Die Tochter des Stadthauptkassenbuchhalters Robert Rogaske und der Näherin Christiane Simon wuchs in einfachen Verhältnissen auf. Nach dem Mittelschulabschluss nahm sie ab 1899 Schauspielunterricht und erhielt 1900 am Berliner Lessingtheater ein Zweijahresengagement. Daneben spielte sie recht erfolgreich auch in anderen deutschen Städten und gab Gastspiele in Warschau und Moskau. 1902 lernte sie den Berliner Bildhauer und BühnenbildnerMax Kruse kennen. Noch im selben Jahr wurde die gemeinsame Tochter Maria, genannt Mimerle, geboren.
Während Max Kruse weiterhin in Berlin arbeitete, zog sie während ihrer zweiten Schwangerschaft mit ihrer Mutter und Tochter in die Toskana und von dort wenig später zur lebensreformerischen Gemeinschaft des Monte Verità bei Ascona im Schweizer Kanton Tessin, um dort zu malen.[2] Zu Kruse bestand zu dieser Zeit zwischen 1904 und 1909 Briefkontakt, und er reiste gelegentlich zu Besuchen an. 1904 wünschte sich ihre ältere Tochter eine Puppe, und Katharina Simon beauftragte Max, eine aus Berlin mitzubringen. Kruse weigerte sich allerdings, eine der damals handelsüblichen Puppen zu kaufen, da diese ihm missfielen und er sie für „kalt und steril“ hielt.
So begann sie, für ihre eigenen Töchter Puppen zu basteln, und stellte 1905 die erste fertig.[3] Nach einem Zwischenstopp in München zog Simon wieder nach Berlin zu Max Kruse, und 1909 heiratete das Paar, das inzwischen drei Töchter hatte. 1910 wurden Käthe Kruses Puppen im Berliner Warenhaus von Hermann Tietz erstmals öffentlich ausgestellt. Da diese Anklang fanden, sollte sie die Puppen auch für andere Interessenten herstellen. Zu Anfang waren sie noch schlicht und einfach, später kunstfertig und lebensecht. Nachdem Kruse ihre Herstellung perfektioniert hatte, entwarf und fertigte sie Puppen, die ihren eigenen Kindern nachempfunden waren. Die Natürlichkeit der kleinen Geschöpfe machte Käthe Kruse schon bald bekannt und berühmt. In der Berliner Presse wurden Kruses Puppen auch als „Ei des Kolumbus“ bezeichnet. Puppen waren zwar längst nichts Neues, aber Kruses Machart, weich, biegsam und lebensecht, unterschied sich von den bisher dagewesenen.
Die Teilnahme an internationalen Puppenausstellungen brachte Käthe Kruse einige Preise ein, etwa in Florenz die „Große goldene Medaille“ sowie den jeweils ersten Platz in Frankfurt und Breslau. Zwei Aufträge aus den Vereinigten Staaten von Amerika, einer über 150 Stück von FAO Schwarz aus New York, der andere kurze Zeit später über 500 Puppen, erforderten eine eigene Werkstatt mit Angestellten. Die Familie zog 1912 von Berlin nach Bad Kösen, wo in Zukunft die bald weltberühmten Puppen in Handarbeit gefertigt wurden. Diese Handarbeit war für sie nach wie vor von großer Bedeutung:
„Die Hand geht dem Herzen nach. Nur die Hand kann erzeugen, was durch die Hand wieder zum Herzen geht.“
– Käthe Kruse
Ab 1916 begann Käthe Kruse mit der Herstellung von Puppenstubenpuppen, zu denen auch zahlreiche Bekleidungsstücke und Accessoires erschienen. Hervor stachen dabei auch kleine Soldatenpuppen, 11 cm hoch und mit bewegbaren Gliedmaßen. Immer mehr Mitbewerber begannen, industriell Puppen herzustellen, die sich an Käthe Kruses Puppen orientierten. 1925 gewann sie einen Prozess um das Urheberrecht an ihren Puppen gegen den Bing-Konzern, der auch mit „Imitation der Käthe-Kruse-Puppen“ warb. Dies stellte den ersten Fall dar, dass einem Spielzeug ein künstlerischer Urheberschutz zugesprochen wurde. Einen weiteren Meilenstein für den Betrieb stellt die ab 1928 produzierte „Puppe VIII“, auch „Das deutsche Kind“ genannt, dar, da diese erstmals Echthaar aufwies. Nachempfunden ist das Modell ihrem 1918 geborenen Sohn Friedebald.
Ab 1928 stellte das expandierende Unternehmen auch Schaufensterpuppen und Puppen für den Säuglingspflegeunterricht her, wobei an der Produktion auch maßgeblich Kruses Tochter Sofie beteiligt war. Ein weiterer Höhepunkt ihres Schaffens war die Teilnahme an der Pariser Weltausstellung 1937. Käthe Kruse war an Politik desinteressiert und passte sich an, soweit sie es für (geschäftlich) geboten hielt. So stellte sie unter anderem auch Soldatenpuppen her und begrüßte den Besuch von Reichsbankpräsident und Reichswirtschaftsminister Hjalmar Schacht an ihrem Stand im deutschen Pavillon der Weltausstellung. Sie hielt dennoch brieflichen Kontakt zu emigrierten jüdischen Freunden und weigerte sich, „halbjüdische“ Angestellte zu entlassen. Während des Krieges wurde es schwierig, das Material für die Herstellung der Puppen in Deutschland zu bekommen. So kam das Auslandsgeschäft zum Erliegen. Im Zweiten Weltkrieg fielen zwei ihrer Söhne, 1942 starb ihr Mann.
