Am 7. September 2000 wurde er zum neunten Abtprimas und damit zum obersten Repräsentanten der Benediktiner gewählt.[1] Am 25. September 2008 bestätigte ihn der Äbtekongress der benediktinischen Konföderation für weitere vier Jahre in seinem Amt als Abtprimas.[5] Am 21. September 2012 bestätigte der Äbtekongress ihn erneut für vier Jahre; er war damit der zweitälteste amtierende Abtprimas.[6] Als Abtprimas war er weltweiter Sprecher des ältesten Ordens der Christenheit mit 7.500 Mönchen und 16.500 Ordensfrauen. Während seiner Amtszeit als Abtprimas vom 7. September 2000 bis zum 10. September 2016 war er zugleich Großkanzler der Päpstlichen Hochschule Sant’Anselmo in Rom.
Nach seiner Emeritierung 2016 kehrte er in sein Kloster, die Erzabtei Sankt Ottilien, zurück. Notker Wolf starb am 2. April 2024 im Alter von 83 Jahren an den Folgen eines Herzinfarktes im Flughafenhotel von Frankfurt am Main auf der Rückreise aus Italien nach St. Ottilien; vorher hatte er eine Pilgerreise auf den Spuren des heiligen Benedikt in Italien begleitet, war aber wegen Unwohlseins vorzeitig abgereist.[7][8][9] Das von Erzabt Wolfgang Öxler zelebrierte Pontifikalrequiem für Notker Wolf und seine Beerdigung fanden unter anderem in Anwesenheit des Abtprimas Gregory Polan, zahlreicher Äbte und Ordensleute sowie Mitgliedern des Adelshauses Wittelsbach am 6. April 2024 in St. Ottilien statt.[10][11]
Wirken
Notker Wolf trat in der Öffentlichkeit mit entschiedenen politischen Meinungen auf. Im Sommer 2007 erschien er in einer Anzeige der Lobbyorganisation Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Er plädierte für mehr Eigenverantwortung des Einzelnen sowie für Kürzungen beim Arbeitslosengeld II, falls eine zumutbare Arbeit nicht angenommen wird. Andererseits trat er auch unverantwortlichem Management und Profitmaximierung entgegen.[12][13][14][15]
Notker Wolf war in Deutschland auch dafür bekannt, dass er als hoher Amtsträger der katholischen Kirche von seiner Liebe zur Rockmusik nicht gelassen hatte und gelegentlich zusammen mit der Band Feedback auf Konzerten auftrat, bei denen er E-Gitarre und vor allem Querflöte spielte. Die Band orientierte sich musikalisch an den Rolling Stones und spielte neben Eigenkompositionen auch Coverversionen, unter anderem von Deep Purple, Led Zeppelin und Jethro Tull. Am 3. August 2008 stand der Abtprimas mit seiner Band als Vorgruppe von Deep Purple auf dem Meierhof im Kloster Benediktbeuern auf der Bühne und spielte mit Deep Purple Smoke on the Water.[16]
In der Frage der Begnadigung terroristischer Mörder erinnerte Abt Notker an die eigentliche Bedeutung des Wortes Gnade. Gnade bedeutete für ihn „die Gewährung einer Sache, die ich nicht verdient habe. Deshalb ist sie nicht an Bedingungen geknüpft. Gnade ist vom Ursprungsgedanken her ein Akt des Souveräns – das war früher beim König oder beim Kaiser so, auch in der Kirche gibt es viele solche Gnadenerweise. Das heißt, ich habe keinen Anspruch darauf. Ich kann aber eine Gnade sogar dann erteilen, wenn ein anderer nicht mal um Verzeihung bittet, was im Fall dieser Mörder offenbar vorliegt. Aber Gnade ist, wie Gott auf den Menschen unverdienter Maßen zugegangen ist. Das bedeutet eigentlich Gnade.“[17]
Wolf verdiente mit Büchern über Spiritualität und Lebensführung sowie mit Seminaren für Unternehmern viel Geld, das der Klostergemeinschaft zugutekam.[18]
Weitere Ämter
Wolf war Aufsichtsratsmitglied und Vorsitzender der internationalen benediktinischen Gremien L’Alliance Inter Monastères und Dialogue Interreligieux Monastique sowie der China-Kommission des Ordens. Er gehörte der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste an und war Erster Vorsitzender des Katholischen Instituts für missionstheologische Grundlagenforschung in München. Außerdem saß er im Unternehmerbeirat der Gothaer, bei der alle deutschen Benediktiner lebensversichert sind.
Diskografie
Notker Wolf und Feedback: Rock My Soul. Rock-Audio-CD. point music, April 2003.
Notker Wolf und Feedback: No Lies. Rock-Audio-CD. Transformer (Membran), April 2012.
Notker Wolf und Inka Stampfl: Weiherserenade. Französische Kammermusik aus drei Jahrhunderten. Audio-CD. EOS-Verlag, St. Ottilien 2008, ISBN 978-3-8306-4040-0.
mit Johanna Domek: Freisein für Gott. Einübung in die Geistliche Lesung (= Bonifatius Kontur. 2803). Hrsg. von Johanna Domek. Bonifatius-Druckerei, Paderborn 2004, ISBN 3-89710-280-3.
