Natalja Jewgenjewna Gorbanewskaja absolvierte ein Studium an der Leningrader Universität in der Fachrichtung „technischer Redakteur und Übersetzer“. Danach war sie in Moskau als Bibliothekarin und Übersetzerin tätig und gründete die geheime Samisdat-Zeitschrift Chronik der laufenden Ereignisse (russisch Хроника текущих событий).
Am 25. August 1968 nahm sie auf dem Roten Platz am Lobnoje mjesto an der Protestkundgebung gegen die Unterdrückung des Prager Frühlings teil.
„Die ganze Nation ohne mich ist nicht das ganze Volk“ schrieb sie bezugnehmend auf die Behauptung des Regimes, die Intervention sei „vom Volk genehmigt“.[2]
Am 24. Dezember 1969 wurde sie festgenommen und mit der Diagnose „träge anwachsende Schizophrenie“ in das Serbski-Wissenschaftszentrum für Sozial- und Gerichtspsychiatrie eingeliefert. Bis 22. Februar 1972 wurde sie dort zwangsweise behandelt. Noch vor ihrer zwangsweisen Behandlung beschrieb Gorbanewskaja den Missbrauch der Psychiatrie zur Verfolgung der Dissidenten im Artikel Kostenlose medizinische Hilfe (russisch Бесплатная медицинская помощь), der 1971 im Selbstverlag (Samisdat) erschien. Die amerikanische Sängerin Joan Baez widmete ihr 1973 das Lied Natalia mit dem Text von Shusha Guppy.
Am 17. Dezember 1975 kam Gorbanewskaja nach Paris. Sie war in der Redaktion der russischsprachigen Zeitschrift Kontinent und der Zeitung Russkaja Mys’l beschäftigt. Seit 1999 war sie Mitglied des Kollegiums der Warschauer Zeitschrift Neues Polen (russ. Новая Польша). 2005 wurde ihr das polnische Staatsbürgerrecht zuerkannt.
In August 2013 nahm Gorbanewskaja an einer Demonstration in Moskau teil, welche den 45. Jahrestag der Invasion der Tschechoslowakei erinnerte. Die Demonstration wurde ebenso rasch aufgelöst wie jene in der Sowjetunion, fast alle Teilnehmer, nicht aber Gorbanewskaja, wurden von der Polizei abgeführt. Nach internationalen Protesten, vor allem aus der ehemaligen Tschechoslowakei, wurden sie frei gelassen.[3]
Christian Schüller, Die Frau, die gegen den Strom schwamm, Picus, Wien 2023, ISBN 978-3-7117-2141-9
Lexikon der russischen Literatur ab 1917. Kröner, Stuttgart 1976 (2. Aufl. unter dem Titel Lexikon der russischen Literatur des 20. Jahrhunderts. Sagner, München 1992, ISBN 3-87690-459-5; Ergänzungsband: Bibliographische und biographische Ergänzungen. Sagner, München 2000, ISBN 3-87690-761-6).