Das Zillertal zweigt etwa 40 km östlich von Innsbruck, nahe Jenbach, vom Inntal ab. Es hat seinen Namen von dem Fluss Ziller, der es von Süd nach Nord durchläuft und bei Strass im Zillertal in den Inn mündet. Im engeren Sinn reicht das Tal von Strass bis Mayrhofen. Es ist das breiteste der südlichen Seitentäler des Inn und im Gegensatz zu anderen Seitentälern relativ flach mit einem sehr geringen Höhenunterschied ohne Talstufe. Der Höhenunterschied beträgt von der Zillermündung bei Strass im Zillertal bis nach Mayrhofen nur 100 m auf einer Strecke von 32 km. Somit ähnelt der Charakter des Tals jenem des Inntals. Der Talboden weist bis Mayrhofen zahlreiche von den Seitenbächen verursachte Schwemmkegel auf. Auf diesen Schwemmkegeln haben sich die Ortschaften entwickelt, da sie durch die etwas erhöhte Lage von den regelmäßigen Überschwemmungen der Ziller verschont wurden. Der Talboden war bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts auf halber Breite versumpft. Erst im Zuge der Zillerregulierung und des Baus der Speicherseen wurde der Großteil des Tals trockengelegt und urbar gemacht.[1]
Zwischen Aschau im Zillertal und Zell am Ziller verengt sich das Tal auf etwa die halbe Breite (vorderes und hinteres Zillertal).
Siedlungen
Die alten Ortskerne liegen zumeist auf den Schwemmkegeln der Seitenbäche. Mittlerweile wird auch der Talboden für Siedlungen und insbesondere Industrie und Gewerbe genutzt. Streusiedlungen und Einzelhöfe ziehen sich weit die Hänge hinauf und gehen in die Almregion über.
Im Zillertal und seinen Seitentälern liegen 25 Gemeinden, die zum Bezirk Schwaz gehören und zusammen den Planungsverband Zillertal mit 37.949 Einwohnern (Stand 1. Jänner 2024)[2] und einer Fläche von 1097,2 km² bilden. Etwa 10 % der Fläche sind Dauersiedlungsraum. Bis auf Strass und Schlitters am Talausgang gehören alle Gemeinden des Tals zum Gerichtsbezirk Zell am Ziller. Die größten Gemeinden sind Fügen (4317 Einwohner) und Mayrhofen (3975 Einwohner). Wirtschafts-, Verwaltungs- und Schulzentrum des Tals ist Zell am Ziller mit dem Sitz des Bezirksgerichtes und zahlreichen öffentlichen Einrichtungen.
Klima
Das Zillertal weist ein inneralpines Talklima auf und liegt im Übergangsbereich vom trockenen Klima der Ötztaler und Stubaier Alpen zum feuchteren der Zillertaler Alpen und Hohen Tauern. Typisch sind eine starke Temperaturamplitude, viel Sonne im Winter, schwache Winde und kaum Nebel. Der mittlere Jahresniederschlag in Zell am Ziller beträgt 1070 mm, in Mayrhofen 1044 mm.[3]
Monatliche Durchschnittstemperaturen und -niederschläge für Zell am Ziller (585 m ü. A.)
Erste Funde aus der Mittleren Steinzeit am Tuxer Joch zeigen die frühe Bedeutung dieses Übergangs zwischen dem Wipptal und dem Zillertal. Die erste dünne Besiedlung erfolgte vermutlich in der ausgehenden Bronzezeit (1200 bis 800 v. Chr.). Auch Siedlungsreste der jüngeren Eisenzeit (500 v. Chr.) wurden gefunden. Viele Ortsnamen weisen auf vorrömische und vorgermanische Sprachwurzeln hin. Um 15 v. Chr. eroberten die Römer den Alpenraum bis zur Donau. Tirol gehörte dabei zu den Provinzen Rätien im Westen und Noricum im Osten. Vermutlich bildete damals der Ziller die Grenze der beiden Provinzen. Die einheimische Bevölkerung wurde allmählich romanisiert. Von Norden her wanderten um 560 die Bajuwaren ein. Viele Siedlungsnamen haben eine bajuwarische Sprachwurzel.
