Zur Mitgliedschaft in der WTO gehört die Akzeptanz der verschiedenen Abkommen, die im Marrakesch-Abkommen verbunden sind und die Befolgung der dort niedergeschriebenen Pflichten. Dazu gehört beispielsweise der Abbau von Handelshemmnissen oder die Unterordnung unter das Verfahren zur Streitbeilegung in der WTO.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde versucht, eine internationale Handelsordnung zu etablieren. Eine der Hauptsäulen sollte die Gründung einer Internationalen Handelsorganisation sein. Die Gründung scheiterte jedoch insbesondere am Widerstand des US-Kongress.[1] Infolgedessen kam es nur zum Abschluss des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT) 1947. Dieses multilaterale Handelsabkommen regelte den internationalen Handel über mehrere Jahrzehnte, bis immer mehr Reformwünsche aufkamen. In den 1990er Jahren kam es im Rahmen der Uruguay-Runde dann zu der Gründung der Welthandelsorganisation und zum Abschluss zahlreicher neuer Abkommen, mit denen die Mitglieder gemeinsam die Welthandelsordnung ausgestalteten.[2]
Mitgliedschaft
Die Mitgliedschaft in der Welthandelsorganisation steht nicht nur Staaten offen. Mitglied können auch jene Sonderwirtschaftszonen (separate customs territories) werden, die Autonomie in Bezug auf ihre Wirtschaftsbeziehungen genießen. Stand 2024 sind drei solche Sonderwirtschaftszonen Mitglieder der WTO: Hongkong, Macau und Chinese Taipei.[3]
Eine Besonderheit bei den Mitgliedern ist die Europäische Union (EU). Gemäß Artikel XI:1 des Marrakesch-Abkommens sind die Europäischen Gemeinschaften Gründungsmitglied der Welthandelsorganisation. Die Europäische Union trat als Rechtsnachfolgerin ab dem 1. Dezember 2009 an die Stelle der Europäischen Gemeinschaften. Neben der Europäischen Union sind aber auch alle ihre Mitgliedsstaaten eigenständige Mitglieder der Welthandelsorganisation. Die Rechte und Pflichten des WTO-Rechts, wie der Abbau von Zöllen oder die Unterordnung unter die Streitbeilegungsregeln, gelten also sowohl für die EU als auch für ihre Mitgliedsstaaten. In der Praxis handelt und spricht die Europäische Kommission für alle Mitgliedsstaaten in Treffen einzelner Gremien oder von Verhandlungen.[4]
Zusammensetzung der Mitglieder
Etwa zwei Drittel der Mitglieder der WTO bezeichnen sich selbst als Entwicklungsländer. Dabei gilt, dass die Bezeichnung als Entwicklungsland fast ausschließlich auf einer Selbsteinschätzung beruht. Einige der Abkommen des Welthandelsrechts knüpfen an die Eigenschaft „Entwicklungsland“ gewisse Vorzüge. Daher kam es im Laufe der Jahre zu einigen Protesten von anderen Staaten, wenn sich ein spezifischer Staat auf die Eigenschaft als Entwicklungsland berufen hatte. Im Beitrittsabkommen der Volksrepublik China wurde vereinbart, dass China sich auf gewisse Paragraphen, die Entwicklungsländern einen Vorteil gewähren, nicht berufen dürfe.[3] Zu der Gruppe der Entwicklungsländer gehören unterschiedlichste Gruppen an Ländern, so eher einkommensstarke Staaten (upper-middle-income countries) wie Brasilien, China oder Südafrika, eher einkommensschwache Staaten (lower-middle-income countries) wie Kambodscha, Ghana, Indien oder Vietnam und einkommensschwache Staaten (low-income countries) wie Afghanistan, Haiti und Mali.[5]
In der Gruppe der einkommensschwachen Staaten sind mit Stand 2024 37 Mitglieder,[6] die von den Vereinten Nationen als am wenigsten entwickelte Länder (least-developed-countries, LDC) bezeichnet werden. Diese Mitglieder machen 1/5 der Gesamtzahl der Mitglieder aus. An die Einstufung als am wenigsten entwickeltes Land knüpfen verschiedene WTO-Abkommen weitere besondere Behandlungen und Ausnahmen von gewissen Pflichten zum Abbau von Handelshemmnissen. Unter diesen Staaten ist das bevölkerungsreichste Land Bangladesch. Viele der am wenigsten entwickelten Länder liegen auf dem afrikanischen Kontinent, darunter Angola und Niger, und einige weitere auf dem asiatischen Kontinent, wie Laos und Myanmar.[5]
Rechte und Pflichten
Das WTO-Abkommen regelt in Artikel XVI:4, dass die einzelnen Mitglieder die in ihren Gebieten geltenden Gesetze und andere Regelungen sowie ihr Verwaltungshandeln an die WTO-Abkommen anpassen müssen. Das gilt für alle Pflichten in den Abkommen.[7] Beispiele für Pflichten in den Abkommen sind das Verbot des Erlass bestimmter Subventionen im SCM-Übereinkommen, das Prinzip der Inländerbehandlung oder das Verbot von mengenmäßigen Beschränkungen nach dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen.
