Josef Garbáty hatte mit seiner Frau Rosa Rahel zwei Söhne, Eugen Garbáty (1880–1970) und Moritz Garbáty (1892–1965). Der Name „Garbáty“ stammt aus dem Belarussischen und bedeutet „Der Bucklige“. Die Familie wanderte aus der früher mehrheitlich von Juden bewohnten und seit 1795 zum Russischen Reich gehörenden Stadt Lida nach Preußen aus. Ende des 19. Jahrhunderts eröffnete Garbáty seine erste Zigarettenfabrik in der Schönhauser Allee mit der Erfolgsmarke Königin von Saba. Ab 1906 zog die Fabrikation in die Hadlichstraße nach Berlin-Pankow, wo sie bis Ende der 1930er Jahre als eines der größten Pankower Unternehmen produzierte.
Der Enkel des Firmengründers, der Philologie-Professor Thomas J. Garbáty (* 10. Januar 1930 in Berlin; † 29. Juli 2009 in Ann Arbor), lebte bis zu seinem Tod in den USA. Er war bis zuletzt Mitglied des Kuratoriums des Vereins der Förderer und Freunde des ehemaligen Jüdischen Waisenhauses in Pankow e. V.[3][4]
Berliner Zigarettenimperium
Bereits im Jahre 1879 begann Josef Garbáty-Rosenthal gemeinsam mit seiner Frau Rosa Rahel, Zigaretten und Tabakwaren in Heimarbeit herzustellen. Im Jahre 1881 gründete Josef Garbáty-Rosenthal sein Zigarettenunternehmen an der Schönhauser Allee, welches er 1906 nach Pankow verlegte. An der Berliner und an der Hadlichstraße in unmittelbarer Nähe zum S-Bahnhof Pankow wurden die Fabrikgebäude nach Plänen von Paul Ueberholz errichtet.
Bereits bei der Anlage der Firmengebäude vorgesehen waren umfangreiche Sozialräume, wie Betriebskantine, Pausenräume, Bäder, eine Betriebswäscherei und eine Betriebsbibliothek. Für die Arbeiter und Angestellten bei Garbáty erschien regelmäßig eine Betriebszeitung, es gab eine Arbeitslosenfürsorge, einen Werkchor und einen Betriebssportclub.
Im Jahre 1918, neun Jahre vor Einführung der staatlichen Arbeitslosenversicherung, waren die 1.000 Angestellten des Unternehmens bereits arbeitslosenversichert. Ab 1908 wurden Frühstück und Mittag in der Kantine angeboten.
Das Unternehmen veranstaltete für seine Beschäftigten noch bis in die 1930er Jahre hinein regelmäßige Bälle, so den Alpenball oder den Kirmesball, jeweils im Februar im Deutschen Hof. Für Leistungen aus der Betriebskantine wurde mit Garbátys (Kantinengeld) bezahlt.
Nachdem 1906 das erste Fabrikgebäude in der Hadlichstraße in Betrieb genommen worden war, entstand 1912 ein zweites Gebäude in unmittelbarer Nähe in der Berliner Straße. Mit Errichtung des dritten Fabrikgebäudes und dessen Inbetriebnahme im Jahre 1931 hatte Garbáty fast 1.600 Beschäftigte, darunter einen großen Anteil Frauen. Sie waren insbesondere im Banderoliersaal eingesetzt.
Garbáty hatte in vielen Staaten Europas bereits vor dem Ersten Weltkrieg Niederlassungen errichtet. Es gab Garbáty-Zigaretten auch in den damaligen deutschen Kolonien, in Amerika und Asien. Die Zigaretten Garbátys waren auch in Russland als Garbáty Papirossi geschätzt. Garbáty brachte es zum Herzoglich-Sächsischen Hoflieferanten und zum Lieferanten für die Regierung des damaligen Italiens. Bekannteste damalige Zigarettenmarke war die Königin von Saba, die erste ägyptische Zigarette in Berlin. Garbáty hatte das Warenzeichen 1887 eintragen lassen und 1898 wurde sie auch patentrechtlich geschützt. Die Zigaretten wurden von den Fahrern mit den Saba-LKWs zu den Händlern gebracht. Ab 1928 kam dann die Kurmark als sehr erfolgreiche Marke hinzu.
