Er wurde als Sohn des Artus Quellinus d. J. geboren, bei dem er auch die erste berufliche Unterweisung erhielt. Danach arbeitete er zunächst in London mit seinem Bruder Artus Quellinus III. Ab Mitte 1689 kam er nach Kopenhagen, um die Ausführung des von seinem Vater geschaffenen Grabmals für den FeldmarschallHans von Schack in der Trinitatis Kirke zu überwachen, und war sodann dort in eigener Werkstatt tätig. Die flämischen Bildhauerwerkstätten des Barock waren keine Kleinbetriebe, sondern nach heutigen Maßstäben als große Handwerksbetriebe organisiert. Insofern lag bei Thomas Quellinus sicherlich die Entwurfs- und Leitungskompetenz. Seine Handschrift lässt sich also am sichersten an den aus Terrakotta von ihm selbst modellierten Bozzetti erkennen, von denen sich einige in der Sammlung der Königlichen Museen der Schönen Künste in Brüssel erhalten haben.[1] In der Ausführung griff er jedoch auf von ihm überwachte Gesellen und Gehilfen zurück, die sich teilweise später als seine Schüler, wie Hieronymus Hassenberg in Lübeck, Just Wiedewelt in Kopenhagen und Alexander van Papenhoven[2] in Antwerpen, einen eigenständigen Ruf erwarben. Quellinus erwarb sich so in Nordeuropa rasch einen Namen. Aus seiner Werkstatt entstammen allein gut 25 bedeutende große Grabmale. 1707 kehrte er nach Antwerpen zurück. Das Grabmal Schack, das Quellinus nach Dänemark geführt hatte, wurde bereits 1728 beim Brand von Kopenhagen zusammen mit eigenen Werken von Thomas Quellinus schwer beschädigt. Außer dessen Resten und der Büste vom Grabmal des Aalborger Bischofs Henrik Bornemann ist gerade an der Hauptstätte seines Wirkens nichts weiter erhalten. Die serielle Fertigungsweise der Werkstatt wurde in der Kunstgeschichte erst seit Mitte der 1980er Jahre erkannt und führte zur Bestätigung von Zuschreibungen. So bestehen deutliche Übereinstimmungen zwischen den Allegorien im Dom von Arhus und den Parkskulpturen in Petersburg.[3]
Werk
Grabmale und Epitaphien
Quellinus wurde hauptsächlich durch seine Grabmalproduktion berühmt. Er schuf eine neue Form, das „Staffage“-Epitaph, das weit stärker als die traditionelle Form auf Elemente des Andachtsbildes verzichtete und ganz der ausgeprägten und nach außen gerichteten Selbstdarstellung der Stifter diente. Viele seiner prachtvollen Grabmale zieren heute noch Kirchen in ganz Dänemark. Im Dom von Århus schuf Quellinus mit der Marselis-Kapelle, dem Grabmal für Constantin Marselis, Sophie Charisius und Peder Rodsteen, das größte erhaltene barocke Grabmal in Dänemark.[4] Weitere Werke befinden sich in der Kirche von Auning für den dänischen Adligen Jørgen Skeel (1656–1695), der 1691 die 13-jährige Benedicte Margrethe Brockdorff aus Holstein geheiratet hatte. An den Bischof und Barockdichter Thomas Kingo erinnern sein Epitaph in Slangerup und seine Grabkapelle in der Fraugde Kirke bei Odense.
Quellinus schuf einen Altaraufbau, sein größtes und bedeutendstes Werk. Der meist nach seinem Stifter Thomas Fredenhagen als Fredenhagen-Altar bezeichnete Altar war der barockeHochaltar der Lübecker Marienkirche. Die zuvor in Kopenhagen gefertigten Skulpturen wurden 1697 nach Lübeck gebracht; eingeweiht wurde der Altar aus weißem und schwarzem belgischen Marmor und Säulen aus Adneter Rotmarmor am 15. August 1697. Er wurde beim Bombenangriff auf Lübeck und dem anschließenden Brand der Marienkirche im März 1942 schwer beschädigt. Die durchaus wiederherstellungsfähige Ruine wurde 1959 durch Beschluss des Kirchenvorstands auf Antrag des damaligen Bischofs Heinrich Meyer abgebaut.[6] Eine im Beschluss zunächst vorgesehene Umsetzung in die Greveradenkapelle im Nordturm, die auch Bedingung für die Zustimmung des staatlichen Denkmalausschusses vom 7. Juli 1958 zum Abbruch war, wurde nicht verwirklicht; die Einzelteile wurden stattdessen in der Petrikirche eingelagert, von wo aus sie in den späten 1970er Jahren wieder zurückkehrten. Einzelteile wie die Abendmahlsdarstellung der Predella und die Kreuzigungsgruppe wurden 1977 im Zusammenhang der Hamburger Ausstellung Barockplastik in Norddeutschland teilrestauriert und 1978 im Chorumgang der Marienkirche aufgestellt.[7] 1982 kamen die aus Bruchstücken rekonstruierten Seitenfiguren Glaube und Hoffnung sowie die Figur des auferstandenen Christus hinzu. Die Diskussionen über einen Wiederaufbau des Altars halten an.[8]
Die zum Altar gehörige Büste des StiftersThomas Fredenhagen befindet sich zusammen mit dem Gipsmodell und dem ebenfalls zum Altar gehörenden Wappen heute im Lübecker St.-Annen-Museum.
