Das Walisische ist im Unterschied zu anderen keltischen Sprachen noch sehr lebendig, da es nach wie vor von vielen Kindern in Wales als Muttersprache erlernt und in allen Gesellschaftsschichten des Landes gesprochen wird. In einigen Landesteilen, insbesondere im Norden, stellen Walisisch-Sprecher die Mehrheit der Bevölkerung mit einem Anteil von bis zu 70 % der Einwohner einzelner Kommunen. Die absolute Zahl der Sprecher steigt in jüngster Zeit wieder. Seit Wales über ein eigenes Parlament (Senedd Cymru), verfügt, sind die Maßnahmen zur Förderung des Walisischen verstärkt worden. Als identitätsstiftendes Element ihres Landes befürworten auch zahlreiche Waliser, die es selbst nicht beherrschen, seine Förderung und Verbreitung.
Laut der Volkszählung von 2021 sprechen 17,8 % der Einwohner von Wales Walisisch.[1] Im Jahr 2011 waren es 19 %, im Jahr 2001 20,5 %.[2] Über begrenzte Walisischkenntnisse (z. B. nur Lesekenntnisse) verfügten 2011 weitere 8 % der Bevölkerung.[3] Die Aussichten für den Erhalt der Sprache sind recht gut, in ländlichen Gebieten wird oft noch überwiegend Walisisch gesprochen. Eine bedeutende Rolle spielt dabei die Jugendorganisation Urdd Gobaith Cymru.
Am 7. Dezember 2010 nahm das walisische Parlament eine Gesetzesvorlage an, die das Walisische zur offiziellen Amtssprache in Wales neben dem Englischen erhob.[4] Seit dem Jahr 2000 erhalten alle Schüler in Wales Walisischunterricht, entweder es dient als Erstsprache, d. h. es ist Unterrichtssprache, oder sie lernen es als Fremdsprache. An 20 % der Schulen in Wales ist Walisisch erste Unterrichtssprache.[5]
Der Sprachcode nach ISO 639-1 ist cy, nach ISO 639-2(B) wel und nach ISO 639-2(T) cym.
ll: stimmloses frikatives l. (Entsteht, wenn in der Mundstellung für l ein Zischlaut ausgesprochen wird; von Englischsprechern oft als thl oder khl gehört. Hat Ähnlichkeit zum deutschen ch in Becher, allerdings berührt die Zungenspitze dabei die Rückseite der Schneidezähne.) IPA [ɬ]
th: stimmloses th wie im englischen thing. IPA [θ]
u: In Südwales wie i; in Nordwales mehr oder weniger wie y in Pyramide (kurz oder lang; = IPA [i]).
w: wie deutsches u (kurz oder lang) bzw. vor Vokalen wie englisches w. IPA [uː], [ʊ], [w]
wy: entweder wie ui oder wie englisch wi in wit oder wie (britisch-)englisch wer in follower. IPA [ʊɨ]
y: (1) In einsilbigen Wörtern und in der letzten Silbe von mehrsilbigen Wörtern wie walisisches u (siehe oben). (2) Sonst wie unbetontes deutsches e in bitte. – Cymry = ‚Waliser‘ (Plural) lautet etwa wie kömri, aber ohne Lippenrundung des ö ([ˈkəmɾɪ]).
Vokale können kurz oder lang sein:
kurz sind
alle unbetonten Vokale sowie
betonte Vokale vor Konsonantengruppen (ch, dd, ff, ll, th sind jedoch jeweils Einzelkonsonanten!) und vor p, t, c, m, ng und Vokale, die mit einem Gravis markiert sind (à, è usw.; das gibt es sehr selten in einigen Fremdwörtern).
lang sind betonte Vokale vor b, ch, d, dd, f, ff, g, s, th, einfachem n, einfachem r und Vokale, die mit einem Zirkumflex markiert sind (â, ê, î, ô, ŵ, ŷ).
