Das Kastell Arzbach befindet sich auf einem Hügel, zwischen Wetzel-, Ems- und Wiesenbach, etwa 40 m oberhalb eines südlich anschließenden Wiesengrunds. In antiker Zeit lag es ungefähr 42 m südwestlich vom Palisadengraben des Limes entfernt. Nach drei Seiten, ungefähr 150 m vor der Prätorialfront (Vorderfront), rund 100 m hinter der Rückseite und unmittelbar vor der linken Principalseite fällt das Gelände relativ steil ab. Zur rechten Principalseite hin steigt das Terrain aber weiter an, so dass die rechte Flanke durch die Geländeüberhöhung die schwächste und somit verletzlichste Seite des Lagers darstellte.
Im heutigen Ortsbild liegt das Kastell im südlichen Randbereich der Gemeinde, nördlich der „St. Peter-und-Paul-Kirche“ und des Friedhofs, zwischen der „Kirchstraße“ und der „Kemmenauer Straße“. Der Vicus und die Gräberfelder werden im Bereich des Friedhofes selbst sowie unter den angrenzenden Wiesenflächen vermutet.
Forschungsgeschichte
Das Kastell Arzbach wurde erst relativ spät, 1860 bei Bauarbeiten an der „St. Peter-und-Paul-Kirche“ entdeckt.[2] Noch für den Herbst desselben Jahres wurden archäologischeAusgrabungen geplant, die jedoch nicht zur Ausführung gelangten. Erst im September 1894 kam es durch die Reichs-Limeskommission zu systematischen Untersuchungen, die unter der örtlichen Leitung des Streckenkommissars Otto Dahm standen. Durch diese Forschungen konnte aber nur ein Teil der tatsächlich vorhandenen Befunde – insbesondere der Bereich der Principia (Kommandantur) und drei weiterer Gebäude – erforscht und dokumentiert werden. Weite Bereiche der Anlage fielen durch unbeobachtete Baumaßnahmen der Zerstörung zum Opfer.
In den 1960er und 1990er Jahren wurden durch den Bau eines Altenheimes und eines Kindergartens neuerliche archäologische Rettungsgrabungen erforderlich, bei denen die zu Tage getretenen Befunde von Herdstellen, Kellern und Gruben ebenfalls nur unzureichend untersucht und dokumentiert werden konnten.
Insgesamt gut ein Drittel der Kastellfläche gilt heute als zerstört, der Rest befindet sich als Bodendenkmal unter den nicht überbauten Flächen dieses Bereichs.
Befunde und Interpretation
Bei der Fortifikation von Arzbach handelt es sich um ein Steinkastell mit den Seitenlängen von 79,20 mal 93,30 Meter, was einer Fläche von gut 0,7 Hektar und damit der Größe eines typischen Numeruskastells entspricht. Die 1,40 Meter mächtige Wehrmauer besaß die üblichen vier Tore, die von jeweils zwei Türmen flankiert waren. Sie war hauptsächlich aus Trachyt, zum Teil auch aus Schiefer als Trockenmauer ganz ohne Mörtel ausgeführt. Die abgerundeten Ecken waren ebenfalls mit Wachtürmen versehen. Alle Türme sprangen etwa 0,50 Meter aus der Mauerflucht vor. Zwischentürme gab es keine.
Vor der Wehrmauer lag – nach einer schmalen Berme – auf drei Seiten des Lagers ein Doppelgrabensystem. Auf der nordwestlichen Seite, an der sich die Porta principalis sinistra (linkes Seitentor) befand, waren die Gräben aufgrund des auf dieser Seite unmittelbar schroff abfallenden Geländes unterbrochen. Hier war die Berme durch eine 2,30 Meter hohe Stützmauer befestigt.
Mit seiner Prätorialfront war das Lager nach Nordosten, zum 42 Meter entfernt verlaufenden Limes hin ausgerichtet.
Im Inneren des Lagers konnten im Wesentlichen nur Teile der zentral gelegenen Principia sowie drei weitere Steingebäude unbekannter Bestimmung untersucht werden. Der rückwärtige Gebäudetrakt der Principia bestand aus fünf Räumen, von denen der mittlere – das Aedes oder Sacellum (Fahnenheiligtum) – über eine große Apsis verfügte. Er war jedoch nicht unterkellert. Von den sonst üblichen Bestandteilen der Principia konnte nur ein Raum des linken Gebäudeflügels mit Sicherheit festgestellt werden.[3] Die übrigen Gebäude des Kastellinneren ließen sich keiner bestimmten Funktion zuordnen,[4] befestigte Lagerstraßen wurden nicht entdeckt.
Das Balineum (Kastellbad), die Thermen, die bei jedem größeren römischen Auxiliarlager anzutreffen ist, befindet sich höchstwahrscheinlich unterhalb der „St. Peter-und-Paul-Kirche“. Unter den Funden, die 1860 beim Umbau des Chores gemacht wurden, befanden sich Stücke, die auf ein Hypokaustum hinwiesen. Der Vicus, die Zivilsiedlung für Händler, Handwerker, Militärs nach dem Ende ihrer Dienstzeit und Angehörige von Soldaten, befand sich ausweislich der Streu- und Lesefunde östlich davon. Die Gräberfelder sind im südlichen Bereich des heutigen Friedhofs anzunehmen.