Kreuzigungsgruppen-Fragment, aufgestellt im Chorumgang von St. Marien (Zustand 2008)
Predella
Büste des Stifters im St. Annen-Museum (2009)
Gartenskulptur
Im von Peter dem Großen angelegten Sommergarten (Sankt Petersburg) finden sich heute noch drei Statuen von Thomas Quellinus. Es wird vermutet, dass diese (identifiziert als Minerva oder Athene, Ceres und Nymphe oder Flora(?)) eventuell der Rest einer größeren Gruppe sind.[9]
Im Schloss Wilanów befindet sich eine Frauenbüste von Thomas Quellinus. Die Diskussion um die Zuschreibung weiterer Skulpturen auf diesem Schloss bei Warschau ist noch nicht abgeschlossen.[10]
Literatur
Sergej O. Androssow: Werke von Thomas Quellinus in Rußland und Polen. In: Konstanty Kalinowski (Hrsg.): Studien zur barocken Gartenskulptur (=Seria historia sztuki, Band 26). Poznańska Drukarnia Naukowa, Poznań 1999, ISBN 83-232-0886-7, S. 97–116
Johannes Baltzer und Friedrich Bruns: Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck. Band 3: Kirche zu Alt-Lübeck. Dom. Jakobikirche. Ägidienkirche. Verlag von Bernhard Nöhring: Lübeck 1920, S. 79–84. Unveränderter Nachdruck 2001: ISBN 3-89557-167-9
Gustav Schaumann, Friedrich Bruns (Bearbeiter): Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck. Band 2, Teil 2: Die Marienkirche. Nöhring, Lübeck 1906. (Digitalisat)
Heike Barth: Der Fredenhagen-Altar des Thomas Quellinus in der Marienkirche zu Lübeck. Marburg 1996
Theodor Gaedertz: Rathsherr Thomas Friedenhagen und der von ihm gestiftete Hochaltar in der St. Marienkirche zu Lübeck. In: Theodor Gaedertz: Kunststreifzüge. Gesammelte Aufsätze aus dem Gebiete der bildenden Kunst und Kunstgeschichte. Max Schmidt, Lübeck 1889, S. 213–223 (Digitalisat)
Wendy Frère: A Quellinus in Scandinavia: Thomas Quellinus (1661–1709) and his artistic production in Denmark. In: Anna Ancāne (Hrsg.): The Migration of Artists and Architects in Central and Northern Europe, 1560–1900. Riga: Latvijas Mākslas akadēmija 2022, ISBN 978-9934-541-95-7, S. 74–91 (Digitalisat)
Anne-Dore Ketelsen-Volkhardt: Thomas Quellinus und das "Staffage"-Epitaph. In: Anne-Dore Ketelsen-Volkhardt: Schleswig-holsteinische Epitaphien des 16. und 17. Jahrhunderts. Wachholtz, Neumünster 1989 (in: Studien zur schleswig-holsteinischen Kunstgeschichte 15) ISBN 3-529-02515-1
Hans Nieuwdorp: Antwerps beeldhouwwerk in Rusland. Drie meesterwerken van Thomas Quellinus te Sint-Petersburg. In: Bulletin [van de] Koninklijke Musea voor Schone Kunsten van België / Bulletin [des] Musées royaux des Beaux-Arts de Belgique KMSKB / MRBAB. Band 1989/91, Nr. 1/3, S. 317–329.
Viggo Thorlacius-Ussing: Billedhuggeren Thomas Quellinus. Kopenhagen 1926.
Viggo Thorlacius-Ussing: Die Arbeiten der Künstlerfamilie Quellinus in den Herzogtümern und in Norddeutschland. In: Nordelbingen. Band 6, 1927, S. 291–320
↑Michael Lissok: Marmorne Botschaft von Vergänglichkeit und ewigem Ruhm. Das Gedächtnismal des Dr. F. G. Gluck im Dom zu Güstrow. In: Der Dom zu Güstrow. Heidberg-Verlag, Güstrow 2001, ISBN 3-934776-06-X, S. 121–134
↑Meyers Begründung findet sich im Jahrbuch des St.-Marien-Bauvereins 1959/60: Entscheidung über den Fredenhagen-Altar, S. 36–41.
↑Rolf Saltzwedel: Ludwig Schirmeister. In: Der Wagen. 1995/96, S. 187.
↑Siehe Manfred Finke: Pastor Paulsen und Marienvorstand auf Abwegen: Gott mag kein Barock. In: bürgernachrichten. Band 31, 2008, Nr. 100, S. 10f.