In der Präambel des Marrakesch-Abkommens ist jedoch niedergeschrieben, dass Entwicklungsländer gefördert werden sollen. Die verschiedenen Abkommen kennen daher unterschiedliche Regelungen für diese Mitglieder, was man als „Special and differential treatment“ bezeichnet. Unter den Vorschriften sind längere Umsetzungsfristen für Verpflichtungen oder Verpflichtungen für Industrieländer die Interessen von Entwicklungsländern stärker zu schützen und ihnen technische Unterstützung zukommen zu lassen.[8]
Ist ein Mitglied seiner Ansicht nach nicht in der Lage einer bestimmten Pflicht nachzukommen, kann er einen Waiver beantragen, wodurch er von der Pflicht befreit wird. Der Antrag wird auf der Ministerkonferenz oder einem Treffen des Allgemeinen Rats diskutiert und entschieden, darf aber nur in absoluten Ausnahmen gewährt werden. Im Jahr 2019 beispielsweise wurden sechs solche Ausnahmen gewährt und 19 waren insgesamt in Kraft. Jede dieser Ausnahmen muss, sofern sie für einen längeren Zeitraum gewährt wurde, jährlich neu überprüft werden.[7] Daneben besteht die Möglichkeit, bei Beitritt eines Mitglieds zu verlautbaren, dass die Regeln der einzelnen Handelsabkommen des Welthandelsrecht zwischen dem beitretenden und einem anderen Mitglied in Bezug auf deren Handelsbeziehungen nicht gelten sollen. Jedem Mitglied, so auch dem beitretenden Mitglied, steht diese Möglichkeit durch Benachrichtigung des Allgemeinen Rats zu. Seit 1995 wurde diese Möglichkeit jedoch nur zwölf Mal in Anspruch genommen, davon neun Mal von den Vereinigten Staaten. Viele dieser „opt-out“-Möglichkeitem wurden jedoch wieder zurückgenommen. In Kraft sind nur noch zwei solcher Erklärungen, eine von der Türkei gegenüber Armenien vom 29. November 2002 und von den Vereinigten Staaten gegen Tadschikistan vom 7. Dezember 2012.[9]
Erwerb und Ende der Mitgliedschaft
Erwerb der Mitgliedschaft
Das Marrakesch-Abkommen, also das Gründungsabkommen der Welthandelsorganisation, sieht zwei Varianten des Erwerbs der Mitgliedschaft vor. In Artikel XI:1 des Abkommens ist die originale Mitgliedschaft (original membership) niedergeschrieben. Diese Möglichkeit erlaubte es den Vertragsparteien des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen von 1947 und den Mitgliedern der Europäischen Gemeinschaften, der Welthandelsorganisation beizutreten. Dafür mussten die Staaten dem Marrakesch-Abkommen und den in dessen Anhang niedergeschriebenen weiteren Abkommen zustimmen und gewisse Zusagen bezüglich des Abbaus von Handelshemmnissen machen.[10] Diese Möglichkeit des Beitritts war nur im Rahmen der Gründung der Welthandelsorganisation möglich. Von den 166 Mitgliedern sind 123 Mitglieder Gründungsmitglieder.[11]
Die zweite Möglichkeit des Erwerbs der Mitgliedschaft ist der Beitritt, was in Art. XII des Marrakesch-Abkommen geregelt ist. Möchte ein Staat der WTO beitreten, muss er mit den anderen Mitgliedern über den Beitritt verhandeln. Ein Staat muss das Marrakesch-Abkommen und die anderen Abkommen ratifizieren. Im Rahmen der Verhandlungen wird vor allem geprüft, ob die nationale Gesetzgebung mit den Regeln des WTO-Rechts vereinbar ist, und wenn nicht, was verbessert werden müsste sowie und Zugeständnisse ein Staat im Rahmen des Marktzugangs machen muss. Van den Bossche und Zdouc nennen dies auch die Verhandlung um den „Preis des Beitritts“.[10] Tritt ein Staat der WTO bei, profitiert er sofort von jeglichen verhandelten Zugängen zum Markt anderer Mitglieder. Im Gegenzug wird also ein Marktzugang zum neuen Mitglied verhandelt.[12] Der letzte Staat, der der Welthandelsorganisation beitrat, war Osttimor am 30. August 2024.[13]
