Myriametersteine sind Vermessungsmarken. Ein Myriameter (von altgriechischμυριάςmyrias „zehntausend“ – vgl. Myriade) entspricht 10.000 Metern, also 10 Kilometern. Die Bezeichnung geht auf den im Jahre 1795 in Frankreich geprägten Ausdruck Myriamètre zurück, der speziell für Wegsteine vorgesehen war.[1][2]
Diese historischen Kilometersteine sind alle zehntausend Meter rechts und links des Rheins zwischen Basel und Rotterdam angebracht.
Geschichte
Die Central-Commission für die Rhein-Schiffahrt ordnete am 25. Mai 1864 in Amsterdam – nach der Begradigung des Oberrheins durch Gottfried Tulla – erstmals eine Gesamtvermessung des Rheinstroms an, die ihren Anfang an der Mittleren Brücke zu Basel (heutiger Rhein-km 166,6) nehmen und an der Rheinmündung enden sollte. Mitglieder waren die Rheinanliegerstaaten Baden, Bayern, Frankreich, Hessen, Nassau, Niederlande und Preußen.
1867 wurde von der Central-Commission beschlossen, zur Kennzeichnung der Vermessungsergebnisse Vermarkungssteine, sogenannte Myriametersteine, zu setzen.[3] Die Steine wurden aus Ibbenbürener Sandstein[4] in den ungefähren Maßen 120 × 50 × 50 cm hergestellt und endeten in einer flachen, vierseitigen Pyramide. Alle vier Seiten waren beschriftet. Die Rheinseite trägt die Nummer des Steins in römischen Ziffern. Darunter beschreibt die Angabe AP die Höhe des Steins über dem Amsterdams Peil (Amsterdamer Pegel, entspricht NN), was wichtig für die Berechnung des Flussgefälles ist. Landseitig wurden die Entfernungen von Basel und bis Rotterdam angegeben. Weiterhin sind berg- bzw. talseitig teilweise die Entfernungen zu den nächsten Landesgrenzen vermerkt. Ursprünglich waren alle zehn Kilometer beidseits des Rheins schwarz-weiß angestrichene Steine gesetzt. Sie wurden ab 1883 durch Landeskilometrierungen ersetzt. Übergangsweise waren sie bis 1890 gültig. Heute werden sie z. T. noch als Festpunkte der Landesvermessung genutzt.
Beschriftung
Als Beispiel für eine typische Beschriftung dient hier der 23. Stein in Altlußheim auf der rechten Rheinseite bei km 396,57.
Foto
Beschriftung
Erläuterung
Wasserseite
XXIII. –––– 96,604 M + AP
Stein Nr. 23 –––– 96,604 m über Amsterdamer Pegel
Landseite
23,0000 M. von Basel. –––– 59,4450 M. bis Rotterdam.
23,0000 Myriameter (230,000 km) von der mittleren Rheinbrücke in Basel (bei km 166,6) –––– 59,4450 Myriameter (594,450 km) bis (zum Hafen von) Rotterdam
Talseite
4,0072 M. bis zur LandesGrenze.
4,0072 Myriameter (40,072 km) bis zur ehemaligen Grenze zwischen dem Großherzogtum Baden und dem Großherzogtum Hessen (bei km 436,6)
Bergseite
22,6520 M. von der LandesGrenze.
22,6520 Myriameter (226,520 km) von der ehemaligen Grenze zwischen dem Großherzogtum Baden und der Schweiz (bei km 170)
Erhaltene Steine
Viele Myriametersteine wurden mittlerweile, etwa bei Bauarbeiten, entfernt. Manche wurden von den örtlichen Heimatvereinen restauriert und an einer markanten Stelle wieder aufgestellt. Heute sind noch über 70 Myriametersteine zwischen Basel und der Landesgrenze zu den Niederlanden erhalten. Bei einigen handelt es sich jedoch um Nachbildungen. Im Regierungsbezirk Düsseldorf, in den Landkreisen Mainz-Bingen[5] und Rhein-Hunsrück des Bundeslandes Rheinland-Pfalz sowie der Stadt Koblenz wurden sie in die Denkmallisten aufgenommen.
Direkt auf dem Autobahnparkplatz „Fischergrund“; wurde erst im Oktober 2012 wieder aufgestellt, nachdem er in den 1950er-Jahren beim Bau der Autobahn entfernt worden war[6][7]
Genau am Ende eines sogenannten „kurzen Kilometers“, wo bei km 436,66 (badisch-hessische Landesgrenze) die eigentliche Kilometrierung als km 437 fortgesetzt wird
Linksrheinisch bei km 529,52 (ehemalige hessisch-preußische Landesgrenze) wird die Kilometrierung als km 530 fortgesetzt (kurzer Kilometer). Durch die Fehlstrecke von 475 m steht der nächste Stein nicht bei km 537,0, sondern bei km 537,475.
Der Stein stand ursprünglich bei km 537,475 zwischen der B 42 und der Bahnlinie. Er wurde im Zuge von Bauarbeiten entfernt, zwischengelagert und ist 2023 ohne seinen Sockel an einem Parkplatz an der B 42 unterhalb des Bahndamms wieder aufgestellt worden. Er trägt keine erkennbaren Inschriften.
