Philipp Spitta war ein Sohn des Theologen und Dichters Philipp Spitta und der Johanna Maria Hotzen; sein jüngerer Bruder war der Theologe Friedrich Spitta. Nachdem Philipp Spitta anfangs von Hauslehrern unterrichtet worden war, bezog er 1856 das Lyceum in Hannover. Zwei Jahre später wechselte er an das Gymnasium in Celle, wo er im Frühjahr 1860 das Abitur ablegte. Am 20. April 1860 immatrikulierte er sich, dem Wunsch seiner Eltern entsprechend, als studiosus theologiae an der Georg-August-Universität Göttingen. Er besuchte aber vom ersten Semester an ausschließlich Vorlesungen der Philosophischen Fakultät. Mit Beginn des Sommersemesters 1861 wechselte er formell zur Klassischen Philologie.
Bald nach seiner Ankunft in Göttingen begann Spitta private Beziehungen zu knüpfen, besonders solche, die ihm Zugang zum Göttinger Musikleben eröffneten. Eine der frühesten Bekanntschaften war die mit Julius Otto Grimm, über den er auch die Bekanntschaft zu Hermann Sauppe und dem Göttinger Gynäkologen Eduard von Siebold machte, dessen Tochter Agathe von Siebold in näherer Bekanntschaft zu Johannes Brahms stand. Durch sein Engagement und seinen Sachverstand in musikalischen Fragen erlangte Spitta in der Folgezeit in Göttingen eine gewisse Anerkennung. Er wurde im September 1861 Mitglied und Dirigent des „Studenten-Gesangvereins der Georgia-Augusta“ (heute „Studentische Musikvereinigung Blaue Sänger Göttingen“ im SV) und trat mit diesem in der folgenden Zeit mehrfach erfolgreich auf. Das Amt des Dirigenten gab er zum Jahresende 1863 auf, um sich für sein Examen im Jahre 1864 vorzubereiten. Er blieb dem Verein aber als Alter Herr bis zu seinem Tode verbunden. Sein Studium schloss er am 23. Juli 1864 in Göttingen mit einer Dissertation über den Satzbau bei Tacitus (De Taciti in componendis enuntiatis ratione. Pars prior.) ab.[1]
Im August 1864 siedelte Spitta nach Reval (Estland) über, um den Dienst als Oberlehrer für Griechisch und Latein an der dortigen Ritter- und Domschule anzutreten. Von dort wiederholte er in einem Brief an Sauppe den schon früher geäußerten Wunsch, in Göttingen noch das hannoversche Oberlehrer-Staatsexamen abzulegen, um – wie er schrieb – „für alle Fälle einen gesicherten Boden zu gewinnen“,[2] was Anfang Januar 1865 geschah. 1865 heiratete er in Göttingen Mathilde Grupen (1841–1928). Sie bekamen die beiden Kinder Marie Elisabeth (1866–1896) und Oscar (1870–1950; später Medizin-Professor in Berlin).
Aus Reval ließ er sich 1867 als Oberlehrer an das Gymnasium von Sondershausen versetzen.
Bereits in Reval hatte er mit ausgiebigen Forschungen zum Leben und Wirken von Johann Sebastian Bach begonnen, deren Ergebnisse er 1873 im ersten Band seiner Bach-Biographie darlegte. Diese erhob „den bisher Unbekannten mit einem Schlage zu den höchsten Ehren der Wissenschaft“ (Julius Rodenberg)[3] und führte im April 1874 zu Spittas Berufung als Oberlehrer an die Leipziger Nikolaischule. Gemeinsam mit Heinrich von Herzogenberg, Franz von Holstein und Alfred Volkland gründete er dort den Leipziger Bachverein.[4]
Am 6. April 1875 übernahm Spitta die Stelle des zweiten ständigen Secretärs der Königlichen Akademie der Künste in Berlin. Am 14. April 1875 erfolgte die nebenamtliche Ernennung zum Universitätsprofessor und zum Lehrer für Musik an der Königlich akademischen Hochschule für Musik, deren stellvertretender Direktor er am 1. Oktober 1882 wurde. Ab 15. Juni 1882 gehörte er dem Direktorium als „Vorsteher der gesammten Verwaltung der Königl. Hochschule“ an.[5] Gleichzeitig folgte er einem Ruf der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität auf eine außerordentliche Professur für Musikwissenschaft.
Johann Sebastian Bach. 2 Bände. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1873–1880; 2., unveränderte Auflage ebenda 1916; 3., unveränderte Auflage ebenda 1921 (Band 1: archive.org – Band 2: archive.org).
Englische Übersetzung von Clara Bell, John Alexander Fuller Maitland: Johann Sebastian Bach. His Work and Influence on the Music of Germany, 1685–1750. 3 Bde. Novello, London 1884/85 (Band 1: archive.org – Band 2: archive.org – Band 3: archive.org; weitere Auflagen).
Ueber Johann Sebastian Bach. Leipzig 1879; archive.org.
Ein Lebensbild Robert Schumann’s. In: Paul Graf Waldersee (Hrsg.): Sammlung Musikalischer Vorträge. Vierte Reihe, Nr. 37/38. Breitkopf und Härtel, Leipzig 1882, S. 1–103; Textarchiv – Internet Archive.
Musikalische Werke Friedrichs des Großen. Breitkopf und Härtel, Leipzig 1889.
Zur Musik. Sechzehn Aufsätze. Paetel, Berlin 1892; archive.org.
Musikgeschichtliche Aufsätze. Paetel, Berlin 1894; archive.org.
Wilhelm Rothert: Allgemeine Hannoversche Biografie, Band 2: Im Alten Königreich Hannover 1814–1866. Sponholtz, Hannover 1914, S. 467–480 (Biographie des Vaters).
Ulrike Schilling: Philipp Spitta. Leben und Wirken im Spiegel seiner Briefwechsel. Mit einem Inventar des Nachlasses und einer Bibliographie der gedruckten Werke. Bärenreiter, Kassel 1994, ISBN 3-7618-1181-0; zugleich Dissertation, Universität Tübingen, 1993. urn:nbn:de:bsz:21-dspace-952064
Bernd Wiechert: Philipp Spittas Studienjahre in Göttingen 1860 bis 1864. In: Göttinger Jahrbuch, 1991, Band 39, S. 169–181.
Wolfgang Sandberger: Das Bach-Bild Philipp Spittas – ein Beitrag zur Geschichte der Bach-Rezeption im 19. Jahrhundert. Stuttgart 1997.
Bibliothek der Universität der Künste Berlin, Bibliothek der Universität Łódź (Hrsg.): Katalog der Sammlung Spitta – Katalog zbiorów Spitty. Bearbeitet von Peter Sühring unter Mitarbeit von Krystina Bielska. Berlin 2005, ISBN 3-89462-125-7 (= Schriften aus dem Archiv der Universität der Künste Berlin, Inventare, Band 3).
↑Zu diesem Verein siehe: Peter Schmitz: Johannes Brahms und der Leipziger Musikverlag Breitkopf & Härtel. V & R Unipress, Göttingen 2009, ISBN 978-3-89971-728-0, S. 30, Anm. 18 (= Abhandlungen zur Musikgeschichte, Band 20); books.google.de