Alle Lokomotiven wurden von der Deutschen Reichsbahn übernommen und erhielten die Betriebsnummern 99 631–639. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die zu diesem Zeitpunkt vorhandenen vier Lokomotiven von der Deutschen Bundesbahn übernommen und waren bis 1969 eingesetzt.
Die Lokomotiven entstanden, weil mit der Eröffnung der Schmalspurbahn Ochsenhausen–Warthausen 1899 und der Verlängerung einiger bestehender Schmalspurbahnen in Württemberg ein erhöhter Bedarf an leistungsfähigen Lokomotiven bestand. Die neuen Lokomotiven wurden als Malletlokomotiven (in Württemberg als Duplex-Lokomotiven bezeichnet) bestellt.
T ist die Abkürzung für Tenderlokomotive, ss bedeutet, dass es sich um eine Schmalspurlokomotive mit der Spurweite 750 mm handelt. Das später hinzugefügte d ist die Abkürzung für Duplex-Lokomotive, eine Lokomotive mit zwei Triebwerken. Diese Triebwerke arbeiteten als Verbundtriebwerk; der Dampf wird zweimal entspannt, zuerst in den hinten liegenden Hochdruck- und anschließend in den im vorderen Drehgestell liegenden Niederdruckzylindern.
DR 99 631–639
Alle Maschinen wurden von der Deutschen Reichsbahn übernommen und erhielten die Betriebsnummern 99 631 bis 99 639. Die 99 631 kam 1931 ins Bottwartal, bevor sie 1937 als erste der Baureihe abgestellt und verschrottet wurde.[1] 99 632 wurde am 4. März 1939, 99 634 und 636 am 10. April 1940 und 99 635 am 30. Mai 1940 ausgemustert.[2]
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren noch vier Lokomotiven vorhanden, die nun der Deutschen Bundesbahn gehörten. 99 638 wurde am 26. Oktober 1954 und 99 639 am 27. November 1956 ausgemustert.
99 637 und 99 633 waren zuletzt auf der Federseebahn zwischen Bad Buchau und Bad Schussenried eingesetzt. Ihr Heimat-Betriebswerk war Aulendorf, die Einsatzstelle Buchau. Nach der Ausmusterung der 99 637 am 25. März 1965 verblieb die nach der 1964 erfolgten Auflösung des Bw Aulendorf nunmehr im Bahnbetriebswerk Friedrichshafen beheimatete 99 633 als Reservefahrzeug für schadhafte Diesellokomotiven bis zum 18. März 1969 erhalten.
Konstruktion
Im Lieferzustand hatten die Lokomotiven große unverglaste Tür- und Fensteröffnungen in den Führerhausseitenwänden, die später verkleinert und geschlossen wurden.[3][4] Der guten Streckensicht standen Beeinträchtigungen bei extremen Wetterverhältnissen entgegen. Das hintere Hochdrucktriebwerk ist als Außenrahmentriebwerk ausgeführt und bildet den Fahrzeugrahmen, auf dem der Kessel abgestützt ist. An seinem vorderen Ende ist über einen Gelenkbolzen das vordere, als Drehgestell mit Innenrahmen ausgebildete Triebwerk verbunden, auf dem sich der vordere Teil des Kessels gleitend abstützt. Die Tragfedern der Achsen sind oberhalb der Achsen angeordnet und befinden sich im Drehgestell innerhalb des Rahmens sowie beim Hochdrucktriebwerk außerhalb der Rahmenwangen.
Der genietete Langkessel bestand aus drei Schüssen. Auf dem zweiten Kesselschuss sitzt ein großer Dampfdom, auf dem ersten Kesselschuss ein eckiger Sandkasten. Später erhielten die Lokomotiven einen zusätzlichen Sandkasten auf dem dritten Schuss.[5] Die Feuerbüchse ist zwischen den Rahmenwangen des Hochdrucktriebwerkes eingezogen, auf dem dritten Kesselschuss befinden sich die Sicherheitsventile der Bauart Ramsbotton. Gespeist wurde der Kessel von zwei saugenden Strahlpumpen.
Die Vierzylinder-Verbund-Maschine der Bauart Mallet arbeitet als Nassdampfmaschine. Alle Zylinder sind waagerecht angeordnet. Die Hochdruckzylinder sind im Rahmen gelagert, die Niederdruckzylinder im vorderen Drehgestell. Es wird jeweils die zweite Achse angetrieben. Bis zur 99 636 war der Kreuzkopf zweischienig ausgeführt, danach einschienig. Die Steuerung ist als Heusinger-Steuerung ausgeführt, die gemeinsam umgesteuert wird. Es ist eine Anfahrvorrichtung in Form eines Ventiles zur direkten Versorgung der Niederdruckzylinder vorhanden.
Die Lokomotiven besitzen eine Westinghouse-Bremse sowie eine Handbremse. Abgebremst werden alle Radsätze einseitig von vorn. Die dafür benötigte Druckluft wird von einem einstufigen Luftpresser erzeugt, die rechts neben der Rauchkammer vor den Wasserkästen sitzt. Gesandet wird mit einem Handsandstreuer, aus dem vorderen Sandkasten zwischen die vorderen und aus dem hinteren Sandkasten zwischen die hinteren beiden Radsätze. Auf dem Führerhausdach befinden sich eine Dampfpfeife sowie ein Dampfläutewerk Bauart Latowski. Dieses war zu DB-Zeiten auf dem Rauchkammerscheitel vor dem Schornstein gelagert.[4]
An Vorräten führten die 99 631–633 2,5 m³ Wasser und 1 t Kohle mit. Die 99 634–639 hatte breitere Vorratskästen mit 3,0 m³ Wasser und 1,2 Tonnen Kohle.[6] Als maximale Anhängelast sind 140 t bei einer Steigung von 1:40 angegeben.
2011 begann die Aufarbeitung mit der Neuanfertigung eines Kessels bei der Firma Tschuda in Graz nach dem Muster des Originalkessels. Am 22. November 2014 fand die erste Probefahrt auf der Zillertalbahn statt.[7] Nach einer nochmaligen Aufarbeitung der Lok im Dampflokwerk Meiningen[8] konnte die Lok bei der Historik Mobil in Zittau 2021 wieder fahrfähig eingesetzt werden.[9]
Manfred Weisbrod, Hans Wiegard, Hans Müller, Wolfgang Petznick: Deutsches Lok-Archiv: Dampflokomotiven 4 (Baureihe 99). transpress, Berlin 1995, ISBN 3-344-70903-8, S.86–87; 250.
Ludger Kenning: Das Öchsle-Die Schmalspurbahn Biberach–Warthausen–Ochsenhausen. Verlag Kenning, Nordhorn 2015, ISBN 978-3-933613-99-8, S.64–66,174–177.