Erstmals urkundlich erwähnt wurde das Tal 889 in einer Urkunde als „Cilarestale“.[4] Eine Reihe von Schenkungen begründete den reichen Grundbesitz der Salzburger Erzbischöfe. Die Höfe und Güter wurden von den Meierämtern in Zell, Schwendau und Fügen verwaltet. Die Christianisierung erfolgte im 8. Jahrhundert. Im Jahr 739 wurden den römischen Provinzgrenzen folgend die Bistumsgrenzen zwischen der Diözese Säben-Brixen und Salzburg festgelegt, wie sie heute noch gültig sind, der Ziller bildet dabei den Grenzfluss.[5] Zu sehen ist das auch heute noch, dass auf der westlichen Brixner Seite (heute Diözese Innsbruck) die Helme der Kirchtürme vorwiegend rot und auf der östlichen Salzburger Seite grün eingedeckt sind. Die grüne Farbe entsteht durch die Verwendung von Kupfer für die Dächer, die die (reichere) Diözese Salzburg für ihre Kirchen verwenden konnte, während das Bistum Brixen sparsamer verwenden musste und mit Holzschindeln oder Dachziegeln arbeitete.
Mit der Säkularisation bildete der Ziller dann die Grenze zwischen Tirol (1803) und Bayern (1810). Im Jahr 1816 kam es zur Vereinigung des salzburgerischen Anteils des Zillertals mit dem Kronland Tirol und damit zu Österreich. Die Bergknappen brachten die lutherische Lehre ins Zillertal, die vor allem im inneren Tal weit verbreitet war. Die Zillertaler Inklinanten, wie die Zillertaler Protestanten genannt wurden, wurden schließlich verfolgt und 1837 zum Auswandern gezwungen.[6] Sie fanden im preußischen Schlesien eine neue Heimat, wo sie den Ort Zillerthal-Erdmannsdorf gründeten. Als sowjetische Truppen am Ende des Zweiten Weltkriegs in ihr Siedlungsgebiet vorrückten, waren die Nachfahren der Zillertaler Inklinanten gezwungen, auch diese zweite Heimat zu verlassen und wurden danach in alle Welt zerstreut.
Im 19. Jahrhundert wurde das Zillertal von mehreren Reiseschriftstellern beschrieben. Bekannt waren die Zillertaler Wanderhändler, „Bauerndoktoren“ und Sängerfamilien. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann mit der Errichtung von Schutzhütten und Wegen das Bergsteigen als Breitensport. Die wintertouristische Erschließung begann 1953/1954 mit dem Bau des Skigebietes Gerlosstein, heute Zillertal Arena, dem bald andere Liftanlagen folgten, und der Eröffnung der Mayrhofner Penkenbahn im Jahre 1954.
Die Nutzung der Wasserkraft erfolgte im großen Stil ab den 1970er Jahren.
Wirtschaft
Landwirtschaftlich ist die Grünlandwirtschaft mit Milchproduktion und Viehzucht, Schafzucht, Anbau von Grünmais und Almwirtschaft zu nennen.
Außerdem hat die Holzwirtschaft seit jeher einen hohen Stellenwert im Zillertal, und noch heute finden sich dort zahlreiche große Sägewerke. Das Holz wurde bis 2013 meist mittels der Zillertalbahn weitertransportiert, der Holztransport war auch einer der Hauptgründe für den Bau der Zillertalbahn. Insbesondere im vorderen und mittleren Teil des Tals sind bedeutende Gewerbe- und Industriebetriebe zu finden. Im Gerlostal und in den hinteren Gründen ist die Elektrizitätswirtschaft vorherrschend.
Das Zillertal hat mehrere große Stauseen, die zur Energieerzeugung dienen. Dazu gehören:
Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist das Zillertal über die Zillertalbahn zu erreichen, die vom Bahnhof Jenbach (an der Unterinntalbahn gelegen) bis nach Mayrhofen führt und seit 2009 einen dichten Taktverkehr anbietet. Auch Güterverkehr wird auf dieser Schmalspurstrecke, die derzeit selektiv zweigleisig ausgebaut wird, abgewickelt. In die Seitentäler und als Ergänzung zum Bahnverkehr wird ein Linienbusverkehr angeboten.
Das Zillertal ist über die Zillertalstraße (B 169), die Anschluss an die Inntalautobahn bietet, erschlossen. Diese verläuft zumeist abseits der Orte und von Ried bis Zell am Ziller weitgehend kreuzungsfrei. Von Ried bis Ramsau verläuft parallel auf der anderen Zillerseite die Zillertaler Dörferstraße (L 300), die die Ortskerne erschließt. Bei Zell am Ziller zweigt die Gerlosstraße (B 165) ab, die über den Gerlospass eine Verbindung ins Oberpinzgau darstellt. Die Zillertaler Höhenstraße ist eine kurvenreiche, mautpflichtige Aussichtsstraße; weitere Mautstraßen führen im Sommer ins Zillergründl und zum Schlegeisspeicher.