Die Betonung liegt, von wenigen Ausnahmen abgesehen, auf der zweitletzten Silbe: brénin = ‚König‘, brenhínes = ‚Königin‘, breninésau = ‚Königinnen‘. Eine der Ausnahmen ist Cymráeg = ‚kymrisch‘, denn ae oder oe gilt als zwei Silben.
Grammatik
Anlautveränderungen
Eine Besonderheit des Walisischen (wie auch der anderen inselkeltischen Sprachen) sind die Anlautmutationen (engl. initial mutations, kymr. treigladau). Unter bestimmten Bedingungen wird der anlautende Konsonant eines Wortes durch einen anderen auf regelmäßige Art und Weise ersetzt.
Es gibt dabei mehrere Arten der Anlautveränderung: Lenierung(soft mutation, treiglad meddal),Nasalierung(nasal mutation, treiglad trwynol) und Aspirierung(aspirate od. spirant mutation, treiglad llaes). (Die Bezeichnungen sind phonetisch ungenau, haben sich aber eingebürgert.)
So löst z. B. das Possessivpronomen der 2. Person Singular dy (‚dein‘) Lenierung aus; das der 1. Person Singular fy (‚mein‘) Nasalierung; und das der 3. Singular feminin ei (‚ihr‘) Aspirierung. Die folgende Tabelle veranschaulicht die Auswirkungen der verschiedenen Anlautveränderungen (k.V. = keine Veränderung, d. h., es wird die Grundform verwendet):
Grundform
Lenierung
Nasalierung
Aspirierung
pen – ‚Kopf‘
dy ben
fy mhen
ei phen
tad – ‚Vater‘
dy dad
fy nhad
ei thad
ci – ‚Hund‘
dy gi
fy nghi
ei chi
brawd – ‚Bruder‘
dy frawd
fy mrawd
[k.V.]
dant – ‚Zahn‘
dy ddant
fy nant
[k.V.]
gwallt – ‚Haar‘
dy wallt [1]
fy ngwallt
[k.V.]
mam – ‚Mutter‘
dy fam
[k.V.]
[k.V.]
llaw – ‚Hand‘
dy law
[k.V.]
[k.V.]
rhan – ‚Teil‘
dy ran
[k.V.]
[k.V.]
arian [2] – ‚Geld‘
[k.V.]
[k.V.]
ei harian
[1] g wird bei Lenierung völlig getilgt.
[2] Diese Regel gilt für alle Wörter mit einem vokalischen Anlaut.
Besonders „anfällig“ für die Lenierung sind außerdem feminine Substantive. So wird etwa bei Voranstellung des bestimmten Artikels oder des Zahlwortes un (eine) das Nomen und darauf bezogene Adjektive leniert.
Am Beispiel cath (Femininum, dt.: ‚Katze‘) zeigt sich:
cath wen – ‚(eine) weiße Katze‘ (irgendeine)
y gath wen – ‚die weiße Katze‘
un gath wen – ‚eine weiße Katze‘ (nicht zwei)
Im Gegensatz zu ci (Maskulinum, dt.: ‚Hund‘):
ci gwyn – ‚(ein) weißer Hund‘
y ci gwyn – ‚der weiße Hund‘
un ci gwyn – ‚ein weißer Hund‘
Substantive
Das Walisische unterscheidet zwischen maskulinen und femininen Substantiven, ein Genusunterschied wird jedoch generell nur im Singular markiert. Ein Effekt des Genus ist, dass eine Lenierung eines femininen Substantivs (im Singular) erfolgt, wenn der Artikel davor steht (siehe oben unter „Anlautmutation“): cath – ‚(eine) Katze‘, aber y gath – ‚die Katze‘. Der Artikel selbst zeigt jedoch keine unterschiedlichen Formen des Genus. Steht das Substantiv im Plural, erfolgt die Lenierung nicht: cath – ‚(eine) Katze‘, cathod – ‚Katzen‘ (pl.) – y cathod ‚die Katzen‘.[6]
Der Plural kann auf verschiedene Weise gebildet werden:
durch Anhängen eines Pluralsuffixes: afal ‚Apfel‘ – Pl. afalau;
durch Umlaut: Cymro ‚Waliser‘ – Pl. Cymry;
durch Suffix und Umlaut bzw. Vokaländerung: nant ‚Schlucht‘ – Pl. nentydd.
