Peter Weibel war das Kind einer Russlanddeutschen und eines Wehrmachtsoffiziers. Er verbrachte seine Kindheit und Schulzeit im oberösterreichischen Ried im Innkreis. Nach der Schule studierte er zunächst für ein Jahr in Paris Französisch, Film und Komparatistik, begann 1964 in Wien zunächst ein Studium der Medizin und wechselte dann zur Mathematik mit dem Schwerpunkt Logik. Weibel gab nicht an, ein Universitätsstudium abgeschlossen zu haben.
Ausgehend von semiotischen und linguistischen Überlegungen (John Langshaw Austin, Roman Ossipowitsch Jakobson, Charles S. Peirce, Ludwig Wittgenstein u. a.) entwickelte Weibel eine künstlerische Sprache, die ihn ab 1965 von der experimentellen Literatur zur Performance führte. In seinen performativen Aktionen untersuchte er nicht nur die „Medien“ Sprache und Körper, sondern auch Film, Video, Tonband und interaktive elektronische Umgebungen. Kritisch analysierte er ihre Funktion für die Konstruktion von Wirklichkeit. Neben Aktionen mit Vertretern des Wiener Aktionismus arbeitete er ab 1967 (zusammen mit Valie Export, Ernst Schmidt jr. und Hans Scheugl) an einem „erweiterten Kino“. Es wurde durch das amerikanische Expanded Cinema inspiriert und reflektierte die ideologischen und technischen Bedingungen der filmischen Darstellung. Peter Weibel entwickelte diese Überlegungen ab 1969 konsequent in seinen Videobändern sowie -installationen weiter. Mit seinen Fernsehaktionen, den teleaktionen, die das Österreichische Fernsehen (ORF) 1972 im Rahmen der Sendung Impulse ausstrahlte, überschritt er die Grenzen des Galerieraumes und untersuchte die Videotechnik in ihrer Anwendung im MassenmediumFernsehen.
Am 7. Juni 1968 nahm Weibel an der Aktion „Kunst und Revolution“ in einem Hörsaal der Universität Wien teil, wo er mit einem brennenden Handschuh einen Vortrag (Schimpftirade) gegen die damalige Regierung hielt. Der Vortrag trug den Titel Was tun?, in Anlehnung an die berühmte Lenin-Schrift Was tun?. Die Aktion war einer der Höhepunkte der Studentenbewegung 1968 in Österreich.
Peter Weibel setzte seine künstlerischen Themen in unterschiedlichsten Materialien, Formen und Techniken um: in Texten, Skulpturen, Installationen, Filmen und Videos. 1978 wandte er sich auch der Musik zu. Er gründete zusammen mit Loys Egg die Band „Hotel Morphila Orchester“. Mitte der 1980er Jahre erforschte er die Möglichkeiten der computergestützten Bearbeitung von Video. Anfang der 1990er Jahre realisierte er erste interaktive computerbasierte Installationen, mit denen er das Verhältnis von Medien und Wirklichkeitskonstruktion thematisierte.
Er starb vier Tage vor seinem 79. Geburtstag.[4] Er wurde auf dem Wiener Zentralfriedhof bestattet (Gruppe 33G, Nummer 21).[5]
Forschung und Lehre
Peter Weibel lehrte ab 1976 an mehreren Hochschulen, unter anderem an der Universität für angewandte Kunst Wien, dem College of Art and Design in Halifax, Kanada und der Gesamthochschule Kassel. 1984 wurde er für fünf Jahre als Associate Professor for Video and Digital Arts an das Center for Media Study der State University of New York in Buffalo, N. Y. berufen. 1984 erhielt er die Professur für visuelle Mediengestaltung (Vismed) an der Universität für Angewandte Kunst in Wien. 1989 wurde er mit dem Aufbau des Instituts für Neue Medien an der Städelschule in Frankfurt am Main beauftragt, das er bis 1994 als Direktor leitete. Seit 2009 war er Gastprofessor an der University of New South Wales, Sydney, Australien. Seit 2017 war er Direktor des Peter Weibel – Forschungsinstituts für digitale Kulturen[6] an der Universität für angewandte Kunst Wien.
