloster (Hauptplatz 23) zum Kunststaulager und Ausstellungshaus umgestaltet. Spoerri gab ihm den Namen Ab Art. Im Jahr 2010 errichtete Spoerri eine Stiftung, bei der das Land Niederösterreich als Letztbegünstigter bestimmt ist. Das Ziel der Stiftung ist, zeitgenössische Kunst und Kultur an Schüler und Jugendliche zu vermitteln. Dabei schenkte er dem Land Niederösterreich 39 seiner Werke im Wert von 3,5 Millionen Euro.[14][15]
Sandra Brutscher: Pawel Althamer. In: Georg-Kolbe-Museum (Hrsg.): Vanitas – Ewig ist eh nichts. Katalog zur Ausstellung, Berlin, 2014, S. 70.
Stephan Geiger: The Art of Assemblage. The Museum of Modern Art, 1961. Die neue Realität der Kunst in den frühen sechziger Jahren. München 2008, ISBN 978-3-88960-098-1.
Dieter Honisch (Vorw.): 1945 1985. Kunst in der Bundesrepublik Deutschland, (Nationalgalerie, Staatliche Museen, Preußischer Kulturbesitz, Berlin), Nicolaische Verlagsbuchhandlung, Berlin 1985, ISBN 3-87584-158-1.
Barbara Räderscheidt, Beitrag in: Vincent Klink, Thomas Vilgis: Journal Culinaire, Band 2: Wissenschaft und Kultur des Essens – Essen in der Kunst.
Claus Stephani: Daniel Spoerri and the Conception of Eat-Art. Alltagskultur and the Contemporary Art. In: Studia Judaica (Cluj-Napoca, EFES), XIV, 2006. S. 129–144, 6 Abb.
Wolf Stadler u. a.: Lexikon der Kunst 11. Sem – Tot. Karl Müller Verlag, Erlangen 1994, ISBN 3-86070-452-4, S. 115–117.
Katerina Vatsella: Edition MAT: Daniel Spoerri, Karl Gerstner und das Multiple : die Entstehung einer Kunstform, Hauschild Verlag. Bremen 1998, ISBN 9783931785611.
Heidi E. Violand-Hobi: Daniel Spoerri. Biographie und Werk. München, London, New York 1998, ISBN 3-7913-2033-5.
eat art, restaurant spoerri, sammlung carlo schröter, Dokumentation Malkasten-Archiv, 2009.[22]
Heinz-Norbert Jocks: Mit Augen und Händen. Leben und Kunst im Chaos der Dinge, ein Gespräch mit Daniel Spoerri, in: Lettre International, Ausgabe 147, 2024, S. 66–74
↑Wolf Stadler u. a.: Lexikon der Kunst, 1994, S. 115.
↑Theophil Spoerri: Vaterspurensuche. Bericht über eine Reise in die rumänische Moldau und Bukowina im Mai 2012. Theodor Boder Verlag, Mumpf 2016, ISBN 978-3-905802-68-9.
↑René Block, Gabriele Knapstein (Konzept): Eine lange Geschichte mit vielen Knoten. Fluxus in Deutschland. 1962–1994. Institut für Auslandsbeziehungen, Stuttgart 1995, S. 95
↑Helga Meister: Kunst, nie für die Ewigkeit gedacht. Carlo Schröter machte das Eat-Art-Lokal am Burgplatz zum Szenetreff. Vor Kurzem ist der experimentierfreudige Schweizer mit 89 Jahren gestorben. In Rheinische Post, Düsseldorfer Kultur D3, vom 26. August 2024.
↑Dieter Honisch (Vorw.): 1945 1985. Kunst in der Bundesrepublik Deutschland, (Nationalgalerie, Staatliche Museen, Preußischer Kulturbesitz, Berlin), Nicolaische Verlagsbuchhandlung, Berlin 1985, S. 435.
↑Irene Netta, Ursula Keltz: 75 Jahre Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München. Hrsg.: Helmut Friedel. Eigenverlag der Städtischen Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau, München 2004, S.223.