Polyhydroxyalkanoate (PHA) oder Polyhydroxyfettsäuren (PHF) sind natürlich vorkommende wasserunlösliche und lineare Biopolyester, die von vielen Bakterien als Reservestoffe für Kohlenstoff und Energie gebildet werden. Diese Biopolymere sind biologisch abbaubar und werden zur Herstellung von bio-basierten Kunststoffen verwendet.[1] Als Mikroorganismen seien als Beispiele genannt: Cupriavidus necator (früher genannt Alcaligenes eutropha, Wautersia eutropha oder Ralstonia eutropha ), Alcaligenes latus, Pseudomonas putida, Aeromonas hydrophila und Escherichia coli.
Innerhalb der Familie können mehr als 150 verschiedene Monomere kombiniert werden, um Materialien mit extrem unterschiedlichen Eigenschaften zu erhalten.[2]
Sie können entweder thermoplastische oder elastomere, also dehnbare Materialien sein, wobei der Schmelzpunkt im Bereich von 40 bis 180 °C liegt. Die mechanischen Eigenschaften und die Biokompatibilität von PHA können auch durch Mischen, Modifizieren der Oberfläche oder Kombinieren von PHA mit anderen Polymeren, Enzymen und anorganischen Materialien verändert werden, wodurch ein breiteres Anwendungsspektrum ermöglicht wird.
PHA kann entweder als kurzkettiges (short-chain length PHA, scl–PHA) mit 3 bis 5 Kohlenstoffatomen, als mittelkettiges (medium-chain length PHA, mcl–PHA) mit 6 bis 14 Kohlenstoffatomen oder als langkettiges (long-chain length PHA, lcl–PHA) mit 15 oder mehr Kohlenstoffatomen synthetisiert werden.
Je nach Mikroorganismus und Kultivierungsbedingungen werden Homo- oder Copolyester mit unterschiedlichsten Hydroxycarbonsäuren erzeugt.
Um die Glucosebausteine der Saccharose-Substrate für die mikrobielle PHA Produktion zugänglich zu machen, werden die Substrate oftmals vorher hydrolysiert.
Sobald die Population ein beträchtliches Niveau erreicht hat, wird die Nährstoffzusammensetzung geändert, um den Mikroorganismus zur Synthese von PHA zu zwingen.
Die Biosynthese von PHA durch Mikroorganismen wird während der Fermentation meist durch bestimmte Mangelbedingungen (z. B. Mangel an den Makroelementen Phosphor, Stickstoff, Mangel an Spurenelementen oder Sauerstoffmangel) bei gleichzeitigem Überangebot an Kohlenstoffquellen ausgelöst.
PHAs werden in Bakterienzellen durch einen Stoffwechselprozess synthetisiert.[4]
Die Substrate für die biosynthetisierende PHAs sind in der Regel auf kleine Moleküle beschränkt, da Bakterien dicke, starre Zellwände als Membranen haben. Große polymere Moleküle können nicht in die Zelle transportiert werden, und für den Einsatz der polymeren Moleküle ist eine extrazelluläre Transformation entweder durch den Mikroorganismus oder durch einen chemischen Prozess erforderlich.
JoAnne Stubbe erforschte und isolierte mit ihrer Gruppe ein erstes Enzym zur biosynthetischen PHA-Synthase und untersuchte die durch das Enzym aufgebauten Polymere. Eine Liste mit Enzymen, die in den PHA-Biosynthese-Pfad involviert sind, ist bei Tan et al. und Behera zusammengestellt.[5][6][4]
PHA-Synthasen sind die Schlüsselenzyme der PHA-Biosynthese. Sie verwenden das Coenzym A-Thioester von (r) -Hydroxyfettsäuren als Substrate.
Die Ausbeute an PHA, die aus den intrazellulären Granulateinschlüssen erhalten wird, kann bis zu 80 % des Trockengewichts des Organismus betragen.
Die Biopolyester werden in Form von wasserunlöslichen, stark lichtbrechenden Granula als Energie-Speicherstoffe in den Zellen abgelagert.
Die meisten PHA-synthetisierenden Mikroorganismen können als Substrat einfache Zucker verwenden. Der Kohlenwasserstoff-Stoffwechsel von Triacylglycerol (Fette und Öle) ist begrenzter, kann aber von Pseudomonas-Bakterienarten durchgeführt werden. Aus dem gleichen Substrat können verschiedene Bakterien PHAs mit einer anderen Zusammensetzung herstellen.
Bei reinen Substraten entstehen Homopolyester. Gibt man zu den Hauptsubstraten noch Co-Substrate wie zum Beispiel Valeriansäure oder Glycerin hinzu, werden von den Mikroorganismen Co-Polyester mit unterschiedlichen Hydroxycarbonsäuren erzeugt.