Kuratorische Tätigkeit
Seit 1986 war Peter Weibel künstlerischer Berater der Ars Electronica, von 1992 bis 1995 auch ihr künstlerischer Leiter. Von 1993 bis 1999 kuratierte er den Pavillon des Staates Österreich auf der Biennale von Venedig. Zwischen 1992 und 2011 war er Chefkurator der Neuen Galerie Graz.[7][A 1] 2008 kuratierte er die Internationale Biennale von Sevilla. 2011 war er Kurator für die 4. Moskauer Biennale. Von 2015 bis 2017 war er Kurator von lichtsicht, der Projektions-Biennale in Bad Rothenfelde.
Kontroverse um angebliche Dissertation
Für mediales Aufsehen sorgten Plagiatsgerüchte um Weibels angebliches Doktorat.[8] In seinem Lebenslauf gab Weibel über Jahre hinweg an, eine Dissertation verfasst zu haben, allerdings ohne klarzustellen, dass es nie zu einem Rigorosum kam, er also den Doktorgrad nicht erlangt hatte. Weibel spielte in seinen Angaben somit mit der Unterscheidung Dissertation/Doktorat, was der Medienwissenschaftler Stefan Weber ironisch als Weibelsches Dissertations-Doktorats-Paradoxon bezeichnete.[9] Mit der Unterscheidung zwischen der angeblich verfassten Dissertation und dem – von ihm niemals behaupteten – Doktorat umging Weibel den Vorwurf der Erschleichung eines akademischen Grades.
2009: IMAGINING MEDIA@ZKM. Mit Bernhard Serexhe. Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe
2011: Francesco Lo Savio – Tano Festa. The Lack of the Other. Mit Freddy Paul Grunert. Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe
2011: Moderne: Selbstmord der Kunst? Im Spiegel der Sammlung der Neuen Galerie Graz. Mit Christa Steinle und Gudrun Danzer. Neue Galerie Graz
2011: Bruseum. Ein Museum für Günter Brus. Mit Anke Orgel. Neue Galerie Graz
2011: Hans Hollein. Mit Günther Holler-Schuster. Neue Galerie Graz
2011: The Global Contemporary Kunstwelten nach 1989. Mit Andrea Buddensieg. Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe
2014: Lynn Hershman Leeson. Civic Radar. Mit Andreas Beitin. Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe[13]
2015: Lichtsicht, Projektions-Biennale, Bad Rothenfelde[14]
2015: Lynn Hershman Leeson. Civic Radar. Mit Andreas Beitin. Deichtorhallen Hamburg in der Sammlung Falckenberg, Hamburg[15]
2015: Die Stadt ist der Star – Kunst an der Baustelle. Vom K-Punkt am Staatstheater bis zum Marktplatz. Mit Andreas Beitin. Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe[16]
2015: Schlosslichtspiele. Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe[17]
2015: Ryoji Ikeda. micro | macro. Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe[18]
2015: HA Schult: Action Blue. Mit Bernhard Serexhe. Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe[19]
2015: Transsolar + Tetsuo Kondo. Cloudscapes. Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe[20]
2015: Bodenlos – Vilém Flusser und die Künste. Mit Baruch Gottlieb, Siegfried Zielinski. Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe[21]
2015: Infosphäre. Mit Daria Mille, Giulia Bini. Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe[22]
2015: Exo-Evolution. Mit Sabiha Keyif, Philipp Ziegler, Giulia Bini. Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe[23]
2016: Bodenlos – Vilém Flusser und die Künste. Mit Baruch Gottlieb, Siegfried Zielinski, Akademie der Künste, Berlin
2016: Liquid Identities – Lynn Hershman Leeson. Identitäten im 21. Jahrhundert. Mit Andreas Beitin. Lehmbruck Museum, Duisburg[24]
2016: Bodenlos – Vilém Flusser und die Künste. Mit Baruch Gottlieb, Siegfried Zielinski. West, Den Haag
2016: Digitale Wasserspiele. Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe[25]
2016: Schlosslichtspiele. Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe[26]
2016: William Kentridge: More Sweetly Play the Dance. Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe[27]