Das Kastell wurde vermutlich im frühen zweiten nachchristlichen Jahrhundert errichtet.[1] Es diente einem unbekannten Numerus der Grenztruppen, einer etwa zwei Zenturien, also 140 bis 160 Mann umfassenden Einheit als Standort. Diese Funktion erfüllte das Lager bis zur Mitte des dritten Jahrhunderts. Da ausweislich der Befunde alle Baulichkeiten des Kastells – einschließlich der Türme – durch Feuer vernichtet worden waren, kann angenommen werden, dass die Fortifikation ihr Ende im Zusammenhang mit den schweren Angriffen der Franken fand, in deren Verlauf den Römern um 259/260 das gesamte rechtsrheinische Gebiet verloren ging.
Limesverlauf zwischen dem Kastell Arzbach und dem Kleinkastell „Auf der Schanz“
Auf seinem Weg nach Bad Ems befindet sich der Limes heute in unterschiedlichen, nicht immer allzu guten Erhaltungszuständen. Hinter Arzbach ist er fast völlig verschwunden und erst in den bewaldeten Gebieten knapp einen Kilometer östlich des Wachturms Wp 1/84 und dann in seinem nach Süden gerichteten Verlauf bei Kemmenau, westlich der Landstraße 327, ist er deutlich im Gelände zu sehen. Kurz bevor er Bad Ems erreicht, verschwindet er wieder gänzlich.
Durch die RLK nachgewiesener, heute nicht mehr vorhandener Hügel[8] eines rechteckigen Steinturms mit dem ungewöhnlichen Seitenverhältnis von 6,50 m mal 4,50 m bei einer Mauerstärke von 100 cm. 17 m hinter dem Wall des Limes und 280 m südöstlich des Kastells Arzbach. Der Verlauf des Limes selbst in diesem Bereich ist – je nach Saison – anhand der Bewuchsmerkmale noch auszumachen.
Wp 1/84
„Auf dem Großen Kopf“
Auf dem mit 423 m ü NN höchsten Punkt der Umgebung, ungewöhnliche 180 m hinter dem Limes befindlicher, außergewöhnlich großer Steinturm mit den Abmessungen von 8,00 m mal 6,50 m. Die Stärke der Fundamentmauern betrug 1,30 m. Unter dem Steinturm wurden Spuren eines älteren Holzturms festgestellt.
Auf seinen Fundamenten wurde 1954 der heute noch an dieser Stelle stehende Stefansturm[9] als Rekonstruktion des Wp 1/84 errichtet. Der mittlere Teil der Rekonstruktion ist insofern fehlerhaft, als von den Römern keine Blockbauweise verwendet wurde.
Wp 1/85 bis 1/87
Aufgrund der durchschnittlichen Entfernung zwischen den Türmen und der topographischen Gegebenheiten vermutete, aber nicht nachgewiesene Wachtürme.[10]
Wp 1/88
„Am Einsiedlerkopf“
Sichtbarer Schutthügel[11] eines Steinturms westlich der Landstraße 327 von Welschneudorf nach Kemmenau. Der Turm hatte einen quadratischen Grundriss von 5,60 m Seitenlänge, die Mauerstärke betrug 1,20 m. Der Turm lag 18 m von der Mitte des Wallgrabens bzw. 13 m vom Scheitelpunkt des Walls entfernt.
Wp 1/89
„Am First“
Von Dahm noch festgestellte und von der RLK (nur vage) dokumentierte, heute aber im Gelände nicht mehr auszumachende Turmstelle.[12]
Wp 1/90
„Am Häuschen“
Von der RLK im ORL (nur vage) dokumentierte, heute aber im Gelände nicht mehr wahrnehmbare Turmstelle.[13]
Wp 1/91
„An der Hohen Bahn“
Nur vermutete, nicht nachgewiesene Turmstelle.[14]
Wp 1/92
Im Gelände wahrnehmbarer Schutthügel[15] eines quadratischen Steinturms mit einer Seitenlänge von 4,50 m und 100 cm mächtigen Mauern. Die Stelle befindet sich 14 m hinter dem Limeswall und noch über einen Kilometer vor der Lahn entfernt.
Wp 1/93
Vermutete, aber nicht nachgewiesene Turmstelle.[16] In diesem Bereich ist auch vom Limes selbst nicht mehr viel zu sehen. In der Hanglage wohl durch Auswaschung weitestgehend erodiert, geht er schließlich in den Verlauf der heutigen „Pfahlgrabenstraße“ von Bad Ems über.
