Khoisansprechende Gruppen sind insbesondere die im Süden und Südwesten Afrikas lebenden San und Khoikhoi. Diese werden zusammenfassend als Khoisan-Völker bezeichnet und sind nicht nur anhand ihrer meist helleren Hautfarbe genetisch klar von den anderen Völkern Afrikas abgrenzbar.[1] Außerdem khoisansprachig sind die schwarzafrikanischen Damara, welche auch aufgrund der gemeinsamen Geschichte mitunter zu den Khoisanvölkern gezählt werden. Die in Tansania lebenden Hadza und Sandawe werden aufgrund typologischer Gemeinsamkeiten manchmal zu den Khoisansprachen hinzugezählt und auch in diesem Artikel aufgeführt.[2]
Charakteristisch für die Khoisansprachen sind die Klicklaute und umfangreiche Phoneminventare (den Rekord mit 164 Phonemen hält ǃXóõ). Ebenfalls typisch sind Nominalklassensysteme.
Vor der Expansion der Bantu bildeten die Khoisangruppen in einem großen Teil des südlichen Afrikas die Mehrheitsbevölkerung. Von ihnen übernahmen manche Bantusprachen im südlichen Afrika sowie vielleicht die in Kenia gesprochene Sprache Dahalo ebenfalls Klicklaute. Sie gelten jedoch nicht als Khoisansprachen, da sie anderen Sprachfamilien zugeordnet werden können. Umstrittenen Theorien nach könnten diese Klicks Relikte einer „Ursprache“ der Menschheit sein.[3] Heute sind diese Sprachen hochgradig gefährdete Minderheitensprachen, wobei das als Khoekhoegowab bezeichnete Dialektkontinuum, vor allem in Namibia, noch die größte Verbreitung hat.
Die Wissenschaft von den Khoisansprachen und den damit verbundenen Kulturen und Völkern wird Khoisanistik genannt. Sie ist ein Teilgebiet der Afrikanistik.
Innerhalb der Khoisansprachen lassen sich folgende Sprachfamilien mit den Methoden der vergleichenden Sprachwissenschaft rekonstruieren (die Einteilung in verschiedene einzelne Sprachen wird dadurch verkompliziert, dass viele Khoisansprachen keine eigene Bezeichnung für ihre Sprache haben. Daher muss der Name oft erst von Linguisten kreiert werden. Da dies nicht immer eindeutig möglich ist, hat sich eine gewisse Fülle an Bezeichnungen etabliert – unter anderem auch deshalb, weil verschiedene Sprecher unterschiedliche Auskünfte geben). Synonyme oder nah verwandte Dialekte werden hier mit Kommas getrennt:[4]
Gǀui-Gǁana (4.500 Sprecher, Dialektkontinuum, beinhaltet Gǀui/Gǀwi, Gǁana und ǂHaba)
Tuu
Auch unter der älteren Bezeichnung Süd-Khoisan-Sprachen bekannt. Von den zwei Hauptzweigen dieser Familie wird heute nur noch je eine Sprache gesprochen.
ǃUi
Nǁng, ǂKhomani, Nǀuu (8 Sprecher in Südafrika, aussterbend)
Nord- und Südkhoisan sowie ǂHõã weisen dabei untereinander besonders viele typologische Gemeinsamkeiten auf, ohne dass dies genetisch bedingt sein muss, z. B. die GrundwortfolgeSubjekt-Verb-Objekt (SVO) sowie wenig Flexionsmorphologie im Gegensatz zu den Zentral-Khoisan-Sprachen, die die Wortfolge Subjekt-Objekt-Verb (SOV) sowie eine reichhaltige Flexion aufweisen.
Eine genetische Verwandtschaft zwischen Khoe und Kwadi sowie wahrscheinlich auch Sandawe wird von Güldemann/Elderkin vermutet. Anhaltspunkte dafür sind z. B. die singularischenPersonalpronomen dieser Sprachen (Proto-Khoe-Kwadi ist eine gemeinsame, rekonstruierte Vorstufe von Khoe und Kwadi):[5]
Joseph H. Greenberg: Africa as a linguistic area. In: William R. Bascom, Melville J. Herskovits (Hrsg.): Continuity and change in African cultures.University of Chicago Press 1959, S. 15–27.
Isaac Schapera: The Khoisan Peoples of South Africa – Bushmen and Hottentots.Routledge, London 1960.
Otto Köhler: Die Khoe-sprachigen Buschmänner der Kalahari. In: Forschungen zur allgemeinen und regionalen Geschichte (Festschrift Kurt Kayser).Franz Steiner Verlag, Wiesbaden 1971.
E. O. J. Westphal: The click languages of Southern and Eastern Africa. In: T. A. Sebeok (Hrsg.): Current Trends in Linguistics. Bd. 7: Linguistics in Sub-Saharan Africa. Mouton Publishers, The Hague 1971.
J. C. Winter: Die Khoisan-Familie. In: Bernd Heine, Thilo C. Schadeberg, Ekkehard Wolff (Hrsg.): Die Sprachen Afrikas. Helmut Buske Verlag, Hamburg 1981, S. 329–374.
Rainer Voßen: Die Khoe-Sprachen: ein Beitrag zur Erforschung der Sprachgeschichte Afrikas. Rüdiger Köppe Verlag, Köln 1997, ISBN 978-3-927620-59-9.
Yvonne Treis: Names of Khoisan languages and their variants. In: Matthias Schladt (Hrsg.): Language, identity, and conceptualization among the Khoisan. Rüdiger Köppe Verlag, Köln 1998.
Peter E. Raper: Khoisan indigenous toponymic identity in South Africa. In: Ian D. Clark, Luise Hercus, Laura Kostanski: Indigenous and Minority Placenames: Australian and International Perspectives. ANU Press, Acton A.C.T. 2014, S. 381–398, online auf www.anu.edu.au (englisch, PDF)
↑Carina M Schlebusch, Per Sjödin, Gwenna Breton, Torsten Günther, Thijessen Naidoo, Nina Hollfelder, Agnes E Sjöstrand, Jingzi Xu, Lucie M Gattepaille, Mário Vicente, Douglas G Scofield, Helena Malmström, Michael de Jongh, Marlize Lombard, Himla Soodyall, Mattias Jakobsson: Khoe-San Genomes Reveal Unique Variation and Confirm the Deepest Population Divergence in Homo sapiens. In: Molecular Biology and Evolution, Volume 37, Issue 10. Oktober 2020, S. 2944–2954, abgerufen am 2. März 2023 (englisch).