Die Steinmonumente, die als Piktische Symbolsteine (englischPictish oder Sculptured Stones) bezeichnet werden, entstanden im östlichen und nördlichen Schottland zwischen dem Ende der römischen Herrschaft (ab 300 n. Chr.) und der Bildung eines gemeinsamen Königreichs zusammen mit den irischen Skoten ab 840. Zu der Funktion der Steine und der Bedeutung der eingravierten bzw. in Relieftechnik ausgemeißelten Symbole gibt es bis heute eine lebhafte wissenschaftliche Diskussion. Derzeit sind etwa 350 Steine bekannt, es werden aber immer wieder neue entdeckt, so 2011 auf der Black Isle[1] und 2019 bei Conon Bridge.[2]
In Irland wurden verzierte Menhire bereits in der Eisenzeit aufgestellt, aus Schottland sind solche Verzierungen von dekorativ aufgestellten Steinen hingegen unbekannt. Frühe Petrogplyphen an Steinen in natürlicher Fundlage zeigen zumeist schalenförmige Vertiefungen, konzentrische Ringe und Linien[3]. Erst aus der Zeit der römischen Besatzung wurde bildhauerisch bearbeiteter Stein im öffentlichen Raum (Antoninuswall) gefunden. Die dadurch initiierten heimischen Stile helfen, die Territorien der Völker im frühmittelalterlichen Schottland abzugrenzen: Pikten, Skoten, Briten und Angeln.
Klassifikation
In „The Early Christian Monuments of Scotland“ (1903) klassifizierten J. Romilly Allen und Joseph Anderson die Steine in drei Klassen. Kritiker haben Schwächen in dem System festgestellt, aber es wird weithin verwendet.
Class 1: Unbearbeitete Steine mit charakteristischen eingeschnittenen Symbolen. Es gibt keine christliche Symbolik, d. h. die Verzierungen stammen vermutlich aus der Zeit vor bzw. während der Christianisierung, die in Schottland um 550 begann. (Clach a’ Mheirlich, High Keillor, Inchyra Stone[4] und Sandness - Shetland[5]).
Class 2: Steine mit mehr oder weniger rechteckiger Form mit einem großen Kreuz und Symbolen auf einer oder beiden Seiten. Die Symbole, sowie die christlichen Motive, sind als Relief erstellt und das Kreuz mit seiner Umgebung ist mit ornamentalen Mustern gefüllt. Diese Steine stammen vermutlich aus dem 8. und 9. Jahrhundert.
Class 3: Diese Steine tragen keine piktischen Symbole mehr, wurden also wahrscheinlich nach Abschluss der Christianisierung bzw. nach dem Ende einer eigenständigen piktischen Identität bearbeitet. Es können Kreuzplatten, Grabsteine oder freistehende Kreuze sein.
Symbolik
Der Satz piktischer Symbole umfasst etwa drei Dutzend Designs. Ein kleiner Teil davon sind erkennbare Objekte und Kreaturen, aber die meisten sind abstrakte geometrische Motive, deren Bedeutung rätselhaft bleibt.
Abstrahierte Piktische Designs
Hufeisen
Spiegel
Rechtecke (Notched Rectangle) und Z-Stäbe
V-Stab und Halbmond
Z-Stab und Doppelscheibe
Als bedeutsam gelten in erster Linie die den Klassen 1 und 2 zuzuordnenden Steine mit nicht-christlichen Symbolen. Sie werden in der Regel der endemischen piktischen Bevölkerung zugeschrieben. Die Steine sind im agrarisch gut nutzbaren küstennahmen Bereich zu finden, nicht jedoch direkt an der Küste.[6] Fundorte sind einerseits Kirchhöfe und andererseits Agrarflächen an Siedlungsgrenzen[7]. Diese Verteilung könnte auf eine Nutzung als Grabsteine bzw. als Weihesteine an vorchristlichen Kultstätten hindeuten.
Die Steine zeigen, neben wenigen naturalistischen Darstellungen (Schlacht bei Dunnichen Mere), vor allem symbolische Motive, darunter als Kernsymbole meist paarig auftretende abstrakte Bildsymbole bzw. Tierdarstellungen. Die häufigsten Symbole werden heute als Halbmond und V-Stab sowie als Doppel-Scheibe und Z-Stab (Alyth church) bezeichneten. Über die Deutung der Symbole wurden viele Theorien aufgestellt. Sie umfassen Aussagen über politische Ehebündnisse, Aufzeichnungen über territoriale Grenzen und Denkmäler für Würdenträger. Gegen eine Interpretation als Clanzeichen spricht der Umstand, dass die häufigsten Symbole im gesamten Verbreitungsgebiet auftreten und dort immer auch andere Symbole zu finden sind. Sprachwissenschaftliche Untersuchungen neigen dazu, die piktischen Symbole als Worte bzw. Namen zu deuten[8]. Da es jedoch keine längeren Symbolfolgen (Texte) gibt, kann der Sinn kaum erschlossen werden.