Die Firma P4SB erforscht die Biotransformation von nicht biologisch abbaubaren, ölbasierten Kunststoffabfällen (z. B. Polyethylenterephthalat und Polyurethan) unter Verwendung der Bakterien Pseudomonas putida zu biologisch abbaubarem Polyhydroxyalkanoat (PHA).[7]
Eine Übersicht über die Umwandlung von Abfallströmen als auch von petrochemischem Plastikabfall als Kohlenstoffquelle in Biopolymere PHA beschreiben Khatami und Kollegen.[8]
Anbei einige ausgewählte Stämme an Mikroorganismen, die aus Substraten eine hohe PHA-Konzentration in der trockenen Zellmasse synthetisieren:
Die zitierten Literaturwerke enthalten umfangreiche Tabellen mit:
Mikroorganismen-Stämmen, Kohlenstoff-Quellen, Art der gebildeten PHAs, Trockenmasse der Bakterien, PHA in der Fermentationslösung, PHA-Anteil an der trockenen Zellmasse und Ausbeute an PHA bezogen auf die Substratmenge.
Die vollständigen Tabellen in den Artikeln können über den DOI als Volltext heruntergeladen werden.[3][6][9][10][11][12][13][14][15][16][17][18]
Bioverträglich und damit für medizinische Anwendungen geeignet.
Sie sind als hochwertige, therapeutische oder pharmazeutische Materialien wie wärmeempfindliche Klebstoffe, Trägermaterialien für die kontrollierte, in vivo Freisetzung von Arzneimitteln, Führungsleitungen beim Reparieren von Nervenbahnen, Implantaten, antimikrobielle Nähte, intelligente Latex, Maschen oder als Gerüststrukturen bei der Gewebezüchtung geeignet.[19]
Da PHAs intrazelluläre Polymere sind, ist es notwendig, die Biomasse vor der PHA-Gewinnung zu konzentrieren.
Zu den Techniken gehören Trocknungstechniken (Lyophilisierung und thermische Trocknung), Schleifen, chemische, enzymatische und biochemische Vorbehandlungen. Der Vorbehandlungsschritt kann zwei oder mehr Methoden kombinieren.
Die Zerstörung der nicht-PHA-Zellmasse (NPCM) kann mechanisch, chemisch, enzymatisch, biologisch oder osmotisch erfolgen.
Bei der Fällung wird die Unlöslichkeit von PHA in eiskaltem Methanol und die Löslichkeit von NPCM in einem Lösungsmittel ausgenutzt. Nach der Fällung werden die PHA durch Zentrifugieren abgetrennt und danach getrocknet.[3]
Beim Verfahren nach Heinrich und Kollegen wurde Natriumgluconat mit Ralstonia eutropha kultiviert. Die Bakterienzellen wurden 68 h bei 30 °C gezüchtet und durch kontinuierliche Zentrifugation geerntet. Die gefriergetrocknete und pulverisierte Zellmasse wurde in 13 vol % wässrigen Natriumhypochloritlösung suspendiert. Bei einer Biomassekonzentration von mehr als 30 g L-1 (Gew./Vol.) war die Natriumhypochloritlösung gesättigt. Der Aufschluss der Nicht-Poly (3-HB) -Biomasse (NPCM) in Natriumhyperchlorit bei pH von 12,3 war sehr exotherm und intensive Kühlung war notwendig. Das Aussedimentieren des Polymers konnte durch Wasserzugabe beschleunigt werden. Die Sedimentation des Polymers ging mit einer klaren Trennung einher und das sedimentierte Poly (3HB) konnte einfach vom Überstand dekantiert werden. Das isolierten Poly (3HB) wurde zweimal mit Wasser und einmal mit Isopropanol gewaschen. Der Rest an Isopropanol wurde abgedampft. Danach war kein Geruch von Hypochlorit im Produkt mehr vorhanden. Das extrahierte und gereinigte Polymer erschien als weißes Pulver mit einer Reinheit von 93 bis 98 Gew. %. Die maximale Wiederfindung, die in Bezug auf die Anfangskonzentration von Poly (3HB) in den Zellen erreicht werden konnte, betrug ca. 87 %.[23]
PHA Extraktion mit Hilfe von Tensiden
Die nichtionischen Tenside Triton X-100, Triton X114 und Tergitol 6 bauen bei hohem pH die Bakterienzellmembranen ab und zerstören oder denaturieren andere Zellbestandteile und setzen das PHA frei. Darauf folgt eine kurze Behandlung mit Bleichmittel, die die Reinigung abschließt.[24]
Beim Verfahren nach Strazzullo wird die Zellmasse in destilliertem Wasser gelöst und mit Hilfe von Ultraschall vollständig dispergiert. Durch Zugabe von Natriumlaurylsulfat als Tensid und Wärmezufuhr können die PHAs aufgeschlossen werden.[4]
PHA Extraktion durch Enzymatische Behandlung
Der Aufschluss der Zellmembranen und die Freisetzung der Polyhydroxyalkanoate kann durch den Einsatz von Enzymen wie Lysozym, Nukleasen oder Proteasen wie z:B. proteases Corolase® L10, Alcalase® 2.4L, Corolase® 7089, Protemax® FC, glycosidases Celumax® BC, Rohament® CL oder Rohalase® Barley erfolgen. Es konnten Ausbeuten von 93 % P(3HB‐co‐3HV) mit 94 % Reinheit erzielt werden.[25]
Biologisches Extraktionsverfahren von PHAs
Die Bioextraktion von PHA aus Zellen ist ein alternativer Ansatz für eine umweltfreundliche und nachhaltige Methode mit dem Ziel, den Verbrauch von giftigen Lösungsmitteln und starken Chemikalien zu minimieren.
