Karol Świerczewski wuchs in Warschau als Sohn einer armen polnischen Arbeiter-Familie auf, als seine Heimat damals zum russischen Kaiserreich gehörte, nachdem es 1815 seine staatliche Unabhängigkeit verloren hatte (Kongresspolen). Er wurde während des Ersten Weltkrieges im Alter von 18 Jahren, als er in einer Warschauer Fabrik arbeitete, von der Russischen Armee nach Moskau evakuiert.
Während des Polnisch-Sowjetischen Krieges im Jahre 1920 kämpfte er auf eigenen Wunsch in der nunmehr regulären Roten Armee gegen Polen. Da er als Kommunist nicht mit der ebenfalls 1919 gegründeten Zweiten Polnischen Republik sympathisierte, meldete er sich als Leutnant zur Verlegung an die westliche Front, wo er im Kampf verwundet wurde. Nach seiner Genesung kehrte er noch einmal an die Front zurück, doch der Kriegsverlauf hatte sich bereits für Polen und gegen Sowjetrussland gewendet.
1920er Jahre
1921, als der Krieg gegen Polen mit einer Niederlage Sowjetrusslands zu Ende gegangen war, kehrte er in die Sowjetunion zurück und unterrichtete anschließend an der Polnischen Schule der roten Kommunarden. Im Jahre 1928 schloss Świerczewski seine Ausbildung an der Militärakademie „M.W. Frunse“ in Moskau ab und tat fortan Dienst im Generalstab der Roten Armee.
Spanischer Bürgerkrieg
Im Jahre 1936 kam er unter dem Decknamen General Walter nach Spanien, um im Spanischen Bürgerkrieg die Republik gegen die Nationalisten unter GeneralFrancisco Franco zu unterstützen. Dort stieg er zum Divisionskommandeur (siehe Sowjetische Generalsränge) auf und wurde auch von der republikanischen Regierung als spanischer General anerkannt. Zunächst erwarb er sich einen Ruf als durchaus kompetenter Befehlshaber, als er die XIV. Internationale Brigade und später die 35. Internationale Division führte, in der späten Phase des Bürgerkrieges waren seine militärischen Leistungen aber eher wechselhaft und seine Einheiten erlitten wiederholt schwere Verluste.
Nach der militärischen Niederlage der Zweiten Spanischen Republik im Jahre 1939 kehrte er wieder in die Sowjetunion zurück.
Zweiter Weltkrieg
Zur Zeit des Überfalls auf Polen durch das Deutsche Reich Anfang September und durch die Sowjetunion am 17. September 1939, der den Beginn des Zweiten Weltkriegs markierte, war Świerczewski Kommandeur der 248. Schützendivision der Roten Armee; diese Position hatte er auch noch beim deutschen Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 inne. Wenig später leitete er einige Kommandeurlehrgänge des sowjetischen Geheimdienstes NKWD. Gegen Mitte 1943 wurde er zu einem der Generäle, die mit der Bildung der 1. Polnischen Armee beauftragt wurden, einem Teil der sowjetisch kontrollierten „Polnischen Streitkräfte in der Sowjetunion“ (auch: Polnische Streitkräfte im Osten). Im Januar 1944 wurde er, nachdem er und sein Generalstab an der Grabstätte der ermordeten polnischen Offiziere den Racheschwur der sowjetischen Spionageabwehr (SMERSCH) geleistet hatten, Waffengeneral der neu aufgestellten 2. Polnischen Armee unter dem Oberbefehl des Marschalls der SowjetunionKonew. Im selben Jahr erfolgte sein Aufstieg zu einem der Führer der kommunistischen Polnischen Arbeiterpartei und der noch inoffiziellen Regierung der Volksrepublik Polen, die nach dem Krieg auf sowjetischen Druck etabliert wurde.
Im Winter 1944 führte er die 2. Polnische Armee während der Kämpfe an der Weichsel zur Rückeroberung der polnischen Westgebiete der Zweiten Republik vor 1939 sowie beim weiteren Vormarsch auf deutschem Gebiet.
Im März 1945 wurde die 2. Polnische Armee unter seinem Oberbefehl an der Oderfront in Niederschlesien reorganisiert und mit neuen sowjetischen Panzern und Fahrzeugen ausgerüstet.
