Der Verlag zählt mit seiner über zweihundertjährigen Tradition zu den ältesten Verlagen Deutschlands. Er gehört zur Verlagsgruppe Herder, die sich seit sechs Generationen in Familien- und Stiftungsbesitz befindet.
Als Herdersche Verlagsbuchhandlung wurde der Verlag 1801 in Meersburg von Bartholomä Herder (der seine ersten Bücher schon 1798 in Rottweil verlegt hatte, wo er zeitweilig Teilhaber an einer Buchhandlung war) gegründet, bald nach Konstanz, 1810 nach Freiburg verlegt. Nachfolger war sein Sohn Benjamin Herder (1818–1888), der die katholische Ausrichtung des Verlagsprogramms begründete und durch die Widrigkeiten des Kulturkampfs bewahrte. Dessen Sohn Hermann Herder sen. (1864–1937) baute das Unternehmen aus und verlegte die Verlagsgruppe an ihren heutigen Standort. Anschließend leiteten dessen Schwiegersohn Theophil Herder-Dorneich (1898–1987) und Hermann Herder (1926–2011) den Verlag.
Nach schweren wirtschaftlichen Schwierigkeiten in den 1990er-Jahren stand seit 1999 Manuel Herder (* 1966) in sechster Generation an der Spitze des Unternehmens. Unter seiner Führung entstanden die Digital- und Audioprodukte des Verlages sowie ein Onlineshop. Im Juli 2016 wurde bekannt, dass ein Konsortium um den Herder-Verlag den Großteil der Thalia-Gruppe übernehmen wird.[1] Ab April 2017 beteiligte Herder sich an dem Berliner Hörfunksender Radio Paradiso.[2]
Zum 1. März 2021 zog sich Manuel Herder aus der operativen Geschäftsführung des Verlags zurück, die neue Doppelspitze des Unternehmens aus Simon Biallowons und Philipp Lindinger war bereits seit Dezember 2020 als Geschäftsführer bei Herder tätig.[3]
Zum 2. Januar 2024 übernahm Herder Teile der insolventen Wissenschaftlichen Buchgesellschaft (wbg), die Verlagsmarken wbg, Theiss, Lambert Schneider und Philipp von Zabern sind seitdem bis auf Weiteres Imprints des Verlags Herder.[4]
Verlagsgebäude
Das in Freiburg auch „Rotes Haus“ genannte Verlagsgebäude dominiert den Freiburger Stadtteil Neuburg. Es wurde in den Jahren 1910 bis 1912 nach dem Entwurf des Architekten Max Meckel im neobarocken Stil erbaut an der Stelle der dort zuvor angesiedelten Zichorienfabrik Kuenzer.[5] Das Verlagsgebäude nimmt ein ganzes Straßenkarree ein und befindet sich unmittelbar östlich der Justizvollzugsanstalt. Am 27. November 1944 wurde der Bau durch den Bombenangriff im Rahmen der britischen Operation Tigerfish zerstört. Unter den Opfern waren 11 Herder-Angestellte. Nachdem die Druckerei, in der in den 1950er Jahren auch eine Teilauflage der Badischen Zeitung gedruckt wurde, und die Auslieferung Anfang der 1990er Jahre ausgelagert wurden, verkaufte der Verlag den dadurch freien Teil des Verlagsgebäudes an das Land Baden-Württemberg, welches diesen Teil des Gebäudes als Herder-Bau bezeichnet. Die Räumlichkeiten stehen der Universität Freiburg zur Verfügung und wurden seit 2000 nach und nach saniert. Dort sind hauptsächlich Institute der Fakultät für Umwelt und natürliche Ressourcen untergebracht. Im ehemaligen Papierlager wurde die Ausstellungshalle der Archäologischen Sammlungen der Universität eingerichtet. Der Verlag selbst nutzt weiterhin den Südteil des Gebäudekomplexes.[6]
Das Verlagsgebäude befindet sich an der Haltestelle Tennenbacher Straße der Straßenbahnlinie 4. Südlich des Gebäudes befindet sich die Station Herrmann-Herder-Straße des Fahrradverleihsystems Frelo.