Ende der Mitgliedschaft
Artikel XV:1 des Marrakesch-Abkommens ermöglicht jedem Mitglied der Organisation, unilateral aus der Organisation auszutreten. Sofern ein Staat dem Generalsekretariat den Austritt mitteilt, endet seine Mitgliedschaft nach sechs weiteren Monaten. Dabei endet die Mitgliedschaft in allen Abkommen. Die Möglichkeit des Austritts wurde noch nicht in Anspruch genommen, obwohl bereits einige Staaten damit drohten. Dazu gehörten die Vereinigten Staaten unter PräsidentDonald Trump und einige karibischeBananen-Produzenten, die mit der Entscheidung EC – Bananas III des Appellate Body nicht einverstanden waren.[14]
Neben dem Austritt kennt das WTO-Recht keine Möglichkeit des Ausschlusses eines Mitglieds oder einer Aussetzung der Mitgliedschaft. Im Rahmen des Vereinbarung zur Beilegung von Streitigkeiten gibt es nur die Möglichkeit, gewisse Zugeständnisse im Bezug zu einem Mitglied, welches seine Pflichten verletzt, auszusetzen. Auch existiert keine Möglichkeit, einen Staat, der bspw. das allgemeine Völkerrecht oder Menschenrechte verletzt, auszuschließen. Ein Vorstoß von Argentinien, Costa Rica, Japan, der USA und der EU aus dem Jahr 2018, Mitglieder, die ihre Berichtspflichten nicht erfüllen, als inaktive Mitglieder zu klassifizieren, stieß auf zahlreiche Kritik.[14]
Zusammenschlüsse von Mitgliedern
Neben der Europäischen Union existieren auf der Welt noch weitere regionale Zusammenschlüsse von Staaten. Diese sind zwar formal keine Mitglieder der WTO, die verschiedenen Mitgliedsstaaten treten aber häufig mit einer Stimme auf. Zu diesen Gruppen gehören beispielsweise ASEAN und die AKP-Staaten. Hingegen bei der wirtschaftlich bedeutenden Mercosur-Gruppe konnte so ein gemeinsames Auftreten kaum festgestellt werden. In der Zeit vor dem Jahr 2003 war insbesondere die Cairns-Gruppe eine bedeutende Allianz. In den auf die Ministerkonferenz 2003 folgenden Jahren bildeten einzelne Mitglieder verschiedene Interessengruppen, wie die G20 um China, Indien, Indonesien, Ägypten, Argentinien und Südafrika. Sie ist nicht zu verwechseln mit dem Bündnis der Industrie- und Schwellenländer G20. Gruppen wie die G90 repräsentierten die ärmsten Mitglieder der Organisation oder gewisse Länder mit spezifischen Wirtschaftszweigen. So repräsentiert die C4-Gruppe vier westafrikanische Baumwollproduzenten.[15] Neben diesen Zusammenschlüssen von WTO-Mitgliedern, die zumeist auf gewisse Interessen gerichtet sind, gibt es auch Gruppen, die eher darauf gerichtet sind, in formaler Runde zu diskutieren. Dies hatte den Zweck festgefahrene Verhandlungen voranzubringen und Kompromisse zwischen widerstreitenden Interessen zu finden. Darunter war die als „Quad“ bekannt gewordene Gruppe in der Uruguay-Runde und den ersten Jahren der WTO, die aus den Europäischen Gemeinschaften, der USA, Japan und Kanada bestand. Diese Gruppe wurde später von den sogenannten G5 ersetzt, einem Zusammenschluss der EU, Brasiliens, Chinas, Indiens und der USA. Dieser Wechsel in der Gruppendynamik zeigt laut Peter Van den Bossche die wachsende Rolle von China, Brasilien und Indien in der Weltwirtschaft.[16]
In der Spalte Gruppenzugehörigkeit sind die Mitgliedschaften in einer Staatenorganisation oder einem Staatenverbund angegeben, die oder der im Kontext der Welthandelsorganisation aufgetreten ist und daher im Abschnitt Zusammenschlüsse von Mitgliedern erscheint. Zudem ist die Zugehörigkeit zur Gruppe der am wenigsten entwickelten Länder (LDC) angegeben.
