Bill lernte 1929 die in Mulhouse geborene Schauspielerin und VarietékünstlerinMaria Benz kennen. Sie wohnte für kurze Zeit bei ihm an der Stadelhoferstrasse 27 in Zürich.[2] Bill gab ihr den Namen «Nusch», auch arbeitete sie für ihn als Assistentin.[3] Die Fremdenpolizei wollte Nusch ausweisen, und die darauf geplante Heirat mit Nusch scheiterte am Widerstand seines Vaters Erwin.[4] Darauf heiratete Max 1931 die Cellistin und FotografinBinia Spoerri (* 1904[5]), die 1988 verstarb. Aus dieser seiner ersten Ehe ging als einziges Kind Jakob Bill (* 1942) hervor. Dessen Sohn David, (1976–2018)[6] war ebenfalls als Künstler tätig.[7]
Ab 1929 war Bill sowohl praktisch als auch theoretisch als Architekt, seit 1932 auch als Bildhauer, Grafiker und Maler tätig. Von 1932 bis 1937 war er Mitglied der Künstlerbewegung Abstraction-Création in Paris, 1935 lernte er deren Initianten, den Künstler Georges Vantongerloo, persönlich kennen.[8] 1936 definierte er in einem Ausstellungskatalog des Kunsthauses Zürich seine Vorstellung von «Konkreter Kunst» und wurde zu einem ihrer wichtigsten Vertreter in der Zürcher Schule der Konkreten – einer von der Kunstgewerbeschule Zürich ausgehenden Kunstströmung der Malerei – sowie der davon inspirierten, 1937 gegründeten Vereinigung moderner Schweizer Künstler – Allianz. Seit 1936 war er auch als Publizist aktiv und gründete 1941 den Allianz-Verlag. 1938 wurde er Mitglied des Congrès International d’Architecture Moderne.
1991 heiratete Bill seine langjährige Lebenspartnerin, die KunsthistorikerinAngela Thomas, die mit ihm seit 1974 verschiedene Ausstellungen kuratiert hatte.[9]
Bill brach am 9. Dezember 1994 vor seiner Rückreise nach Zürich auf dem Flughafen Berlin-Tegel infolge eines Herzanfalls zusammen und verstarb auf dem Transport in ein Krankenhaus. Nachdem die Stadt es abgelehnt hatte, die Urne gemäss Bills Wunsch in der von ihm entworfenen Pavillon-Skulptur in Zürich beizusetzen, liess seine Witwe die Urne exhumieren und verstreute die Asche an der Skulptur.[9]
Nachlass
Da Bill seinen Nachlass nicht geregelt hatte, kam es zu einer paritätischen Erbteilung zwischen seinem Sohn und seiner Witwe. In der Folge gründeten beide Erben unabhängig voneinander je eine Stiftung.[10]
Bills Sohn Jakob gründete 1996 die Schweizer max, binia + jakob bill stiftung. Deren Zweck ist die Sammlung und Pflege von Werken der Familie Bill, die Förderung der wissenschaftlichen Forschung sowie die Verbreitung und Veröffentlichung für Interessierte.
1997 gründete Angela Thomas die max bill georges vantongerloo stiftung mit Sitz in dem von Max Bill 1967/1968 erbauten Wohn- und Atelierhaus in Zumikon. Die Stiftung bezweckt, repräsentative Teile des Werkes der beiden miteinander befreundeten Künstler Vantongerloo und Bill sowie das Haus Bill Zumikon der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.[11][12]
Zusätzlich zu seiner Lehrtätigkeit verfasste er zahlreiche Bücher, hielt Vorträge über Kunst, Architektur, Design und trat auf Tagungen rund um den Globus auf. Zu seinen Büchern zählen insbesondere solche über Le Corbusier, Wassily Kandinsky, Ludwig Mies van der Rohe und Theorie der Kunst.