Zusammen mit dem Ahrntal auf Südtiroler Seite war das Zillertal immer wieder als Teil einer alpenquerenden Verkehrsverbindung vorgesehen. So gab es Anfang des 20. Jahrhunderts Pläne für eine Straßenverbindung über das Pfitscher Joch[7] oder für eine Zillertal-Ahrntal-Bahn mit einem 19 km langen Tunnel unter dem Schwarzenstein[8]. 1978 wurde in Italien mit dem Bau der Alemagna-Autobahn (Autostrada A27) begonnen, die heute von Süden kommend bei Ponte nelle Alpi endet und nach italienischen Plänen weiter über Toblach und durch das Zillertal bis München führen sollte.[9] Gründe für diese Planungen waren die Entlastung der Brennerstrecke und die Verkürzung der Strecke Venedig–München insbesondere für den Güterverkehr.
Tourismus
Mit dem Aufkommen des Alpinismus Mitte des 19. Jahrhunderts nahm der Fremdenverkehr ständig zu. So wurde das Zillertal zu einer der Geburtsstätten des alpinen Bergsteigens – zunächst noch mit einheimischen Bergführern, bald aber entdeckten englische und deutsche Alpinisten das Zillertal für sich. Die wintertouristische Erschließung des Zillertals begann 1949 mit der Errichtung eines Schleppliftes in Hintertux und Lanersbach sowie in weiterer Folge 1953/54 mit dem Bau der Penkenbahn in Mayrhofen.
Im gesamten Zillertal finden jährlich etwa 7,5 Millionen Übernachtungen statt. In der Tourismussaison 2018/2019 wurden in den vier Tourismusregionen folgende Nächtigungen gezählt.[16]
Nächtigungen im Zillertal in der Saison vor Corona 2018/2019
Winter 2018/2019
Sommer 2019
Gesamt
erster Ferienregion
1.419.619
1.133.274
2.552.893
Zillertal Arena
882.456
518.360
1.400.816
Mayrhofen/Hipbach
1.390.506
964.242
2.354.748
Tux - Finkenberg
891.544
484.752
1.376.296
Touristische Aktivitäten
Insgesamt 180 Liftanlagen stehen im Zillertal für den Wintersport zur Verfügung welche 544 Pistenkilometer erschließen. Darüber hinaus existieren 113 km gespurter Loipen in verschiedenen Schwierigkeitsgraden[17] sowie 80 Hütten.[17][18] Zusätzlich gibt es Möglichkeiten zum Eislaufen.
Die Region Zillertal bietet zahlreiche Wanderwege diverser Schwierigkeitsgrade.[19] In den Zillertaler Alpen, die in den Alpenhauptkamm übergehen, befinden sind besonders anspruchsvolle Touren. Mehrtägige Touren gibt es vor allem im Hochgebirgs-Naturpark Zillertaler Alpen. Der Berliner Höhenweg und die Peter-Habeler-Runde führen dabei auf über 3.000 Meter Seehöhe.[19] Das Wandergebiet der Tuxer Alpen ist durch einige Seilbahnen erschlossen, etwa durch die Spieljochbahn in Fügen oder die Penkenbahn in Mayrhofen. Die Kitzbüheler Alpen sind von Zell am Ziller aus mit der Rosenalmbahn erreichbar.
Im Zillertal wurden zahlreiche Klettersteige eingerichtet. Die größte Anzahl von Routen geht von Mayrhofen aus, wo sich in unmittelbarer Nähe zueinander folgende Klettersteige befinden, deren Bekanntheit über das Zillertal hinausgeht (Schwierigkeiten in Klammern): Huterlaner (C/D), Pfeilspitzwand (C/D), Zimmereben (D/E), Kinderklettersteig (B), Astegg (C, Var. D/E).[20] Neben den Klettersteigen bietet das Zillertal auch Kletter- und Bouldermöglichkeiten,[21] so z. B. im Zillergrund bei „In der Au“ sowie entlang des Zemmbach zwischen Ginzling und Klausen Alm. In diesem Bereich befinden sich auch viele Sportkletterrouten. Am bekanntesten sind die Routen an den bis zu 50 m hohen Felsblöcken des Gebietes „Ewige Jagdgründe“.[22]
Drachen- und Gleitschirmfliegen ist im Zillertal ganzjährig möglich. Vom Startplatz Melchboden am Arbiskopf an der Zillertaler Höhenstraße aus können bei guter Thermik weite Flüge durchgeführt werden, wie zum Beispiel den Streckenflug über den Gerlospass ins Pinzgau bis zur Schmittenhöhe bei Zell am See und zurück. Thomas Walder konnte im Juni 2014 das weltweit erstes FAI-Dreieck über 300 km von diesem Startplatz aus vollenden.[23]
Mit der erzwungenen Auswanderung der protestantischen Gläubigen, die Zillertaler Inklinanten aus dem Zillertal in 1837, kam jedes öffentliche evangelische kirchliche Leben im Zillertal zum Erliegen.
