Landvermesserzeiten ist der deutsche Titel des ersten lettischen Romans Mērnieku Laiki. Die Autoren dieses Romans sind die Brüder Reinis Kaudzīte und Matīss Kaudzīte, nach alter Manier auch Kaudzītes Reinis und Kaudzītes Matīss genannt.
Das Werk erschien 1879 als erster realistischer Roman in lettischer Sprache. Der Inhalt spiegelt die Situation der ländlichen Bevölkerung in Livland nach der Aufhebung der Leibeigenschaft im Rahmen der Großen Reformen durch den russischen Kaiser Alexander II. In den Jahren 1867–1873 wurden im Bereich der Gemeinden Vecpiebalga (deutsch: Alt-Pebalg) und Jaunpiebalga (deutsch: Neu-Pebalg) Ländereien, die vormals in Gutsbesitz waren, an lettische Bauern verkauft und zu diesem Zweck vermessen. Diese Kommerzialisierung brachte erstmals ein Bewusstsein für die Bedeutung von Geldvermögen und Kredit in diese größtenteils analphabetischen Kreise. Dadurch gab es auch die Möglichkeit zu finanzieller Einflussnahme und Betrug. Die schlichte christliche Moral begann sich zu lockern.
Der Roman enthält Elemente einer Liebesgeschichte, eines Kriminalromans und eines Bauernschwanks. Dramatik und Humor wechseln sich ab. Für die heutige Generation ist es ein Dokument des lettischen ländlichen Lebens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.[1]
Matīss Kaudzīte hinterließ 1924 eine unvollendete Fortsetzung unter dem Titel Jaunie Mērnieku laiki (= Neue Landvermesserzeiten).[2]
Das Buch erlebte viele Auflagen in lettischer Sprache und wurde in die russische, litauische, estnische und deutsche Sprache übersetzt. Außerdem entstanden 1911 und 1926 Bühnenfassungen.[3][4]
Die Autoren lebten in dem hügeligen livländischen Gebiet der Gemarkung Vecpiebalga im Hof Kalnā Kaibēni und waren Augenzeugen der geschilderten Umwälzungen. Als Orte der Handlung schildern sie die fiktiven Gemeinden Čangali und Slātava mit dem Doppelgehöft Irbīši.
Protagonisten
Die Protagonisten des Romans kann man in vier Typen einteilen: Letten alten Typs von guter ländlicher Gesinnung, Letten von gebrochenem altem Typ, die den Verführungen der wirtschaftlichen Umwälzungen nachgeben, Letten neuen Typs, die der nationalen Erhebung folgen, und schließlich Zugereiste, die in der Regel Deutschbalten sind.
Typ
Familie
Name
Rolle Deutscher Name (Orthographie von 1883)
Alt
Gaitiņi
Ilze Gaitiņa
Bäuerin auf Irbīši, Mutter von Kaspars
Alt
Lapenieki
Lapenieku Annuža
Annusch, alte Taufmutter der Lene
Alt
Prātnieki
Prātnieka māte
Mutter von Prāta Andžs
Alt
Gaitiņi
Tenis Gaitiņš
Tennis Gaiting, Bauer auf Irbīši
Alt
Edes tēvs
Edes Vater
Alt
Lielais Pēteris
der große Peter
Gebrochen
Oļiņi
Jēkabs Oļiņš
Vater Ohling, Bauer in Irbīši
Gebrochen
Oļiņi
Oļiniete / Oļiņa māte
Mutter Ohling adoptiert Lene
Gebrochen
Ķencis
Kenz, der schmalnasige Bauer aus Čangali
Gebrochen
Pāvuls
Pawuls, Bauer, gemeinsam mit Kenz im Gefängnis
Neu
Prātnieki
Prātnieks / Prāta Andžs
Prahtneek / Prahta Andsch (Andsch aus der Weisheit)
Neu
Bisars
Bisar, Bauer aus Čangali
Neu
Švauksts
Schwaukst, gibt sich als Deutscher aus
Neu
Drekberģis
Dreckberg, Schneider
Neu
Pietuka Krustiņš
Peetuk Krustin, Lehrer und „Gelehrter“ (der Geschwollene)
Rein und Matis Kaudzit: Die Revisorenzeit. Maria Guleke übersetzte diesen Roman ins Deutsche und veröffentlichte ihn in gekürzter Fassung in der Tageszeitung Rigaer Tageblatt im Jahr 1883 (Nr. 26–61).
Reinis Kaudzīte, Matīss Kaudzīte: Landvermesserzeiten, Roman, aus dem Lettischen übersetzt von Valdis Bisenieks. Verlag Kaspars Kļaviņš, Salzburg 2012, ISBN 978-3-9503342-0-3. Die erste vollständige deutsche Ausgabe. Mit einer Einführung und Kommentaren von Kaspars Kļaviņš und den Illustrationen von Eduards Brencēns aus der Ausgabe von 1913.
Quellen
Friedrich Scholz: Die Literaturen des Baltikums. Ihre Entstehung und Entwicklung. Westdeutscher Verlag, Opladen 1990, ISBN 3-531-05097-4.
Jānis Alberts Jansons: Brāļi Kaudzīši. In: Ludis Bērziņš et al.: Latviešu literatūras vēsture sešos sējomos, Band 2. Verlag Literatūra, Riga 1935.
Raimonds Briedis: Latviešu literatūras hronika, pirmais sējums 1945–2005. Verlag Valters un Rapa, Riga 2006.
Raimonds Briedis et al.: Latviešu literatūras vēsture, pirmais sējums. Verlag Zvaigzne, Riga 2000. Herausgegeben von Latvijas Universitātes Literatūras, folkloras und mākslas institūts.
Mērnieku Laiki. Inhaltsangabe in: Kindlers Literaturlexikon im dtv, 1974, Bd. 15, S. 6240–6241.