Nicht am Uferweg, sondern in der nächsten, parallel dazu verlaufenden Straße „Rheinufer“ gegenüber dem Spielplatz der Gaststätte Rheinpavillon. Wurde vom Kreis der Heimatfreunde Niederdollendorf gereinigt und am 29. November 2012 neu vermessen.[9] Die Inschriften lauten: Wasserseite XLVIII / (unleserlich) M(eter) / __ / über A.(msterdam) P.(egel), Bergseite 117,180 KM / von der / Landes Grenze, Talseite 209,000 KM / bis zur / Landes Grenze, Landseite 480,000 KM / von Basel / __ / 344,450 KM / bis Rotterdam50° 41′ 31,3″ N, 7° 10′ 34,3″ O50.69202717.1762078 ,50° 41′ 29,9″ N, 7° 10′ 41,1″ O50.69163877.1780715
Direkt am Uferweg. Auf dem Stein rudimentär erkennbare Inschriften sind verwitterungsbedingt unleserlich, außer auf der Landseite. Etwa 40 m nördlich des einmündenden Weges Gottbergstraße.
Auf dem Kemper Werth, nicht am Rheinufer, sondern 150 m entfernt am nächsten, parallel dazu verlaufenden Weg auf 50° 45′ 39,5″ N, 7° 5′ 49,3″ O50.760972227.09702778. Das Siegufer ist 40 m entfernt. Es gibt keine Inschriften.
Versetzt; direkt an der Walter-Esser-Brücke (eigentlich ein Einlassbauwerk zum Hochwasserschutz, drüber führt ein Weg für Fußgänger und Radfahrer) 50° 49′ 41,8″ N, 6° 59′ 21,2″ O50.82827656.9892261
Sockel fehlt, also offenbar versetzt; dafür spricht auch die Entfernung zum Ufer.
Nicht am Rheinufer, sondern am übernächsten, parallel dazu verlaufenden (betonierten) Weg. Gedreht; römische Ziffer weist weg vom Rhein und zum Wald hin (Juni 2021).
Das Foto rechts und alle Bilder in Wikimedia Commons sind veraltet und stellen nicht den oben genannten Stand von Juni 2021 dar. Sie zeigen den Stein um 90° verdreht. Seit (mindestens) Februar 2018 steht der Stein um 180° verdreht, also immer noch falsch.
Als Ersatz des ursprünglichen Steins mit quadratischer Grundfläche und flacher Pyramide, eine zylindrische Stele, die im Zuge der Entstehung der Golzheimer Siedlung (ehem. Schlageter-Siedlung) 1938 errichtet wurde. Zu lesen sind die Entfernungen nach Basel (579,979 km) und Rotterdam (242,4*7 km), der Bezug zum Amsterdamer Pegel fehlt, außerdem gibt es keine Nummerierung.
Man findet die Stele in der Verlängerung der Paul-von-Hase-Straße in Richtung Ufer.
Der obere Quader, auf dem sich die Beschriftung befand, ist nur noch als Stumpf erhalten. Der Stumpf ist aktuell sehr eingewachsen (Stand: 22.09.2021), dadurch viel leichter zu übersehen, als auf dem Bild. Er ist aber in direkter Nähe zu dem 500-Meter-Schild [+] zu finden. 51° 21′ 53,6″ N, 6° 41′ 21,7″ O51.3649026.6893614
Nicht am Rheinufer, sondern an einem Weg zwischen Rheinufer und Königstraße, wenige Meter vor dem Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt (WSA Duisburg); stand ursprünglich bei km 777,48 51° 27′ 10,7″ N, 6° 43′ 0″ O51.45297556.7166724
Versetzt; auf der Rheinpromenade; der Reeser Myriameterstein ist durch seine weitgehenden Veränderungen nicht vom LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland als Baudenkmal inventarisiert und somit von der Stadt Rees nicht in die Denkmalliste eingetragen worden. Auskunft Fr. Pieper (Denkmalschutzbeauftragte der Stadt Rees) vom 5. Oktober 2011.
Des Weiteren sind noch Myriametersteine an Straßen erhalten geblieben, wie bei Tochheim und am Ortsausgang Steutz im Landkreis Anhalt-Bitterfeld. Ein Myriameterstein befindet sich im Garten des Kreismuseum in Bitterfeld, Kirchplatz 3.[12] In Pontebba befindet sich ein Myriameterstein an der ehemaligen Grenze zwischen Italien und Österreich.
Bruno P. Kremer: Myriametersteine. (Fast) vergessene Kleindenkmäler am Rhein. In: Rheinische Heimatpflege. 48. Jahrgang, Nr. 3, 2011, ISSN0342-1805, S. 205–212
Friedrich Schmitt: Rheinvermessung und Myriametersteine. In: Die Brücke. Nr. 63, 1986, ZDB-ID 537491-1, S. 9–16
Rheinvermessung und Myriametersteine. In: BDB-Landesnachrichten Rheinland-Pfalz, Saarland. Band 3. 1993, ZDB-ID 1334017-7, S. 81–84
↑Wilhelm Schneider, Regierungsvermessungsrat, Eltville: Die Längenmessung im Talweg des Rheines (Kilometrierung). In: Wasser- und Schiffahrtsdirektion Duisburg (Hrsg.): Der Rhein: Ausbau, Verkehr, Verwaltung. Rhein Verlagsgesellschaft, Duisburg 1951, S. 303–308.
↑Ulrike Weber (Bearb.): Stadt Koblenz. Stadtteile (= Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz Direktion Denkmalpflege [Hrsg.]: Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz. Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Band3.3). Wernersche Verlagsgesellschaft, Worms 2013, ISBN 978-3-88462-345-9, S.329.
↑Holger Drosdeck: Schmalspurbahn Wilkau-Haßlau–Carlsfeld – Der Bildband; Foto & Verlag Jacobi, Fraureuth 2004, ISBN 3-937228-10-1; S. 56
↑Denkmalverzeichnis Sachsen-Anhalt, Landkreis Bitterfeld, Band 13, erarbeitet von Sabine Oszmer, Michael Imhof Verlag, Petersberg, ISBN 3-937251-53-7, Seite 45
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