Ab Mitte April des Jahres 1945 führte die 1. Ukrainische Front ihre Großoffensive an der Lausitzer Neiße als Teil der Operationen der Roten Armee zur vorgesehenen Eroberung von Berlin (→ Schlacht um Berlin). Świerczewski sollte dabei mit seinen Truppen im Rahmen der so genannten Operation Lausitz die linke südliche Flanke des geplanten Vorstoßes etwa auf der Linie Dresden–Bautzen–Niesky sichern. Die mehrtägigen Kämpfe bei der Schlacht um Bautzen in der Oberlausitz sowie der teilweise besetzten Stadt Bautzen fügten vor allem den polnischen Angreifern sehr schwere Verluste zu. Ihre Brigaden hatten die meisten ihrer Panzer verloren und wurden auch personell stark dezimiert. Selbst die zur Unterstützung entsandten sowjetischen Einheiten erlitten schwere Verluste. Der Wehrmacht gelang es indes mit ihrem letzten größeren Panzerangriff des Krieges, Bautzen und das Umland zurückzuerobern und zuvor eingeschlossene eigene Truppen zu befreien. Die Kampfhandlungen wurden auf beiden Seiten mit äußerster Brutalität geführt, wobei es auch zu Kriegsverbrechen kam. Obwohl ein weiterer Vorstoß der deutschen Truppen in erster Linie durch den Mangel an Treibstoff-Nachschub (Benzin) für die Panzer aus den Hydrierwerken verhindert wurde, konnten diese Gebiete bis Kriegsende gehalten werden.
Trotz des militärischen Desasters im April 1945 wurde General Karol Świerczewski nach der Schlacht um Bautzen zum Armeegeneral befördert. Die polnische Propaganda verschwieg auch die unrühmliche Rolle des polnischen Stabes während der Schlacht. Die Kämpfe wurden zwar als äußerst blutig beschrieben, aber niemals als Niederlage für die polnische Armee bezeichnet. Um Świerczewski wurde der politische Mythos des unbesiegten Feldherrn aufgebaut.
1967 gab die Nationalbank Polens eine Gedenkmünze anlässlich des 20. Jahrestags des Todes Świerczewskis mit der Nominale 10 Złoty heraus. 1975 wurde er auf dem 50-Złoty-Schein abgebildet, der mit der Einführung neuer Banknoten 1996 nur noch 0,005 neue Złoty (PLN) wert war.
Seit der politischen Wende 1989 wird im heutigen Polen seine Rolle einerseits wegen des militärischen Debakels im April 1945 und andererseits wegen seiner zweifelhaften Funktion im Militär- und Repressionsapparat bei der Installierung des kommunistischen Regimes in Polen deutlich kritischer gesehen.[7]
Mit Ende des Warschauer Pakts wurden zahlreiche seiner Denkmäler entfernt und nach ihm benannte Straßen (so die Warschauer Trasa W-Z) wieder umbenannt.
Am 21. Mai 2003 appellierte die Organisation der ehemaligen polnischen Veteranen und Unabhängigkeitskämpfer an das Institut für Nationales Gedenken (Instytut Pamięci Narodowej – IPN), Nachforschungen anzustellen, inwieweit Karol Świerczewski bei seiner politischen Tätigkeit vor und nach 1945 Verbrechen gegen die polnische Nation begangen hat. In einem Brief erinnerte die Organisation daran, dass er „einer der Menschen war, die bewusst auf die Versklavung der polnischen Nation durch die gewaltsame Durchsetzung eines kommunistischen Regimes hinarbeiteten, das ein Vasall von Moskau war“. Unter den Verbrechen, die keiner Verjährung unterliegen und vom IPN aufgeklärt werden sollten, sind 29 Todesurteile gegen polnische Soldaten und Offiziere, die Świerczewski als Befehlshaber der sowjetisch kontrollierten 2. Polnischen Armee unterzeichnet hatte.[8][7]
Literatur
Jerzy Kochanowski: „... doch diesen Namen werden sie preisen“. Der General Karol Świerczewski, in: Silke Satjukow; Rainer Gries (Hrsg.): Sozialistische Helden: eine Kulturgeschichte von Propagandafiguren in Osteuropa und der DDR. Berlin : Ch. Links, 2002, ISBN 3-86153-271-9, S. 193–202