Kent Nagano wuchs in Morro Bay, Kalifornien auf. Sein Vater George Kimiyoshi war Architekt und Mathematiker, seine Mutter Ruth Okamoto war Mikrobiologin und Pianistin. Beide hatten an der University of California, Berkeley studiert. Naganos Großeltern väterlicherseits wanderten 1917 von Japan nach Kalifornien aus und betrieben dort Landwirtschaft mit Gemüseanbau. Als sie ernstlich erkrankten, übernahmen Kents Eltern die Farm der Großeltern in Morro Bay. Dort wuchs er ohne Fernsehen, Kino und Stereoanlage auf, anstelle dessen gab es ein Klavier. Von früh an machte er mit seiner Familie Hausmusik. Als er in die örtliche Grundschule (Elementary School) eingeschult wurde, besuchte er vor und nach dem Unterricht eine dort integrierte Musikschule. Unterrichtet wurde er in Klavier und Klarinette von dem an der Münchner Musikhochschule ausgebildeten Georgier Wachtang Korisheli, einem studierten Philosophen und Hobbymaler, der manchmal auch Grundkurse in Kunstgeschichte oder Philosophie für die Kinder gab. Mit dem Lernen und Üben konnten Schule und Musik bis zu 12 Stunden täglich dauern.[1] Bereits als Achtjähriger dirigierte er den Kirchenchor.[2]
Von 1970 bis 1974 studierte Nagano zunächst an der Universität von Santa CruzSoziologie und Musik. Er setzte sein Studium in San Francisco bis 1978 fort. Hier lernte er bei dem emigrierten legendären László Varga, einem Cellisten, der u. a. auch bei den New Yorker Philharmonikern Mitglied war. Nebenbei dirigierte Nagano an der Universität Werke seiner Kommilitonen.
Nach seinem Studium ging er an die Oper in Boston als Korrepetitor. Seine Verehrung für Olivier Messiaen führte bald zu einer Freundschaft mit ihm. Nagano wurde 1984 international bekannt, als Messiaen Seiji Ozawa empfahl, ihn bei der Vorbereitung zur Premiere seiner einzigen Oper Saint François d’Assise assistieren zu lassen. Diese nur selten aufgeführte Oper dirigierte er dann 1998 selbst bei den Salzburger Festspielen. Mittlerweile hat er das gesamte Konzertwerk Messiaens auf Tonträger eingespielt. Ab 1984 dirigierte er das Bostoner Sinfonie-Orchester. Seine Karriere setzte er 1989 in Lyon fort, wo er bis 1998 als musikalischer Leiter der Opéra National de Lyon diese zur zweitwichtigsten Opernbühne Frankreichs machte. Daneben wurde er von 1991 an auch Music Director beim zweitältesten britischen Orchester, dem Hallé-Orchester in Manchester bis zum Ende der Saison 1999/2000. 1994 gab er sein Debüt an der Metropolitan Opera in New York mit Francis PoulencsDialogues des Carmélites.
Im Jahr 2000 dirigierte er bei den Salzburger Festspielen die Uraufführung von Kaija Saariahos Oper L’amour de loin. 2000 übernahm Nagano die künstlerische Leitung des Deutschen Symphonie-Orchesters in Berlin bis zum Spielzeitende 2006. Als Ausdruck der Verbundenheit ernannte das Orchester seinen scheidenden Chefdirigenten 2006 zum Ehrendirigenten – eine Auszeichnung, die in der sechzigjährigen Geschichte des Orchesters erst zum zweiten Mal vergeben wurde.
Seit 2015 ist er Generalmusikdirektor der Hamburgischen Staatsoper und des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg, hingegen ist Opern- und Orchesterintendant der Schweizer Georges Delnon. 2016 leitete Nagano an der Hamburgischen Staatsoper die Uraufführung von Toshio Hosokawas Oper Stilles Meer.[4] Im Februar 2023 wurde bekannt, dass ihm im Sommer 2025 Omer Meir Wellber als Generalmusikdirektor der Hamburgischen Staatsoper und Chefdirigent des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg nachfolgen soll.[5]
In der Saison 2023/24 wird Kent Nagano unter anderem in der Rosey Concert Hall im schweizerischen Rolle, im Konzerthaus Bozen, im Maison symphonique in Montréal, im Concertgebouw in Amsterdam, in der Tonhalle in Zürich, in der Philharmonie in Berlin, in der Konzerthalle in Bamberg und im Kulturpalast in Dresden zu hören sein. Darüber hinaus wird er das Orchestre de l’Opera de Lyon dirigieren und eine Neuproduktion von Ligetis Le Grand Macabre von Krzysztof Warlikowski an der Bayerischen Staatsoper in München leiten.[8]
Im Oktober 2020 wurde Kent Nagano in Anbetracht „seiner herausragenden Verdienste um die Musikkunst“ zum Mitglied der Royal Swedish Academy of Music gewählt.[9]
Kent Nagano ist seit 1991 mit der japanischen Pianistin Mari Kodama[10] verheiratet und hat mit ihr eine Tochter namens Karin Kei Nagano, die Pianistin ist.[11]
„Durch Fragen, die die Künste aufwerfen, und durch Antworten, die sie herausfordern, erleben wir eine Schönheit, die mit schönem Aussehen nichts zu tun hat. Auch Schwäche, Tragisches oder Abstoßendes kann unglaublich schön sein. Denn schön ist jede Erfahrung, die uns dem Wesenskern der Dinge, dem Urgrund allen Daseins näher bringt. […] Mir ist klar, dass die schönen Künste, Tanz, Musik und Theater, nicht für jeden Menschen dieselbe Bedeutung haben können, dass sie nicht so leicht zugänglich sind wie Pop-Art oder Pop-Musik.“
Habakuk Traber: Kent Nagano. Musik für ein neues Jahrhundert. Henschel, Berlin 2002, ISBN 3-89487-413-9, mit Diskografie.
Filmografie
Nagano Road. Kent Nagano – Ein Dirigent zwischen Welten und Kulturen. Dokumentation, Deutschland, 2002, 45 Min., Buch und Regie: Daniel Finkernagel und Alexander Lück, Produktion: finkernagel & lück medienproduktion, Inhaltsangabe und Filmausschnitt, 4:48 Min.
Kent Nagano dirigiert Monumente der Klassik. Musik-Dokumentation, Deutschland, 2006, Buch und Regie: Oliver Becker und Ellen Fellmann, Produktion: Deutsche Welle TV und Unitel classica.[20]
Kent Nagano – Montreal Symphony. Deutschland, Kanada, 2010, 97 Min., Buch und Regie: Bettina Ehrhardt, Kino-Start: 13. Januar 2011, Inhaltsangabe von film-lexikon.com.
Naganos Kinderlieder. Musik-Dokumentation, Deutschland, 2010, 60 Min., Regie Nadja Frenz, Produktion: Vidicom und NDR, Inhaltsangabe von ARD.
Der Traum des Dirigenten Kent Nagano. Dokumentarfilm, Deutschland, 2017, 55:20 Min., Buch und Regie: Nadja Frenz und Inge Kloepfer, Kamera: Jan Kerhart, Produktion: Vincent TV, ICI artv, NDR, arte, Reihe: Stars und Newcomer am Dirigentenpult, Erstsendung: 26. November 2017 bei arte, Inhaltsangabe von ARD.