Das Kastell Arzbach und die erwähnten Bodendenkmale sind als Abschnitt des Obergermanisch-Rätischen Limes seit 2005 Teil des UNESCO-Welterbes. Außerdem sind die Anlagen Kulturdenkmale nach dem Denkmalschutz- und -pflegegesetz (DSchG)[18] des Landes Rheinland-Pfalz. Nachforschungen und gezieltes Sammeln von Funden sind genehmigungspflichtig, Zufallsfunde an die Denkmalbehörden zu melden.
Dietwulf Baatz: Der Römische Limes. Archäologische Ausflüge zwischen Rhein und Donau. 4. Auflage, Gebr. Mann, Berlin 2000, ISBN 3-7861-2347-0, S. 105f.
Margot Klee: Der Limes zwischen Rhein und Main. Vom Beginn des obergermanischen Limes bei Rheinbrohl bis zum Main bei Grosskrotzenburg. Theiss, Stuttgart 1989, ISBN 3-8062-0276-1, S. 50f.
Margot Klee: Limes. Strecke 1, WP 1/1 – 1/93. In: Heinz Cüppers: Die Römer in Rheinland-Pfalz. Lizenzausgabe, Nikol, Hamburg 2002, ISBN 3-933203-60-0, S. 446f.
Ernst Fabricius, Felix Hettner, Oscar von Sarwey (Hrsg.): Der obergermanisch-raetische Limes des Roemerreiches. Abteilung A, Band 1: Die Strecken 1 und 2 (1936)
Weblinks
Kastell Arzbach auf der Webpräsenz des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur Rheinland-Pfalz
Kastell Arzbach auf der Webpräsenz der Deutschen Limeskommission
Kastell Arzbach auf der Webpräsenz der Deutschen Limesstraße
Anmerkungen
↑ abNach Margot Klee: Der Limes zwischen Rhein und Main. Vom Beginn des obergermanischen Limes bei Rheinbrohl bis zum Main bei Grosskrotzenburg. Theiss, Stuttgart 1989, ISBN 3-8062-0276-1, S. 50, ist Arzbach eine hadrianische Gründung. Dietwulf Baatz: Der Römische Limes. Archäologische Ausflüge zwischen Rhein und Donau. 4. Auflage, Gebr. Mann, Berlin 2000, ISBN 3-7861-2347-0, S. 105, hingegen schreibt von trajanischen Funden und nimmt ein Ende im Zusammenhang mit dem Limesfall (259/260) an.
↑„Im Monat April 1860 wurde unsere Kenntnis des römischen Pfahlgraben-Zugs nördlich der Lahn um ein wesentliches Stück gefördert. Auf die Anzeige des Herrn Pfarrer Diefenbach zu Arzbach, Amts Montabaur, dass beim Abbruch des alten Chors seiner Pfarrkirche, der weitbekannten Augst, römische Backsteine mit militärischen Stempeln sich vorgefunden hätten und aufbewahrt würden, begab sich der Sekretär des Vereins am 1. und 2. Mai v. J. an Ort und Stelle, um nähere Fundberichte zu erheben. Danach ergab sich, dass der Aufbau dieses im 15. Jahrh. errichteten Kirchenchors teilweise mit Hülfe von römischem Baumaterial geschehen war,…“ …/… „Da diese Bausteine nur von einem in nächster Nähe gestandenen römischen Militärbau herrühren können, so muss ein Kastell dicht bei der Augst gestanden haben…“ (In: Periodische Blätter der Geschichts- und Altertumsvereine zu Kassel, Darmstadt und Wiesbaden. Nach ORL, Abt. B, Nr. 3, S. 1 f.).
↑Dahm ging davon aus, dass die Principia in der vorgefundenen Bauphase nicht fertiggestellt worden war bzw. dass die übrigen Räume aus Holz oder Fachwerk bestanden haben. ORL Abt. B, Nr. 3, S. 3f.
↑Dahm sprach ein nordwestlich der Principia liegendes, 17,70 m langes und 9,60 m breites Gebäude als „Exerzierhaus“ an. Ein im südlichen Bereich der Retentura aufgedecktes Doppelgebäude aus einem 16,00 m langen und 5,60 m breiten sowie einem 14,20 m langen und 10,00 m breiten Raum hielt er für einen Stall und einen Magazinbau. Dem im Osten der Praetentura befindlichen, vierräumigen, 13,60 m mal 10,30 m messenden Bauwerk wies er aufgrund des dort aufgefundenen hochwertigen Keramik- und Glasgeschirrs die Funktion eines „Offiziersgebäudes“ zu. ORL Abt. B, Nr. 3, S. 3.
↑ORL = Nummerierung der Limesbauwerke gemäß der Publikation der Reichs-Limeskommission zum Obergermanisch-Raetischen-Limes
↑ORL XY = fortlaufende Nummerierung der Kastelle des ORL
↑Wp = Wachposten, Wachturm. Die Ziffer vor dem Schrägstrich bezeichnet den Limesabschnitt, die Ziffer hinter dem Schrägstrich in fortlaufender Nummerierung den jeweiligen Wachturm.