Eine Reihe von Substantiven leitet den Singular mittels Suffix vom Plural ab (sogenannte Singulative):
Eine kleine Anzahl Adjektive besitzt gesonderte feminine Formen:
trwm ‚schwer‘ – fem. trom
gwyn ‚weiß‘ – fem. gwen
Generell jedoch wird dieselbe Form nach maskulinen und femininen Substantiven verwendet. Viele der gesonderten femininen Formen sind inzwischen darüber hinaus auch außer Gebrauch geraten.
Unabhängig davon zeigt ein Adjektiv Lenition, wenn es bei einem femininen Substantiv steht, zum Beispiel y gath fach – ‚die kleine Katze‘ (zu bach = ‚klein‘).
An Steigerungsformen besitzt das Walisische neben dem Komparativ und dem Superlativ noch einen Äquativ („so … wie“):
Positiv
Äquativ
Komparativ
Superlativ
teg
(cyn) deced
tecach
tecaf
schön
so schön
schöner
schönst-
Präpositionen
Eine Besonderheit des Walisischen (und anderer inselkeltischer Sprachen) sind die konjugierten Präpositionen. Die konjugierte Form erscheint nur, wenn als Ergänzung der Präposition ein Personalpronomen auftritt (also die Wörter i, ni, ti etc. in der folgenden Tabelle):
ar – ‚auf‘
Sg.
Pl.
1
arna i – ‚auf mir‘
arnon ni – ‚auf uns‘
2
arnat ti – ‚auf dir‘
arnoch chi – ‚auf euch‘
3
arno fe – ‚auf ihm‘ arni hi – ‚auf ihr‘
arnyn nhw – ‚auf ihnen‘
Wortstellung
Satzbau
Walisisch ist ein klassisches Beispiel einer VSO-Sprache, d. h. die normale, unmarkierte Wortstellung im Walisischen ist Verb – Subjekt – Objekt. Genauer gesagt ist damit gemeint, dass eine finite Verbform am Satzanfang steht, Infinitive jedoch meistens nicht, letztere finden sich dann im Satzinneren zwischen Subjekt und Objekt. Beispiele:
• Finites Vollverb am Satzanfang
Rhoddodd
yr
athro
lyfr
i’r
bachgen.
Gab
der
Lehrer
[ein] Buch
dem
Jungen.
‚Der Lehrer gab dem Jungen ein Buch.‘
• Hilfsverb am Satzanfang:
Beispielsweise ist das Perfekt im Walisischen eine Hilfsverbkonstruktion. Das Perfekt wird ausgedrückt, indem ein Hilfsverb mit der Bedeutung „sein“ am Satzanfang steht, gefolgt von einer Partikel wedi (wörtlich: „nach“) und der infiniten Form des Hauptverbs im Satzinneren:[8]
Mae
Dafydd
wedi
cymryd
modur
Rhiannon.
Ist
Dafydd
(Perfekt)
nehmen
Auto
Rhiannon.
‚Dafydd hat Rhiannons Auto genommen‘
Wortstellung in der Nominalphrase
Adjektive folgen meist dem Substantiv, das sie beschreiben:
y
ddraig
goch
der
Drache
rot
‚der rote Drache‘
Eine der wenigen Ausnahmen ist z. B. hen, alt. Es wird vor dem Substantiv verwendet und löst dessen Lenierung aus:
↑George A. Miller: Wörter. Streifzüge durch die Psycholinguistik. Herausgegeben und aus dem Amerikanischen übersetzt von Joachim Grabowski und Christiane Fellbaum. Spektrum der Wissenschaft, Heidelberg 1993; Lizenzausgabe: Zweitausendeins, Frankfurt am Main 1995; 2. Auflage ebenda 1996, ISBN 3-86150-115-5, S. 124.