Touristisch zugängliche Symbolsteine finden sich in Aberlemno, (Angus) und Strathmiglo (Fife) und in den Museen von Dunrobin, Forfar, Dundee, Inverness und St. Vigeans (Angus).
Piktische Symbole wurden auch auf den Wänden einiger Höhlen von East Wemyss in Fife gefunden. Stiere wurden in die Mauern von Burghead Fort dem großen piktischen Burgwall in Moray eingefügt. Die Bedeutung dieses Gebietes mit seinen Häfen und dem reichen Hinterland wird durch eine Anzahl von Symbolsteinen reflektiert. In der Nähe liegt Covesea, die Höhle des Bildhauers, benannt nach den Petroglyphen auf den Wänden, wovon einige Pikten-Symbole sind. Die um den Höhleneingang platzierten Symbole schließen das dreifache-Oval den Halbmond und V-Stab ein. Ausgrabungen haben gezeigt, dass diese große Höhle wenigstens zwei Phasen von Aktivität erlebte, eine frühe im ersten Jahrtausend v. Chr. und eine in der frühen Piktenzeit. Der nördlichste Symbolstein ist der Wolfsmensch von Mail, gefunden bei Cunningsburgh auf Shetland. Auf den Orkney finden sich 11 Steine. Lediglich neun stehen in der Westhälfte Schottlands. An der Straße stehende Steine sind z. B. Clach Ard auf der Isle of Skye und der Maiden Stone bei Pitcaple.
Verbreitung
Die erhaltenen Steine befinden sich, mit wenigen Ausnahmen, zwischen dem Firth of Forth im Süden und den Orkneys im Norden entlang der Ostküste. Elisabeth A. Alcock (1988)[9] teilt das Fundgebiet in sieben Zonen mit insgesamt 165 Steinen auf, wobei der Schwerpunkt in Aberdeenshire liegt (62 Steine).
Datierung
Kunsthistorisch wurde festgestellt, dass die ersten Symbol-Gravuren ins 6. und 7. Jahrhundert zu datierten sind (Brandsbutt, Crichie, Inverurie, Kintore Kirkyard, Picardy Stone und Tullich). Dies wird durch eine Radiokarbon-Datierung auf die Mitte des 6. Jahrhunderts gestützt. Im häuslichen Kontext wurde bei Pool auf der InselSanday, Orkney, ein sehr roher Symbolstein gefunden. Die Symbole wurden zuvor vielleicht auf organische Materialien wie Holz und Leder aufgebracht oder auch tätowiert, wobei das Spekulation ist. Bisher wurde keine Spur von Farbe auf den Steinen gefunden. Vermutlich wurde aber Farbe benutzt, um die Symbolbilder zu betonen.
Im späten 8. und 9. Jahrhundert erscheinen im Piktengebiet Steine mit christlichen Motiven neben den Symbolen (Maiden Stone, Migvie Stone). Sie zeigen, dass die Pikten Zugang zu christlicher Ikonographie gefunden hatten. Die biblische Geschichte von David war ein Favorit der Darstellungen. Auf dem steinernen Schrein von St. Andrew ist sie beeindruckend gestaltet. Motive wie Daniel in der Löwengrube oder Paulus und Antonius, die Brot in der Wüste brechen, kommen ebenso vor.
Literatur
John Stuart: Sculptured Stones of Scotland. Aberdeen 1856.
Robert B. K. Stevenson: Pictish art. In: Frederick Threlfall Wainwright (Hrsg.): The Problem of the Picts. Melven Press, Perth 1980. ISBN 0-906664-07-1
Robert B. K. Stevenson: Christian sculpture in Norse Shetland. In: Froðskaparrit. Tórshavn 28.1981,9. ISSN0085-0896
Charles Thomas: Sculptured stones and crosses from St Ninian’s Isle and Papil. In: Alan Small u. a. (Hrsg.): St Ninian’s Isle and its Treasure. Oxford 1973. ISBN 0-19-714101-3
Iain Fraser: The Pictish Symbol Stones of Scotland. Mit Zeichnungen von John Borland, erweiterte 4. Ausgabe, RCAHMS 2008, ISBN 978-1-902419-53-4.
Gordon Noble, Martin Goldberg, Derek Hamilton: The development of the Pictish symbol system: inscribing identity beyond the edges of Empire Cambridge University Press 2018
Einzelnachweise
↑Pictish beast intrigues Highland archaeologists. In: BBC News. 14. September 2011 (bbc.com [abgerufen am 22. Januar 2023]).
↑Rob Lee, Philip Jonathan, Pauline Ziman: Pictish Symbol Stones: religious imagery, heraldic arms or a language? In: Significance. Band7, Nr.4, Dezember 2010, S.159–163, doi:10.1111/j.1740-9713.2010.00451.x (wiley.com [abgerufen am 27. Juni 2022]).