Politisches Leben
In seinen jungen Jahren war Bill – wie auch sein Kollege Richard Paul Lohse – ein engagierter Antifaschist, protestierte gegen Kalten Krieg, atomare Aufrüstung, Vietnamkrieg und setzte sich bereits in den 1950er Jahren für Belange des Umweltschutzes ein. Er sympathisierte mit der FreiwirtschaftslehreSilvio Gesells. Bekanntgeworden war er mit ihr über seinen Architektenkollegen Hans Bernoulli. Dieser hatte gemeinsam mit Gesell und anderen den schweizerischen Freiwirtschaftsbund ins Leben gerufen.[13] In der von Hans Timm herausgegebenen freiwirtschaftlich-anarchistischen Zeitschrift letzte politik[14] findet sich auch eine Anzeige, mit der Max Bill seine Dienste anbietet.[15] Ihr Text lautete:
«dessau: max bill, formgestalter bauhaus, dessau. entwürfe für architektur, reklame, grafik, innenausbau (metall, malerei, holz, textil) nur ganz modern»[16]
Er wurde ein halbes Jahrhundert vom schweizerischen Staatsschutz observiert, beginnend im Oktober 1936, nachdem er den in Nazideutschland verfolgten Journalisten Alfred Thomas bei sich versteckt hatte. Thomas wurde im Mai 1936 des Landes verwiesen; sein weiteres Schicksal ist nicht bekannt. Für die Unterbringung wurde Bill mit einer Geldstrafe belegt, da er den Flüchtling nicht bei der Einwohnermeldebehörde gemeldet hatte. Weitere prominente politische Flüchtlinge aus dem faschistischen Italien und Deutschland kamen nach ihrer Flucht in die Schweiz zuerst bei ihm unter.[17]
Eine andere bekannte Designarbeit sind die betont schlichten Zifferblätter für JunghansArmband-, Küchen- und Wanduhren, die als Re-Edition wieder erhältlich sind.
Skulpturen
Unendliche Schleife. Gips auf Stahlgerüst mit oberflächlichem Alu-Spritzverfahren, 1935–1937, am Zürichsee, 1948 zerstört
Rhythmus im Raum. Granit, an der Kennedy-Brücke der HamburgerAußenalster, 1947–1948
Familie von fünf halben Kugeln. Weißer Kunststein, Mathematisches Institut der Universität Karlsruhe, 1965–1966
Strahlung aus Durchdringung. Museo cantonale d’arte di Lugano, 1966–1969
max bill retrospektive, Akademie der Künste, West-Berlin, 1976
max bill retrospektive, Schirn Kunsthalle, Frankfurt am Main, 1987 (mit Katalog)
max bill, Wilhelm-Hack-Museum, Ludwigshafen am Rhein, 1990 (mit Katalog)
Max Bill, Pinacoteca comunale Locarno, 1991 (mit Katalog)
max bill, Edward Totah Gallery, London, 1991
max bill, Fondation Saner Studen, 1993 (mit Katalog)
max bill, die grafischen reihen, Landratsamt Esslingen bei Stuttgart, 1995 (mit Katalog)
Max Bill. Eine Retrospektive, Kunstmuseum Stuttgart, 10. September 2005 – 8. Januar 2006[21] (mit Katalog)
max bill, Palazzo reale, Milano, 2006 (mit Katalog, Übernahme der Ausstellung im Kunstmuseum Stuttgart)
Max Bill: ohne Anfang, ohne Ende. Museum Marta Herford, 2008 (mit Katalog)
max bill 100, Pinacoteca communale Locarno
max bill. five decades, Annely Juda Fine Art, London, 2011 (mit Katalog)
max bill global, Zentrum Paul Klee Bern, 16. September 2021 – 9. Januar 2022 (mit Katalog)
Publikationen
Max Bill: Funktion und Funktionalismus. Schriften 1945–1988. Benteli, Bern 2008, ISBN 978-3-7165-1522-8.
Literatur
Max Bill, Retrospektive. Skulpturen Gemälde Graphik 1928–1987. (Texte Christoph Vitali, Eduard Hüttinger, Max Bill.) Katalog Schirn Kunsthalle, Frankfurt/Zürich/Stuttgart 1987, ISBN 3-922608-79-5.
Museum Marta Herford (Hg.): Max Bill: ohne Anfang, ohne Ende. Scheidegger & Spiess, 2008, ISBN 978-3-85881-214-8.
Thomas Buchsteiner, Otto Lotze:max bill, maler, bildhauer, architekt, designer. Ostfildern-Ruit 2005, ISBN 3-7757-1641-6.
Luciano Caramel, Angela Thomas: Max Bill. Pinacoteca Communale Casa Rusca, Locarno / Fidia Edizione d’Arte, Lugano 1991, ISBN 88-7269-011-0.
Jürgen Claus: Das Energiefeld der Farbe: Max Bill. In: ders.: Kunst heute. Rowohlt Verlag, 1965.
Bernd Grönwald: Max Bill in Weimar. In: Bildende Kunst, 8. Berlin 1987, S. 349–351.