Die Idee der Bioextraktion beinhaltet die Verwendung eines lebenden Organismus, um das Polymer aus den Zellen zu extrahieren.
Ein Beispiel ist die Verfütterung der Zellen, die intrazelluläre PHAs enthalten, an Insekten. Mehlwürmer wurden mit gefriergetrockneten Zellen von C. necator gefüttert. Ihre weißlichen Kotpellets enthielten die PHAs. Die PHA-Polymer haltigen Pellets wurden mit Wasser, Natriumhydroxid oder einer geringen Konzentration an Tensiden wie Natriumdodecylsulfat oder Natriumdodecylbenzolsulfonat gewaschen. Nach der Wäsche betrug die Reinheit von biologisch extrahiertem PHAs 89 %. Das Molekulargewicht (Mw) des biologisch gewonnenen PHB war mit dem des mit Chloroform extrahierten PHB vergleichbar. Dies weist darauf hin, dass das biologische Extraktionsverfahren das Molekulargewicht von PHB-Granulat nicht abbaute und die anderen Eigenschaften nicht veränderte.[26]
Polieren und Trocknen
Als letzte Schritte können die gewonnenen PHAs poliert werden, indem Rückstände, aus den vorherigen Schritten entfernt oder getrocknet werden.[16][27][28]
Industrielle Fertigung
Geschichte
P3HB (Poly-3-hydroxybutyrat) wurde erstmals 1925 durch den französischen Mikrobiologen Maurice Lemoigne (1883–1967), im Bacillus megaterium entdeckt.[29]
Erst in den 1960er Jahren konzentrierte sich die Wissenschaft auch auf andere von Bakterien produzierte PHA, nämlich P3HV (Poly-3-hydroxyvalrat) und P3HHx (Poly-3-hydroxyhexanoat). Bis 2006 waren etwa 150 verschiedene PHA bekannt.
Das Unternehmen ICI entwickelte in den 1980er Jahren ein Material, um seine Produktion in einer Pilotanlage zu testen. Durch die kommerzielle Produktion wurden diese Materialien billiger und sie wurden in großen Mengen für verschiedene Anwendungen mit großem Potenzial in der Medizin getestet.
Das Interesse ließ jedoch nach, als klar wurde, dass die Materialkosten zu hoch waren und seine Eigenschaften nicht mit denen von Polypropylen vergleichbar waren.
1996 erwarb Monsanto alle Patente für die Polymerherstellung von ICI / Zeneca und verkaufte ein Copolymer aus PHBV (Poly (3-hydroxybutyrat-co-3-hydroxyvalerat)) unter der Marke Biopol. Monsanto verkaufte seine Rechte an Biopol jedoch 2001 an das US-amerikanische Unternehmen Metabolix und schloss Anfang 2004 ihre Kulturanlage, in der PHB aus Bakterien hergestellt wurde.
Im Juni 2005 erhielt das amerikanische Unternehmen Metabolix einen Presidential Green Chemistry Challenge Award für die Entwicklung und Vermarktung einer kostengünstigen Methode zur Herstellung von PHAs im Allgemeinen, einschließlich PHB.[30]
China, (Beilun District, Ningbo City, Zhejiang Province)
Dextrose/ Glucose von Getreide, Tapioka
2.000/2004
Tianjin GreenBio Material Co., Ltd.
