Im Herbst 1945 aus amerikanischer Gefangenschaft entlassen, fand von Alvensleben zunächst Zuflucht bei Verwandten in Nörten-Hardenberg bei Göttingen. Bis 1952 arbeitete er als Holzfuhrmann, Angestellter einer Zuckerfabrik und war zeitweise arbeitslos. Im August 1946 heiratete er in zweiter Ehe Astrid von Brand, verwitwete Gräfin von Brockdorff-Ahlefeldt, deren Mann in Russland gefallen war. Von 1952 bis 1956 verwaltete er das Brockdorffsche Gut in Ascheberg bei Plön. Danach arbeitete er für das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche in Rendsburg. Seine Verantwortungsbereiche waren die Integration von Flüchtlingen, insbesondere von Jugendlichen, und die Alkoholikerbetreuung. 1974 ging er in den Ruhestand. Er starb 1982. Seine Ruhestätte befindet sich auf dem Brockdorffschen Familienfriedhof in Ascheberg.
Am Vormittag des 29. April telefonierte einer der Sonderhäftlinge, OberstBogislaw von Bonin, heimlich mit dem Oberkommando der Heeresgruppe C im hundert Kilometer entfernten Bozen und bat die Wehrmacht um Hilfe. Als Reaktion auf dieses Telefonat kam von Alvensleben spätabends aus dem siebzehn Kilometer entfernten Moos bei Sexten nach Niederdorf, um sich zunächst unauffällig ein Bild der Lage zu verschaffen und am nächsten Morgen mit einem Stoßtrupp von fünfzehn Unteroffizieren aus Moos zurückzukehren. Eine weitere Verstärkung von 150 Grenadieren aus dem fünf Kilometer entfernten Toblach traf zwei Stunden später ein und riegelte den Marktplatz ab, so dass von Alvensleben mit telefonischer Rückendeckung des SS-ObergruppenführersKarl Wolff die SS-Männer dazu bringen konnte, aufzugeben und Richtung Bozen abzuziehen.[6]
Die Rettungsaktion wurde erst 19 Jahre später durch einen größeren Zeitungsartikel einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.[7] Weitere Einzelheiten und Hintergründe hat der Journalist Hans-Günter Richardi anlässlich des 60. Jahrestages dieses Ereignisses in seinem Buch SS-Geiseln in der Alpenfestung zusammengetragen. Wichard von Alvensleben selbst gab 1964 – in einem Brief an Niemöller – dem damaligen Ablauf eine christliche Deutung: Es sei kein Zufall gewesen, „sondern Fügung und Führung durch das Walten außerweltlicher Kräfte, die wir Christen als Gott bezeichnen“. Demgegenüber sei das Herausstreichen irgendeines Mitwirkenden gegenstandslos, „da wir alle nur Werkzeuge und Handlanger waren, die nach höheren Intentionen benötigt wurden“. Anders sei der unwahrscheinliche Ablauf der Ereignisse für den nachdenklichen Eingeweihten nicht zu erklären. „Aber“ – so schließt er den Brief an Niemöller – „wie sagen wir es den Heutigen?“
Eine filmische Aufarbeitung stellt der Film Wir, Geiseln der SS aus dem Jahr 2015 dar.
Hellmut Kretzschmar: Geschichtliche Nachrichten von dem Geschlecht von Alvensleben seit 1800, Ergänzungsband zu "Geschichtliche Nachrichten", Hrsg.: Familienverband von Alvensleben, Druck August Hopfer, Burg bei Magdeburg, 1930, S. 204. DNB99928939X
Weblinks
Führer-Häftlinge: Schönes Wetter. In: Der Spiegel. Nr.9, 1967, S.54/55 (online – Bericht über die Befreiung der Sonder- und Sippenhäftlinge).
Einzelnachweise
↑Jahresbericht des Pädagogiums zum Kloster Unser Lieben Frauen in Magdeburg. Neunundsiebstigstes Heft. 1915. Schulnachrichten. 1915. Progr. No. 349. Druck von E. Baensch jun., Magdeburg 1915, S.22 (uni-duesseldorf.de [abgerufen am 27. August 2021]).
↑Ernst Seyfert, Hans Wehner, Alexander Haußknecht, GF Hogrefe: Niekammer’s Landwirtschaftliche Güter-Adressbücher, Band VII, für die Provinz Brandenburg, 1929. Verzeichnis der Rittergüter, Güter und Höfe über 20 ha, nach amtlichen Angaben. In: Niekammer (Hrsg.): Letzte Ausgabe Reihe Niekammer. 4. Auflage. Verlag der Niekammer Adressbuch G.m.b.H., Leipzig 1929, S.207 (martin-opitz-bibliothek.de [abgerufen am 27. August 2021]).
↑Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Adeligen Häuser. Der in Deutschland eingeborene Adel (Uradel). 1941. Teil A, Adelige Häuser des spätestens um 1400 nachgewiesenen ritterbürtigen deutschen Landadels. Zugleich Adelsmatrikel der Deutschen Adelsgenossenschaft. In: Der "Gotha", bis 1942. Vorgänger des GHdA ab 1951. 40. Auflage. Justus Perthes, Gotha 1941, S.22 (kit.edu [abgerufen am 27. August 2021]).
↑Johanniterorden (Hrsg.): Gesamtliste der Mitglieder der Balley - Brandenburg des Ritterlichen Ordens St. Johannis vom Spital zu Jerusalem. Nach dem Stande vom Herbst 1981. Eigenverlag, Bonn, Berlin 1981, S.84 (d-nb.info [abgerufen am 27. August 2021]).
↑Siegfried von Boehn, Wolfgang von Loebell: Die Zöglinge der Ritterakademie zu Brandenburg a. H. Teil: Fortsetzung und Ergänzung 2., 1914 - 1945. Mit einer Gedenktafel der Opfer des 2. Weltkrieges. In: Karl von Oppen, Otto Graf Lambsdorff, Gerhard Hannemann (Hrsg.): Zöglingsverzeichnis III von IV. Druck Gerhard Heinrigs, Köln 1971, DNB720252679, S.94.