Gerd Fischer: Der Koloss von Frankfurt: Die „Kontinuität“ von Max Bill. In: Mitteilungen der Deutschen Mathematiker-Vereinigung, Heft 4/1999, S. 22–23.
Sören Fischer: Streifzüge durch eine Welt der Ungegenständlichkeit. László Moholy-Nagy, Theo van Doesburg, Max Bill. In: Sören Fischer, Dieter Scheid (Hrsg.): Konkret Kunst. Ausst.-Kat. Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern. Kaiserslautern 2023, ISBN 978-3-89422-234-5, S. 8–25.
Eduard Hüttinger: Max Bill. Edition Cantz, Stuttgart 1987 (erweiterte Ausgabe) ISBN 3-922608-79-5.
Gregor Nickel, Michael Rottmann: Mathematische Kunst: Max Bill in Stuttgart. In: Mitteilungen der Deutschen Mathematiker-Vereinigung, Band 14, Heft 3/2006, S. 150–159.
Arturo Carlo Quintavalle: Max Bill. Università Commune Provincia di Parma, Quaderni 38, 1977.
Frank Raberg: Biografisches Lexikon für Ulm und Neu-Ulm 1802–2009. Süddeutsche Verlagsgesellschaft im Jan Thorbecke Verlag, Ostfildern 2010, ISBN 978-3-7995-8040-3, S.43.
Thomas Reinke, Gordon Shrigley: Max Bill: HfG Ulm: Drawing and Redrawing: Atelierwohnungen, Studentenwohnturm. marmalade, 2006, ISBN 978-0-9546597-1-4.
Thorsten Scheer: Die Infragestellung des Werkcharakters in der Architektur. Über ein Bauwerk von Max Bill in weitergehender Absicht. In: InSitu. Zeitschrift für Architekturgeschichte, Worms 01/2010.
Emil Schwarz: Im Wissen der Zeit oder Der Sinn, den die Schönheit erzeugt, Hommage à Max Bill. Ein dichterischer Nachvollzug mit dem Essay Wirklichkeit oder Realität. NAP Verlag, Zürich 2010, ISBN 978-3-9523615-4-2.
René Spitz: hfg ulm. der blick hinter den vordergrund. die politische geschichte der hochschule für gestaltung ulm 1953–1968. Stuttgart/London 2002, ISBN 3-932565-16-9. (Zur Geschichte der HfG Ulm von der Gründung 1953 bis zur Schließung 1968.)
Angela Thomas: Max Bill und seine Zeit. 2 Bände.
Band 1: Mit subversivem Glanz (1908–1939). Scheidegger & Spiess, Zürich 2008, ISBN 978-3-85881-227-8.
Band 2: Von konstruktiver Klarheit (1940–1952). Hauser & Wirth Publishers, Zürich 2023, ISBN 978-3-906915-68-5.
Udo Weilacher: Kontinuität (Max Bill). In: Udo Weilacher: Visionäre Gärten. Die modernen Landschaften von Ernst Cramer. Basel/Berlin/Boston 2001, ISBN 3-7643-6568-4.
Roberto Fabbri: Max Bill in Italia. Lo spazio logico dell’architettura. Bruno Mondadori Editore, Mailand 2011, ISBN 978-88-6159-606-1.
Roberto Fabbri: Max Bill. Espaces. Infolio Éditions, Gollion/Paris 2017, ISBN 978-2-88474-463-8.
Daniel P. Meister, Dagmar Meister-Klaiber: einfach komplex – max bill und die architektur der hfg Ulm. Scheidegger & Spiess, Zürich 2018, ISBN 978-3-85881-613-9.
Jakob Bill u. a.: Max Bill. arquitecto. architect. In: 2G. Revista internacional de arquitectura. International Architecture Review, Nr. 29/30, 2004 (spanisch und englisch). G. Gili, Barcelona 2004, ISBN 978-84-252-1956-6.
Knute Stiles: Max Bill: Elective Infinities. In: Art in America, Mai/Juni 1975, S. 68–71.
Film
max bill – das absolute augenmass. Kinofilm von Erich Schmid, 93 min., 35mm + DVD, Ariadnefilm, Zumikon 2008.[22]
↑vgl. Angela Thomas: Biografie zu Georges Vantongerloo, in: Für eine neue Welt: Georges Vantongerloo und seine Kreise von Mondrian bis Bill. (Ausstellungskatalog). Zürich: Scheidegger & Spiess, 2009, S. 255–274, hier S. 262.