Needham war der einzige Sohn von Joseph Needham, einem schottischen Arzt, und von Alicia Adélaide Needham, einer französisch-irischen Komponistin. Er absolvierte die Oundle School in Oundle und studierte an der Universität Cambridge, wo er 1921 seinen Bachelorgrad erhielt und 1925 promoviert. Danach arbeitete er als Biochemiker am Labor von Frederick Gowland Hopkins des Gonville and Caius College in Cambridge, vor allem über Embryologie und Morphogenese. 1936 hatte er Kontakt zu drei chinesischen Gastwissenschaftlern in seinem Labor. Eine Studentin, Lu Gwei-djen (Lu Guizhen, 1904–1991), Tochter eines Apothekers in Nanking, mit der er eine Affäre hatte und die er 1989 zwei Jahre nach dem Tod seiner ersten Frau Dorothy Moyle heiratete, lehrte ihn chinesische Schrift und brachte ihn auf die Idee, nach China zu reisen.
Er verbrachte als Wissenschaftler die Jahre von 1943 bis 1946 in Chongqing, wo er im Auftrag der Royal Society ein Projekt für chinesisch-britischen wissenschaftlichen Austausch leitete. Needham fand Kontakt zu chinesischen Gelehrten und Künstlern und reiste durch China. Er fand Hinweise, dass eine Reihe technischer Errungenschaften wie der Buchdruck, der Kompass, das Schießpulver, Hängebrücken und das Toilettenpapier, in China schon lange bekannt waren, bevor sie im Westen verbreitet waren. 1945 erschien sein erstes Buch dazu: Chinese Science. 1954 veröffentlichte er den ersten Band seines vielbändigen Werks Science and Civilisation in China, eines Standardwerks auf dem Gebiet der chinesischen Wissenschaftsgeschichte, das allerdings nicht unumstritten ist. Insbesondere wurde kritisiert, dass er die Bedeutung chinesischer Erfindungen übertrieben habe.[1] Das Werk wurde von Coautoren auch nach seinem Tod fortgesetzt. Er verwendete für dieses Werk ein eigens geschaffenes Transkriptionssystem, eine modifizierte Wade-Giles-Transkription, die u. a. dessen übermäßigen Gebrauch von Apostrophzeichen bei aspiriertenAnlauten vermeidet, indem es den Apostroph durch den Buchstabenh ersetzt. Für die Frage, warum der Westen trotz des früheren hohen Standes der chinesischen Wissenschaft diese am Ende überholte (Needhams Grand Question) machte Needham die Einflüsse des Konfuzianismus und Daoismus verantwortlich.
1946 leitete er die Abteilung Naturwissenschaften bei der UNESCO in Paris und kehrte 1948 ans Gonville and Caius College in Cambridge zurück, wo er sich hauptsächlich chinesischer Wissenschaftsgeschichte widmete, aber auch noch bis 1966 Biochemie unterrichtete. 1966 wurde er Master des Caius and Gonville College. 1990 ging er in den Ruhestand. Seit 1982 litt er an der Parkinsonkrankheit.
Infolge des Koreakrieges stand er 1952/53 einer internationalen Kommission vor, die US-amerikanische Kriegsverbrechen, bezüglich des Einsatzes biologischer Kampfstoffe in Nordkorea, feststellte.[2] Nach Angaben seines Biographen Simon Winchester war er allerdings ein naiver Bewunderer des Kommunismus, der in diesem Zusammenhang von den Nordkoreanern hinters Licht geführt wurde.[3] Needhams Beteiligung an dieser Kommission führte auch dazu, dass er in den USA bis in die 1970er Jahre auf einer „schwarzen Liste“ stand. 1965 gründete er mit dem ehemaligen Diplomaten Derek Bryan die Gesellschaft für Englisch-Chinesische Verständigung, über die lange Jahre Visum-Anträge von Briten laufen mussten, die China besuchen wollten.
Trivia
Neben seinem ursprünglichen Namen trug er auch einen chinesischen Rufnamen. Bei viele Sinologen und in China selbst ist er überwiegend als Li Yuese (chinesisch李約瑟 / 李约瑟, PinyinLǐ Yuēsè, JyutpingLei5 Joek3sat1) bekannt.
Teil 2 General Conclusions and Reflections (Kenneth Girdwood Robinson, Ray Huang), 2000
Eine kürzere Fassung gab Colin Ronan in fünf von 1980 bis 1995 erschienenen Bänden heraus (The Shorter Science and Civilisation: An abridgement of Joseph Needham’s original text).
Deutschsprachige Ausgaben
Chinas Bedeutung für die Zukunft der westlichen Welt. Dt. China-Gesellschaft, Köln 1977.
Wissenschaft und Zivilisation in China. Teil 1. Übers.: Rainer Herbster. Suhrkamp, Frankfurt 1984, ISBN 3-518-57692-5; Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft 754, 1988. ISBN 3-518-28354-5.
Wissenschaftlicher Universalismus. Über Bedeutung und Besonderheit der chinesischen Wissenschaft. Hrsg., Übers.: Tilman Spengler. Suhrkamp, Frankfurt 1993; Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft 264, ISBN 3-518-27864-9.
Weitere Veröffentlichungen (Auswahl)
mit L. Wang und Derek de Solla Price: Heavenly Clockwork. The great astronomical clocks of medieval China. Cambridge University Press, 1960.
mit Lu Gwei-Djen: The coming of ardent water. In: Ambix. Band 19, 1972, S. 69–112.
Literatur
Gordon Barrett: Picturing Chinese science: wartime photographs in Joseph Needham's science diplomacy. In: The British Journal for the History of Science. Bd. 56 (2023), Nr. 2, S. 185–203 (doi:10.1017/S0007087423000110).
Gregory Blue: Joseph Needham – A Publication History. In: Chinese Science. Nr. 14, 1997, S. 90–132.
Maurice Goldsmith: Joseph Needham: 20th century Renaissance man. Unesco Publications, Paris 1995, ISBN 92-3-103192-9.
S. Irfan Habib, Dhruv Raina (Hrsg.): Situating the history of science: dialogues with Joseph Needham. Oxford University Press, New Delhi 2001, ISBN 0-19-564639-8.
Sushil Kumar Mukherjee (Hrsg.): The life and works of Joseph Needham. Asiatic Society, Calcutta 1997.
Simon Winchester: Der Mann, der China liebte. Wie ein exzentrischer Engländer unser Bild vom Reich der Mitte neu bestimmte. Albrecht Knaus, München 2009, ISBN 978-3-8135-0287-9.
↑Robert Finlay China, the West, and World History in Joseph Needham's Science and Civilisation in China, Journal of World History, Bd. 11, 2000, S. 265–303