Autoren und Verlagsprogramm
Im Verlag erscheinen hauptsächlich Sach-, Fach-, Kirchen-, Geschenk- und Kinderbücher, sowie Biografien – in jüngerer Zeit auch als Hörbuch und seit 2008 als E-Books. In der Herderbücherei erschien ab den 1960er Jahren eine Taschenbuchserie mit zunächst unterhaltsamen, später meist theologischen und pädagogischen Themen. Neben den TaschenbuchreihenINITIATIVE (ab 1974)[7], Spektrum und der broschierten ReihePremiere, die sich hauptsächlich mit Sachbuchthemen rund um Gesellschaft und Religion beschäftigen, gehört auch das KinderbuchimprintKeRLE zu Herder. Unter Kirchenbüchern ist die so genannte Herder-Bibel bekannt, die zur besseren Orientierung einen Evangelienschlüssel enthält.
Im Verlag Herder erscheinen die Herder Korrespondenz, der Christ in der Gegenwart und die Stimmen der Zeit. Sie widmen sich dem Dialog zwischen Kirche, Kultur und moderner Gesellschaft. Weitere christlich oder kirchlich orientierte Formate sind der Anzeiger für die Seelsorge, einfach leben – ein Brief von Anselm Grün, Ideenwerkstatt Gottesdienst, Gottesdienst und praxis gottesdienst, diakonia und Forum Weltkirche[9]. Die vierteljährlich erscheinenden Zeitschriften Römische Quartalschrift und Theologie und Philosophie haben als Zielgruppe das theologisch forschende Fachpublikum. Im Bereich Pädagogik werden die Zeitschriften kindergarten heute, kizz, Entdeckungskiste und Kleinstkinder herausgegeben.
Nachschlagewerke
1854 erschien Herders Conversations-Lexikon, eines der bedeutenden deutschen Lexika des 19. Jahrhunderts, das im 20. Jahrhundert als „Der Große Herder“ weitergeführt wurde. Im Bereich der Theologie erschien der inzwischen 36-bändige Theologische Kommentar zum Alten Testament (ThKAT, herausgegeben von Erich Zenger †, Ulrich Berges, Christoph Dohmen und Ludger Schwienhorst-Schönberger) und das Lexikon für Theologie und Kirche (LThK). Bis in die 90er Jahre war das mehrbändige Herders Staatslexikon in katholischen Kreisen ein wichtiges Nachschlagewerk für Themen der Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Im Verlag erschien die Reihe Ars Antiqua – Große Epochen der Weltkunst von Kunst-Bildbänden und Der Große Ploetz. Weitere bedeutende Werke waren die mehrbändige „Geschichte der Päpste seit dem Ausgang des Mittelalters“ von Ludwig Freiherr von Pastor sowie der seit 1949 in mehreren Auflagen herausgegebene „Neue Herder“.
Rezeption
Die ursprünglich katholische Ausrichtung und enge Verflechtung mit der römisch-katholischen Kirche zeigte sich unter anderem bei der Herausgabe von Fritz Leists Buch Der sexuelle Notstand und die Kirchen. Trotz positiver Aussagen des Verlages vor und beim Erscheinen zog Herder das Buch nach kurzer Zeit zurück.[10] Im Hintergrund soll die Amtskirche entsprechend auf Herder eingewirkt haben. Das Buch erschien dann umgehend beim Gütersloher Verlagshaus.
Albert M. Weiß, Engelbert Krebs: Im Dienst am Buch: Bartholomä Herder, Benjamin Herder, Hermann Herder. Herder, Freiburg 1951.
Hermann Herder (Hrsg.): 185 Jahre Herder. Herder, Freiburg 1986
Der Verlag Herder 1801-2001. Chronologischer Abriss seiner Geschichte mit Synchronopse zum Geistes- und Weltgeschehen. Hrsg. vom Verlag Herder zum 200-jährigen Bestehen des Verlages am 27. November 2001. Herder, Freiburg 2001, ISBN 3-451-20550-5.
Der Verlag Herder seit 1798. Chronologischer Abriss seiner Geschichte mit Synchronopse zum Geistes- und Weltgeschehen. Hrsg. vom Verlag Herder 2012