Neben den 166 Mitgliedern gibt es 23 Völkerrechtssubjekte, die einen Beobachterstatus bei der Welthandelsorganisation besitzen. Mit Ausnahme des Heiligen Stuhl müssen diese nach fünf Jahren Beitrittsverhandlungen aufnehmen.[18] In der Spalte Gruppenzugehörigkeit sind die Mitgliedschaften in einer Staatenorganisation oder einem Staatenverbund angegeben, die oder der im Kontext der Welthandelsorganisation aufgetreten ist und daher im Abschnitt Zusammenschlüsse von Mitgliedern erscheint. Zudem ist die Zugehörigkeit zur Gruppe der am wenigsten entwickelten Länder (LDC) angegeben.
↑ abPeter van den Bossche, Werner Zdouc: The Law and Policy of the World Trade Organization. 5. Auflage. 2022, S.134–135.
↑Peter van den Bossche, Werner Zdouc: The Law and Policy of the World Trade Organization. 5. Auflage. 2022, S.129–130.
↑Peter van den Bossche, Werner Zdouc: The Law and Policy of the World Trade Organization. 5. Auflage. 2022, S.136.
↑ abPeter Van den Bossche, Werner Zdouc: The Law and Policy of the World Trade Organization. 5. Auflage. 2022, S.125.
↑Peter Van den Bossche, Werner Zdouc: The Law and Policy of the World Trade Organization. 5. Auflage. 2022, S.125 (Van Den Bossche und Zdouc schreiben in Fn. 241, dass von den Vertragsstaaten des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen nur Jugoslawien und Syrien nicht auf diese Weise beigetreten sind. Die Liste der Vertragsstaaten des Abkommens auf der Internetseite der WTO listet Syrien aber nicht als Vertragsstaat im Jahr 1994.).
↑Peter Van den Bossche, Werner Zdouc: The Law and Policy of the World Trade Organization. 5. Auflage. 2022, S.126.
↑ abPeter Van den Bossche, Werner Zdouc: The Law and Policy of the World Trade Organization. 5. Auflage. 2022, S.137.
↑Peter Van den Bossche, Werner Zdouc: The Law and Policy of the World Trade Organization. 5. Auflage. 2022, S.123–124.
↑Peter Van den Bossche, Werner Zdouc: The Law and Policy of the World Trade Organization. 5. Auflage. 2022, S.124.
↑Mitgliedschaft unter der Bezeichnung „Separate Customs Territory of Taiwan, Penghu, Kinmen and Matsu (Chinese Taipei)“
↑Peter Van den Bossche, Werner Zdouc: The Law and Policy of the World Trade Organization. 5. Auflage. 2022, S.125 (Bei Van Den Bossche/Zdouc stehen noch 25 Völkerrechtssubjekte. Seit Erscheinen des Buches traten die Komoren und Osttimor bei, weshalb es nun 23 Völkerrechtssubjekte sind.).
↑Als Start der Beitrittsverhandlungen wird hier die Einrichtung einer Arbeitsgruppe zur Verhandlung des Beitritts des Völkerrechtssubjektes genannt.
↑ abcDie Arbeitsgruppe wurde bereits gestartet vor Gründung der Welthandelsorganisation. Zu diesem Zeitpunkt richtete sich das Beitrittsbestreben also noch nur auf das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen.