Auf der Hofseite des sogenannten Johann-Friedrich-Flügels oder Ostflügels befindet sich der repräsentativ gestaltete Wendelstein, eine fast 20 Meter hohe freitragende steinerne Wendeltreppe. Nach Dehio ist diese Hofseite von 1533 bis 1535 eine der architektonischen „Hauptleistungen der Frührenaissance in Deutschland.“ Der Wendelstein (Brüstungen und Pilaster) ist von Dresdner Bildhauern aus Elbsandstein angefertigt. Konstruktives Vorbild dieser architektonischen Neuinterpretation war der Wendelstein an der spätgotischen Albrechtsburg in Meißen.
Die Torgauer Schlosskapelle wurde 1543–1544 im Auftrag von Kurfürst Johann Friedrich dem Großmütigen von Nikolaus Gromann im Schloss Hartenfels erbaut. Sie gilt als der erste protestantische Kirchenneubau der Welt, allerdings sind die Schlosskapelle von Neuburg (1543 fertiggestellt) und die Kirche zu Sankt Joachimsthal (1540 fertiggestellt) älter. Die Kapelle wurde 1544 noch von Martin Luther selbst eingeweiht. Die besondere Bedeutung der Torgauer Schlosskapelle liegt darüber hinaus in der Vorbildwirkung, die sie ausgehend vom kursächsischen und deutschsprachigen Raum auf den protestantischen Kirchenbau der Frühen Neuzeit entfaltete.[1] Prägend wurde der einheitliche Kirchenraum ohne abgetrennten Altarraum, stattdessen sind Altar und Orgel im Dienste der lutherischen Liturgie zentral im Raum angeordnet. Der Raumeindruck wird bestimmt durch die beiden umlaufenden Emporen, die durch Wandpfeiler getragen werden und zugleich auch die Stellung des Kurfürsten Johann Friedrich als obersten Kirchenherrn abbilden.[2] Bis dahin und lange Zeit danach wurden vorhandene Kirchen je nach Konfession umgewidmet. Dehio weist darauf hin, dass ihr Raumkonzept nicht von theologischen Konzepten des evangelischen Gottesdienstes, sondern vom Raumkonzept des Schlossbaus bestimmt sei. Schon vorher entstanden in der Region zum Ende des 15. Jahrhunderts ähnliche (vorreformatorische) Schlosskirchen auf Schloss Wolmirstedt oder auf Burg Ziesar. Die Kapelle ist in einen dreistöckigen Saal des Nordflügels integriert. Die Doppelemporen ruhen auf Flachbögen zwischen den seitlichen Strebepfeilern. Die Kanzel befindet sich an der Südseite des Saals. Der Altar von 1602 ist eine Bildhauerarbeit aus dem Umkreis der Walthers und stammt aus der ehemaligen Schlosskirche im Moritzbau des Dresdner Residenzschlosses, die 1737 in Wohnraum umgewandelt wurde. Zur Ausstattung gehört eine Gedenktafel aus dem Jahr 1545, die Martin Luther zwischen den Prinzen Johann Wilhelm und Johann Friedrich zeigt. Sie geht im Entwurf auf Augsburger Vorbilder der Frührenaissance zurück und wurde von den Dresdner Giessern Wolfgang I. und Oswald II. Hilliger aus der bekannten Glocken- und Geschützgiesserdynastie der Hilliger gegossen.
Nach dem Schmalkaldischen Krieg kam 1547 das Schloss in den Besitz der Albertiner, als die bei dem Konflikt am Ende unterlegenen Ernestiner zusammen mit der Kurwürde auch wichtige Besitzungen abtreten mussten. Als die Albertiner im 16. Jahrhundert ihren Hofhaltungssitz dauerhaft nach Dresden verlegten, wurde das Schloss hauptsächlich als Verwaltungsgebäude genutzt. 1815 gelangte es an das Königreich Preußen und diente nunmehr der preußischen Verwaltung des neugebildeten Kreises Torgau.
