Konstantin war der zweite Sohn des russischen Zaren Paul I. und der Zarin Maria Fjodorowna. Er nahm am Feldzug gegen Frankreich 1799 als Soldat unter Alexander Wassiljewitsch Suworow und später als Kommandant der Garde an den napoleonischen Kriegen teil. Seine persönliche Tapferkeit unter anderem in den Schlachten in der Schweiz 1799 und später in der Völkerschlacht bei Leipzig wird positiv erwähnt. Andererseits wird er für die Niederlagen bei Bassignano und Austerlitz mitverantwortlich gemacht.[1][2] Insgesamt sei seine Rolle in den napoleonischen Kriegen unbedeutend gewesen.[1] 1808 wohnte er dem Erfurter Kongress bei, begleitete darauf von 1812 bis 1814 seinen Bruder Alexander I. auf dessen Heereszügen und war beim Wiener Kongress anwesend. Hierauf wurde er in Kongresspolen nacheinander Militärgouverneur und General der polnischen Truppen, Generalstatthalter und de facto Vizekönig.
Nach der Trennung von seiner ersten Frau, der mit ihm (wie im Oktober 1795 geplant) ab 26. Februar 1796 verheirateten 14-jährigen Prinzessin Juliane von Sachsen-Coburg-Saalfeld, die wegen Konstantins Gewaltausbrüchen 1801 geflohen war,[3] vermählte er sich am 24. Mai 1820 mit der polnischen Gräfin Joanna Grudzińska, die später vom Zaren zur Fürstin von Łowicz erhoben wurde. Wegen dieser rechtlich eigentlich nicht möglichen bzw. nicht standesgemäßen Heirat erklärte er noch zu Lebzeiten Alexanders I. in einer Akte vom 26. Januar 1822 seinen Verzicht auf die Thronfolge. Niemand wusste von Konstantins Thronentsagung, nicht einmal der zum Thronfolger ernannte Großfürst Nikolaus. Daher wurde Konstantin eine Woche nach Alexanders Tod in Abwesenheit am 9. Dezember 1825 in Petersburg zum Kaiser ausgerufen und die ersten Konstantin-Rubel wurden geprägt. Doch er erklärte in Warschau, bei seiner Entsagung zu bleiben und so ging der Thron an seinen jüngeren Bruder Nikolaus.[4]
Konstantins Rohheit und militärische Strenge waren nicht geeignet, die Polen für ihn und die russische Herrschaft einzunehmen. Als es in der Folge der französischen Julirevolution 1830 in Polen zum Novemberaufstand kam, drang am 29. November 1830 eine bewaffnete Schar in Konstantins Wohnung ein, doch er rettete sich durch die Flucht in die Mitte seiner Garden. Nach der hastigen Räumung Warschaus durch die russischen Truppen am 30. November verließ er Polen. Er lebte danach in Białystok und war eben im Begriff, sich bei dem Herannahen eines polnischen Korps tiefer nach Russland zurückzuziehen, als er in Wizebsk am 27. Juni 1831 der Cholera erlag. Seine Gemahlin folgte ihm schon am 29. November 1831.
„Wenn man öffentlich von der kaiserlichen Familie redet, rühmt man freiwillig und freudig durchaus von ihr den Charakter der schönen Humanität und allgemeinen Güte. Nur von dem Großfürsten Konstantin spricht man hier und da mit lauter Missbilligung; und es gibt sogar Leute, die ihn für schlimm halten. Nach allem, was ich von ihm in Erfahrung habe ziehen können, kann ich dies von ihm nicht glauben; aber es ist auch nicht zu leugnen, dass eine beispiellose leidenschaftliche Heftigkeit, die an Unbändigkeit grenzen soll, ihm zuweilen das Ansehen großer Verdorbenheit gibt. Er war wegen der Lebhaftigkeit seines Geistes der Liebling seiner Großmutter; und es lässt sich leicht begreifen, wie auch die mütterliche Zärtlichkeit manche Jugendaufwallung weit gelinder sieht als der strengere Beurteiler in öffentlichen Verhältnissen. Seine Familie liebt ihn ohne Ausnahme, ein Beweis, dass er natürliche Güte besitzen muss. Sonst ist sein Mutwille fast grenzenlos und hat ihn zu Schritten verleitet, von denen ich gern die Hälfte auf die Entstellung des Missvergnügens schreiben will. Es ist traurig, dass der junge, wirklich liebenswürdige, sehr gebildete Mann Gefahr läuft, dem Jugendleichtsinn seinen bessern Charakter aufzuopfern. Die Wirkung ist schon sichtbar. Man flieht seine Nähe, weil man das Spiel seines Mutwillens fürchtet. Die Männer bürden sich bei sich selbst und der Nation eine schwere Verantwortung auf, die sich zu Gefährten und Ausführern seiner jugendlichen Einfälle hergeben. Sie müssen seine Achtung verlieren, sobald er zu ernsthafter Besinnung kömmt; und das geschieht gewiss, wenn seine bessere Seele eine ruhige Übersicht der Dinge gewinnt und er selbst das Bedürfnis fühlt, statt des rauschenden Beifalls der Schwärmer die Liebe und reine Achtung der Vernünftigen zu besitzen. Ich habe ihn nur ein einziges Mal ganz in der Nähe gesehen, wo er seine Befehle einem Offizier auf eine so ungestüme, für das Publikum so wenig schickliche Weise gab, dass ich an Stelle des Offiziers den andern Morgen gewiss meinen Abschied gefordert hätte. Öffentliche Achtung ist das heiligste Unterpfand zwischen Männern von Ehre.“
↑Theodor Schiemann: Geschichte Russlands unter Kaiser Nikolaus I. G. Reimer, Berlin 1904 (archive.org).
↑Martin Droschke: St. Petersburg im Hochzeitsfieber. In: Franken 2024. Franken-Wissen für das ganze Jahr. Emons Verlag, Köln 2023, ISBN 978-3-7408-1797-8, Blatt 26. Oktober und 9. Dezember
↑Nikolaus Katzer: Nikolaus I. (1825–1855). In: Hans-Joachim Torke (Hrsg.): Die russischen Zaren, 1547–1917. C.H.Beck, 1999, S. 293f (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
↑Johann Gottfried Seume: Mein Sommer 1805. Rütten & Loenig, Berlin 1968, S. 134 f. Seume, der selbst als Offizier in der russischen Armee gedient hatte, war im Sommer 1805 durch Russland und Schweden gereist und dabei von Zarin Maria Fjodorowna, der Mutter Konstantins, empfangen worden. Weitere „Erfahrung“ dürfte Seume von Friedrich Maximilian Klinger gehört haben, der als Vorleser des Zarenpaars, d. h. der Eltern Konstantins, am Hofe angestellt war und den Seume auf seiner Reise in St. Petersburg traf.