Nach dem Krieg war die Puppenproduktion in der Sowjetischen Besatzungszone kaum noch möglich. 1952 wurde ihr Unternehmen in den Volkseigenen Betrieb (VEB) Puppenwerkstätten, die heutige Kösener Spielzeug Manufaktur, umgewandelt. So gründeten zwei von Käthes Söhnen, darunter der Kinderbuchautor Max Kruse, Werkstätten in Bad Pyrmont und Donauwörth. Sie selbst ging 1954 in die Bundesrepublik Deutschland. Die von Käthe Kruse entworfenen Modelle waren erhalten geblieben und wurden immer noch per Hand hergestellt. Kruse war aus Altersgründen nicht mehr an der Produktion beteiligt. Zusammen mit ihrer ältesten Tochter Maria verbrachte sie ihre letzten Jahre in München. Sie starb am 19. Juli 1968 in Murnau und wurde auf dem Friedhof in Zell, einem Ortsteil von Schäftlarn im Landkreis München, begraben.
Wie vor 100 Jahren fertigt die Käthe-Kruse-Manufaktur in Donauwörth noch klassische Käthe-Kruse-Puppen von Hand. Diese Puppen – zumeist begehrte Sammlerobjekte bei Puppen- und Spielzeugsammlern – werden in verschiedenen Größen und Fertigungsweisen produziert. Die Puppenkörper sind entweder aus Nesselstoff und mit Reh- und Rentierhaar handgestopft oder um ein inneres Drahtskelett geschäumt und mit Trikotstoff überzogen. Die Puppenköpfe sind je nach Modell aus Polystyrol, aus Stoff oder aus Papiermachémasse gefertigt und werden von Hand bemalt. Klassische Käthe-Kruse-Puppen haben entweder gemaltes Haar oder zu Perücken geknüpftes Echthaar, in manchen Fällen Mohair. Neben den klassischen Käthe-Kruse-Puppen wurde die Produktpalette in den letzten 20 Jahren stetig erweitert. Bereits Käthe Kruses Tochter und Nachfolgerin Hanne Adler-Kruse begann, zusätzlich zu den klassischen Puppen weiche Puppen und Spielzeuge aus Frottee und Nickistoffen für Babys und Kleinkinder zu entwerfen und zu produzieren. 1990 übergaben Hanne Adler-Kruse und Ehemann Heinz Adler das Unternehmen an Andrea Kathrin Christenson-Klette und Stephen Christenson. Sie haben die traditionelle Machart der klassischen Käthe-Kruse-Puppen weitergeführt und an Hanne Adler-Kruses Idee der Baby- und Kinderspielzeugfertigung angeknüpft. Im Jahr 2013 wurde die Firma von der Hape Holding AG übernommen und firmiert als Käthe Kruse GmbH.[5]
Thomas Dahl: Käthe Kruse Puppen. Katalog und Preisführer. Verl. Puppen und Spielzeug, Duisburg 2005, ISBN 3-87463-374-8 (Beschreibung der Puppen von ersten Modellen bis heute mit detailreichen Photos, informativem Text und Preistabelle).
Gabriele Katz: Käthe Kruse. Die Biografie. Osburg Verlag, Berlin 2010, ISBN 978-3-940731-38-8. Neuausgabe Käthe Kruse. Ein Leben. Ebersbach & Simon, Berlin 2015, ISBN 978-3-86915-116-8.
Käthe Kruse, neu bearb. von Sofie Rehbinder-Kruse: Ich und meine Puppen. 5. Auflage. Herder, Freiburg i. Br. 1986, ISBN 3-451-07934-8, vormals Käthe Kruse, Das große Puppenspiel, 1951.
Max Kruse: Die versunkene Zeit – Bilder einer Kindheit im Käthe Kruse Haus (1921–1933). BoD, Norderstedt 2000, ISBN 3-89811-469-4.
Max Kruse: Die behütete Zeit – eine Jugend im Käthe Kruse Haus (1933–1945). BoD, Norderstedt 2000, ISBN 3-89811-717-0.
Max Kruse: Die verwandelte Zeit – Der Wiederaufbau der Käthe Kruse Werkstätten in Bad Pyrmont (1945–1958). Verl. Puppen und Spielzeug, Duisburg 1996, ISBN 3-87463-237-7.
Käthe Kruse, Ursula Abels: Mein liebes Bärchen. Verl. Puppen und Spielzeug, Duisburg 1996, ISBN 3-87463-234-2.
Christa Langer: Das Glückskind. Käthe Kruse und ihre Werkstatt in Bad Pyrmont. Wohlfarth Gert 1999, ISBN 978-3-87463-180-8.
Sabine Reinelt: Käthe Kruse, Leben und Werk. 2. Auflage. Kunstverl. Weingarten, Weingarten 1988, ISBN 978-3-8170-1001-1.
Sabine Reinelt: Käthe Kruse – Auf dem Höhepunkt ihres Schaffens. Verl. Puppen und Spielzeug, Duisburg 2000, ISBN 3-87463-266-0.
Siegfried Wagner (Hg.): Käthe Kruse und ihre Puppen. Naumburg (Saale) 2014. (= Buchprospekt zur Käthe-Kruse-Ausstellung im Romanischen Haus Bad Kösen).