Schloss Hartenfels diente 1970 als Kulisse für den DEFA-Märchenfilm Dornröschen.
Die historische Elbebrücke unmittelbar vor dem Schloss Hartenfels wurde im Zuge einer Neutrassierung abgerissen. Seit August 1994 existiert davon nur noch ein Stummel als Aussichtsplattform. Im Dezember 1991 wurde zirka 100 m stromaufwärts in einer neuen Trassenlage mit dem Bau einer Balkenbrücke in Stahlverbundbauweise begonnen. Nach 19 Monaten war das Bauwerk im Sommer 1993 fertiggestellt. Im Jahr 1994 erfolgte der Abriss der alten Elbebrücke (51° 33′ 32″ N, 13° 0′ 39″ O51.55888913.010833).
Eine alte Tradition hat das Halten von Bären im Burggraben. Schon 1425 wurde dafür ein Bär gefangen. Der feudale Brauch wurde nach der Schlacht bei Torgau 1760 unterbrochen und in den 1950er Jahren wieder aufgenommen.
Standfest. Bibelfest. Trinkfest. Multimediale Ausstellung zur Geschichte von Schloss Hartenfels in den ehemaligen kurfürstlichen Gemächern.
Steinerne Zeugen. Originale Zeugnisse der hohen Bildhauer- und Steinmetzkunst auf Schloss Hartenfels im Lapidarium.
Das Dokumentations- und Informationszentrum Torgau zeigt im Schloss Hartenfels die ständige Ausstellung Spuren des Unrechts über Torgaus Rolle als Zentrale des Wehrmachtstrafsystems im Nationalsozialismus, die Geschichte der sowjetischen Speziallager Nr. 8 und Nr. 10 und des DDR-Strafvollzugs in Torgau. Ab Ende 2023 wird dort eine ständige Ausstellung über Justizunrecht, Diktatur und Widerstand im Zweiten Weltkrieg, sowie nach 1945 und während der SED-Diktatur gezeigt werden.
Darüber hinaus werden in Flügel D wechselnde Sonderausstellungen präsentiert.
Peter Findeisen: Zur Struktur des Johann-Friedrich-Baues im Schloß Hartenfels zu Torgau. In: Sächsische Heimatblätter. 20 (1974), 1, S. 1–12.
Peter Findeisen, Magirius Heinrich: Die Denkmale der Stadt Torgau (= Die Denkmale im Bezirk Leipzig). Leipzig 1976.
Hans-Joachim Krause: Die Emporenanlage der Torgauer Schloßkapelle in ihrer ursprünglichen Gestalt und Funktion. In: Bau- und Bildkunst im Spiegel internationaler Forschung (Festschrift zum 80. Geburtstag von Edgar Lehmann). Berlin 1989, S. 233–245.
Stephan Hoppe: Die funktionale und räumliche Struktur des frühen Schlossbaus in Mitteldeutschland. Untersucht an Beispielen landesherrlicher Bauten der Zeit zwischen 1470 und 1570. Köln 1996, S. 131–244.
Hans-Joachim Böttcher: Torgau – … unmittelbar an der Elbe auf einem Porphyrfelsen gelegen, … In: Still und voll herber Schönheit … Schlösser und ihre Gärten in der Dübener Heide. Bad Düben 2006, ISBN 3-00-020880-1, S. 169–186.
Steffen Delang: Schloss Hartenfels in Torgau. Edition Leipzig, 2008.
↑Hugo Johannsen: Church Architecture in Denmark. In: Jan Harasimowicz (Hrsg.): Protestantischer Kirchenbau der Frühen Neuzeit in Europa. Schnell und Steiner, Regensburg 2015, ISBN 978-3-7954-2942-3, S.115–130.
↑Thomas DaCosta Kaufmann: Architektur und Reformation. Die Schlosskapelle und die Frage nach der protestantischen Architektur. Hrsg.: Staatliche Kunstsammlungen Dresden. Luther und die Fürsten., Aufsatzband. Sandstein Verlag, Dresden 2015, ISBN 978-3-95498-159-5, S.65–76.