Worauf warten wir? Ketzerische Gedanken zu Deutschland. Mit Leo G. Linder. Rowohlt-Taschenbuch-Verlag, Reinbek bei Hamburg 2006, ISBN 3-499-62094-4.
mit Enrica Rosanna: Die Kunst, Menschen zu führen. Mit Leo G. Linder. Rowohlt, Reinbek 2007, ISBN 978-3-499-62256-4.
Die Botschaft Benedikts. Die Weisheit seiner Äbte und Äbtissinnen. Vier Türme, Münsterschwarzach 2008, ISBN 978-3-89680-350-4.
Aus heiterem Himmel. Einfälle und Eingebungen für das Leben hier unten (= rororo. 62325; rororo-Sachbuch). Rowohlt-Taschenbuch-Verlag, Reinbek bei Hamburg 2008, ISBN 978-3-499-62325-7.
mit Corinna Mühlstedt: Im Schatten des großen Drachen. Begegnungen mit Chinas Christen. Kreuz-Verlag, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-7831-3164-2.
mit Matthias Drobinski: Regeln zum Leben. Die Zehn Gebote – Provokation und Orientierung für heute (= Herder-Spektrum. 3017). Herder, Freiburg im Breisgau 2008, ISBN 978-3-451-03017-8.
Wie mit neuen Augen. Weg-Begleiter für Pilger. Mit Audio-CD. Butzon & Bercker, Kevelaer 2008, ISBN 978-3-7666-0968-7.
Gott segne Sie! Neue Einfälle für das Leben hier unten. Rowohlt, 02/2009, ISBN 978-3-499-62460-5.
Das kleine Buch der wahren Freiheit. Herder, Freiburg im Breisgau 09/2011, ISBN 978-3-451-31070-6.
Erfüllte Zeit: Ermutigungen für das Leben. St. Benno Verlag, 12/2011, ISBN 978-3-7462-3064-1.
mit Alfons Kifmann: JETZT ist die Zeit für den Wandel. Nachhaltig leben, für eine gute Zukunft. Herder, Freiburg im Breisgau 4/2012, ISBN 978-3-451-32454-3.
Seien Sie unbesorgt! Vorschläge für ein erfülltes Leben. Knaur TB, 08/2012, ISBN 978-3-426-78526-3.
Soziale Gerechtigkeit: „Wir hocken in einem Käfig der Bequemlichkeit“. Gespräch mit Notker Wolf, dem obersten Abt des Benediktiner-Ordens. In: Stern. Nr. 26/2006, 22. Juni 2006, S. 112–119.
Vera Krause: Abtprimas Notker Wolf. Grenzgänger zwischen Himmel und Erde. – Die Biografie. Verlag Vier Türme, Münsterschwarzach 2010, ISBN 978-3-89680-471-6.
Petra Altmann: Die 101 wichtigsten Fragen – Orden und Klosterleben. Mit Antworten von Abtprimas Notker Wolf (= Beck’sche Reihe. Band 7031). Beck, München 2011, ISBN 978-3-406-61381-4.
Marlis Prinzing: Notker Wolf. „Die Gnade des Gehorsams hat mir die Welt geöffnet“. In: Meine Wut rettet mich. Kösel, München 2012, ISBN 978-3-466-37036-8.
Paolo Rumiz: Der unendliche Faden. Reise zu den Benediktinern, den Erbauern Europas. Aus dem Ital. von Karin Fleischanderl. Folio Verlag, Wien/Bozen 2020, ISBN 978-3-85256-805-8, S. 45–56.
„Zum Christentum gehört Gastfreundschaft“. Notker Wolf im Gespräch mit Andreas Main. Deutschlandfunk, 19. Juli 2018; abgerufen am 20. Juli 2018 (Verschriftung und mp3; 20,3 MB; 22:12 Min. (Memento vom 21. Juli 2018 im Internet Archive)): „Der Benediktiner Notker Wolf warnt die Deutschen davor, sich abschotten zu wollen. ‚Populisten vereinfachen in brutaler Weise‘, sagte der ehemalige Abtprimas der Benediktinischen Konföderation im Dlf. ‚Die wollen alle Grenzen dicht machen. Dann kriege ich keine Luft mehr.‘“
Einzelnachweise
↑ abcNotker Wolf OS. IX Abbot Primate. In: osb.org.Collegio Sant’Anselmo, Roma, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 30. April 2015; abgerufen am 20. Juli 2018 (englisch, Daten der Abtprimasse).
↑Ein Erneuerer auf vielen Gebieten. Zum Tod von Erzabt em. und Abtprimas em. Dr. Notker (Werner) Wolf OSB. In: Münsterschwarzacher ruf in die zeit. Ausgabe Mai 2024, S. 20.
↑Im Gespräch mit Bb Dr. Notker Wolf OSB. In: Rhaeten-Herold. Nr. 628/629, S. 21.
↑Notker Wolf als Abtprimas wiedergewählt. In: erzabtei.de. Erzabtei St. Ottilien, 21. September 2012, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 3. Februar 2014; abgerufen am 20. Juli 2018.
↑Peter-Philipp Schmitt: Notker Wolf war Mönch und Lebemann: Er verdiente Millionen und blieb bescheiden. In: FAZ.NET. 4. April 2024, ISSN0174-4909 (faz.net [abgerufen am 6. April 2024]).