Heute sind evangelische Glaubensgemeinden im Zillertal in Mayrhofen[25] mit eher pietistischer Ausrichtung, Jenbach[26] und Schwaz angesiedelt.
Im Zillertal gibt es eine lange Tradition der Volksmusik. Von Anfang Mai bis Ende Oktober werden diverse Volksfeste und Kirchtagsfeste gefeiert, etwa das „Zillertaler Gauder Fest“, das zu Österreichs ältestem und größtem Frühlings- und Trachtenfest zählt.
Im September finden traditionelle Almabtriebe, die „Schaflschoade“ statt.
Hochgebirgs-Naturpark Zillertaler Alpen
Der Naturpark Zillertaler Alpen liegt im hinteren Zillertal. Er beginnt bei Mayrhofen und teilt sich dann auf die zehn verschiedenen Seitentäler auf. Nach einer Erweiterung am Tuxer Hauptkamm im Jahr 2016 (42 km²)[27] erstreckt er sich über eine Fläche von 422 km² im Bereich der fünf Naturparkgemeinden Brandberg, Finkenberg, Ginzling (Fraktion), Mayrhofen und Tux. Der niedrigste Punkt liegt bei Ginzling, auf ca. 1000 m Seehöhe, der höchste Punkt ist die Spitze des Hochfeiler mit 3509 m. In der Naturpark-Region befinden sich ca. 80 Gletscher. Diese bedecken eine Fläche von ca. 40 km². Weitere Besonderheiten des Naturparks sind:
Denkmalgeschützte Berliner Hütte im Zemmgrund: Symbol für die Anfänge des Alpinismus und die Gletscherforschung (laufende Forschung seit 1891)
Tuxer Hauptkamm, geologisch eindrucksvolle Untergruppe der Zillertaler Alpen mit Höhlen, Blockgletschern und artenreichen Almen
Zahlreiche Kristallvorkommen (wie Zillertaler Granat, Amethyst, Bergkristall)
Bergsteigerdorf Ginzling – Wiege des Alpintourismus im Zillertal
Orchideenpracht und Bergmähder in der Naturparkgemeinde Brandberg (über 10 verschiedene Orchideenarten)
Geschützter Landschaftsteil „Glocke“ (Finkenberg): 60 m tief eingeschnittene Klamm mit großer botanischer Vielfalt und einzigartigem Schluchtwald. Hier wurde 2020 das Holzrücken durch Pferde wiederbelebt.[28]
Schwarzensteinmoor (Zemmgrund): Eine von eiszeitlichen Gletschern gebildete Hohlform auf 2150 m
Naturparkhaus Zillertaler Alpen in Ginzling
Regionale Produkte
Das Zillertal ist Ursprung und Heimat von bekannten Tiroler Naturprodukten wie z. B. vom Zillertaler Heumilchkäse und vom Zillertaler Graukäse, die von den im Zillertal ansässigen Sennereien produziert werden. Trotz des extremen Mehraufwandes der Heubewirtschaftung haben sich 380 Bauern und die Sennereien dazu entschlossen, diese Form der naturnahen Bewirtschaftung beizubehalten und gänzlich auf gärende Futtermittel zu verzichten. Die verarbeitete Milch stammt von Kühen, die sich ausschließlich von frischem Almgras, Kräutern und Blumen ernähren.
Weitere regionale Spezialitäten sind Zillertaler Krapfen oder Schliachta-Nudln.
Der Zillertaler Doggl ist ein traditionell hergestellter Schuh aus Loden.
↑Dany Vehslage, Thorsten Vehslage: Klettersteige in Europa mit besonderem Charakter. 1. Auflage. 2022, ISBN 978-3-7562-9194-6, S.40–43 (Vorschau in der Google-Buchsuche).
↑theCrag: Klettern im Zillertal. In: theCrag - gemeinschaftlich gepflegte Kletterinformationen. Abgerufen am 25. Januar 2021.