GreenBio, Sogreen
P(3HB-co-4HB), Filme, Granulat, Schaum-Granulat
China (Binhai District in Tianjin) / Niederlande
Zucker
10.000
Tianzhu
Tianzhu
PHBH, P(3HB-co-3HHX)
China
Pilotanlage
Yield10 Bioscience Inc., früher Metabolix Inc. und BP
Mirel
PHA
USA (Woburn, Massachusetts)
Camelina Samen (Leindotter)
Yikeman ShanDong
P(3HB-co-4HB)
China (Liwan, Guangzhou)
3000
Verarbeitung und Verwendung
PHA-Polymere bergen großes Potential als Ersatzmaterial für Massenkunststoffe wie, z. B. Polypropylen(PP), besonders im Bereich der Verpackungen und Beschichtungen. Der Anteil von PHA an den 2020 weltweiten Kapazitäten für Bioplastik in Höhe von 2,11 Millionen Tonnen/Jahr beträgt 1,7 %.[42]
PHA-Polymere sind thermoplastisch auf konventionellen Anlagen verarbeitbar und sind je nach Zusammensetzung verformbar und mehr oder weniger elastisch.
Verarbeitet werden PHA vor allem im Spritzguss, durch Extrusion und Extrusionsblasen zu Folien und Hohlkörpern.
PHA ist ein Thermoplast das beim 3D-Druck als Schmelzmaterial eingesetzt werden kann. Die Produktformen lassen sich durch Biegen, Druck, Zug und Zugdruck umformen und gestalten. So entstehen Flaschen, Golf-Tees, Schreibstifte, Behälter für Kosmetika.
Kunststoffe aus PHA finden als biologisch abbaubare Elastomere und Thermoplaste Verwendung, so zum Beispiel als Einweg-Verpackungsmaterial, insbesondere für Lebensmittel. Strohhalme daraus sind resistent gegen heiße Flüssigkeiten, ohne den Geschmack der Getränke zu verändern.[43]
In der Landwirtschaft können PHAs z. B. als Folien bzw. als Mulchfolien die zum Stoppen der Unkrautkeimung dienen, und in Aquakulturen als Biofilmträger zur Denitrifikation eingesetzt werden.[44]
Im Gartenbau werden PHA für Pflanzblumentöpfe eingesetzt oder kompostierbare Sammeltüten für organischen Abfall sind aus PHA.[45]
Ein weiteres mit PHA verbundenes Interesse ist seine Biokompatibilität mit lebenden Gewebe.
Es findet in der Medizintechnik Anwendung bei Implantate als Fixierungsmaterial und bei orthopädischen Prothesen z. B. als Nieten, Heftklammern, Schrauben (einschließlich Interferenzschrauben), orthopädische Stifte, Stents, Gefäßklappen, Schlingen, Knochenplatten und Knochenbeschichtungssysteme zur Knochenverstärkung, als Knochentransplantatersatz.
PHA werden in medizinischen Bereichen eingesetzt, z. B. als vom Körper resorbierbare Materialien wie Nahtmaterialien; Chirurgische Netze, zur Regeneration von geführtem Gewebe z. B. Nervenführungen, Regeneration von Gelenkknorpel, Sehnen, Meniskus; als Band- und Sehnenimplantate, Augenzellimplantate; Adhäsionsbarrieren; als Wundauflage und Hämostate, Herz-Kreislauf-Pflaster, Perikardpflaster; als Hautersatz.
PHA als Verdickungs- und Bindemittel in technischen Schmierstoffen.[48]
In der Abwasserbehandlung können elektrogesponnene Nanofaserfolien aus Poly(3-hydroxybutyrat) [P(3HB)] und Poly(3-hydroxybutyrat-co-3-hydroxyhexanoat) [P(3HB-co-3HHx)] Phenol und der Verbindungen adsorbieren und abtrennen.[49]
Abbaubarkeit und Ökologie
PHA zerfallen je nach Kettenlänge, Compound, Blend oder deren Verbundwerkstoff beim biologischen Abbau in der industriellen Kompostierung und in Biogasanlagen ebenso wie auf dem heimischen Komposthaufen, in Erde und im Meer vergleichsweise schnell und zu 100 %.[45]
Der biologische Zersetzungsprozess kann sowohl an der Luft als auch im Wasser stattfinden. So bauen sich Implantate wie Schrauben, die nach Knochenbrüchen eingesetzt werden, oder chirurgisches Nahtmaterial ohne weiteren Eingriff ab. Aber auch in PHA eingearbeitete Medikamente und Wirkstoffe sind zur zeitlich gezielten Freisetzung im menschlichen Körper einsetzbar.[11][47]
In DE102015214766 wird der Einsatz von PHA als biologisch kompostierbare Kaffeekapseln beschrieben.
Ihr Einsatz wird in bioabbaubaren Lösungsmitteln und als elektrisch leitendes Polymer beschrieben.[17]
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