2016: Kunst in Europa 1945–1968. Der Kontinent, den die EU nicht kennt. Mit Eckhart J. Gillen, Daria Mille, Daniel Bulatov. Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe[28]
2016: Beat Generation. Mit Jean-Jacques Lebel, Philippe-Alain Michaud. Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe[29]
2017: Kunst in Europa 1945–1968. Die Zukunft im Blick. Art in Europe 1945–1968. Staatliches Museum für Bildende Künste A. S. Puschkin, Moskau[30]
2017: Bodenlos – Vilém Flusser und die Künste. Mit Baruch Gottlieb, Pavel Vančát, Siegfried Zielinski. GAMU (Galerie AMU), Prag[31]
2017: Markus Lüpertz. Kunst, die im Wege steht. Mit Walter Smerling. Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe
2017: Schlosslichtspiele. Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe[32]
2018: DIA-LOGOS. Ramon Llull und die Kunst des Kombinierens. Mit Amador Vega, Siegfried Zielinski, Bettina Korintenberg. Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe[33]
2018: Kunst in Bewegung. 100 Meisterwerke mit und durch Medien. Ein operationaler Kanon. Mit Siegfried Zielinski, Judith Bihr, Daria Mille. Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe
2018: Schlosslichtspiele, Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe
2019: Open Codes. Leben in digitalen Welten. Mit Blanca Giménez. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Berlin
2019: Negativer Raum. Skulptur und Installation im 20./21. Jahrhundert. Mit Anett Holzheid, Daria Mille. Zentrum für Kunst und Medien, Karlsruhe
2019: Writing the History of the Future. Mit Margit Rosen, Zentrum für Kunst und Medien, Karlsruhe
2019: Schlosslichtspiele, Zentrum für Kunst und Medien, Karlsruhe
2019: Seasons of Media Arts. Stadt der partizipativen Visionen. Mit Lívia Nolasco-Rózsás, Blanca Giménez, Olga Timurgalieva. Zentrum für Kunst und Medien, Karlsruhe
2020: Critical Zones. Horizonte einer neuen Erdpolitik. Mit Bruno Latour, Zentrum für Kunst und Medien, Karlsruhe
Lebenssehnsucht und Sucht. Merve Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-88396-174-4.
Herausgeberschaft
zusammen mit Valie Export: Bildkompendium Wiener Aktionismus und Film. Kohlkunstverlag, Frankfurt am Main 1970.
Kritik der Kunst. Kunst der Kritik: es says & I say. Jugend und Volk, Wien, München 1973.[43]
Arbeiten in den Medien Sprache, Schrift, Papier, Stein, Foto, Ton, Film und Video aus zwanzig Jahren. Reihe Protokolle. Jg. 1982, Bd. 2, Jugend und Volk, Wien, München 1982, ISBN 3-224-16617-7.
mit Edith Decker: Vom Verschwinden der Ferne. Telekommunikation und Kunst. DuMont Verlag, Köln 1990.
zusammen Holger Jost: Claus Bremer: Mitspiel. Die Aktivierung des Publikums: Vom dynamischen Theater zur Theaterstadt. Dramaturgische Texte 1948-1971. zkm book im Alexander Verlag, Berlin 2014, ISBN 978-3-89581-336-8.
Katalog: Peter Weibel. Malerei zwischen Anarchie und Forschung. Neue Galerie; Graz 1992.
Katalog: Robert Fleck (Hrsg.): Peter Weibel. Zur Rechtfertigung der hypothetischen Natur der Kunst und der Nicht-Identität in der Objektwelt. Grunnert, Köln 1992, ISBN 3-88375-166-9.
Romana Schuler (Hrsg.): Peter Weibel. Bildwelten 1982–1996. Werkverzeichnis mit Ausstellungs- und Schriften von P. Weibel. Triton, Wien 1996, ISBN 3-901310-21-5.[A 2]
Katalog: Peter Weibel: Globale Gier. Kärntner Landesgalerie, Klagenfurt 1999.
Katalog: Marcus Huemer, Wilhelm Meusburger (Hrsg.): B-Picture. Revolver, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-937577-75-0.
Ecke Bonk, Peter Gente, Margit Rosen (Hrsg.): 05-03-44: Liebesgrüsse aus Odessa: für Peter Weibel. Merve, Berlin 2004, ISBN 3-88396-199-X.
Alfred Kolleritsch, Christa Steinle (Hrsg.): Peter Weibel: X-Dream. Droschl, Graz u. a. 2004, ISBN 3-85420-671-2.
↑Aufstellung aller durch den Bundespräsidenten verliehenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ab 1952 in 10542/AB XXIV. GP – Anfragebeantwortung vom 23. April 2012. S. 1292 (PDF; 6,9 MB)