In den 1920er Jahren waren Zigarettenbilder – Sammelbilder in der Zigarettenverpackung – sehr beliebt. So gab es auch von der Garbátyfabrik Sammelreihen zu verschiedensten Themen, so zum Beispiel die in den 1930er Jahren entstandenen Serien
Deutsche Heimat – Eine Sammlung von Bildern, die von deutscher Geschichte und wirtschaftlicher Stärke des deutschen Volkes Zeugnis ablegen sollen mit 144 Abbildungen im Format 1.5" × 2.5",
die international verbreitete Serie Gallery of Modern Beauty mit 300 Farbdruckabbildungen im Format 2 1/16" × 2 7/16",
Schienenwunder – Ein wahres Märchen aus der Wunderwelt des Schienenstranges, von Luxuszügen, Schienenzepp’s und Torpedobussen,[5]
Von Friedrich dem Großen bis Hindenburg – 255 ruhmreiche deutsche Wappen,
Sport-Wappen I Fußball mit 645 Bildern von Vereinswappen, und weitere Sammelserien.[6]
Zu jeder Zigarettenbildserie gab es das passende Sammelalbum mit den vorgedruckten Abbildungen, die nun nur noch gesammelt oder auch getauscht und eingeklebt werden mussten. Die Alben wurden auf Anforderung kostenlos zugeschickt.
Das Zigarettenimperium Garbáty hatte die Herstellung der Verpackungen für die Zigaretten in Eigenregie übernommen. Auf den Gewerbegrundstücken der Hadlichstraße 19/20, welche durch die 1919 als Tochtergesellschaft der Garbáty-Zigarettenfabrik gegründete Pappen- und Papier-Verarbeitungs-AG erworben wurden, wurden mit modernsten Maschinen Verpackungsmaterial und Plakate für unterschiedlichste Abnehmer hergestellt. Nur ein Teilprodukt aus der umfangreichen Palette waren hierbei die Zigarettenverpackungen. Um 1927 beschäftigte das Unternehmen ca. 800 Menschen.
Alleininhaber der Pa-Pa-Ge-Aktien waren die Brüder Eugen und Moritz Garbáty. 1929 wurde der Betrieb an die Firma Reemtsma aus Hamburg verkauft. Die beiden Söhne von Josef Garbáty übernahmen ab 1929 die Garbáty-Zigarettenfabrik. Sie firmierte nunmehr als Garbáty Cigarettenfabrik GmbH. Reemtsma stellte den Betrieb der Pa-Pa-Ge Anfang der 1930er Jahre ein, danach war hier das Arbeitsamt Nordost untergebracht.
Anfang der 1930er Jahre verschärfte sich der Konkurrenzkampf in der Tabakindustrie, ein Monopolisierungsprozess nahm seinen Lauf: 50 % der Firma, der Anteil Eugen Garbátys, wurde vom Reemtsma-Konzern übernommen. Moritz Garbáty war nun alleiniger Leiter der Fabrik bis 1938. Er musste aber monatlich nach Hamburg zu den Besprechungen in die Reemtsma-Zentrale.
Mit HitlersMachtergreifung begann eine schwere Zeit für die Familie Garbáty. Im Jahre 1935 wurde die GmbH in eine Kommanditgesellschaft mit dem Namen Zigarettenfabrik Garbáty K.G. umgewandelt, die dann 1938 zwangsverkauft wurde. Dadurch verlor die Familie Garbáty ihren gesamten Berliner Grundbesitz von etwa 45.000 Quadratmetern Fläche.
Die Familie Garbáty verkaufte auch ihren seit Anfang 1900 in Familienbesitz befindlichen Erholungssitz, das Schloss Altdöbern (Lausitz), an eine Adelsfamilie, die dann wiederum nach dem Krieg in der sowjetischen Besatzungszone zwangsenteignet wurde.
Der Mäzen
Moritz Garbáty initiierte den Garbáty-Sportclub G.S.C., dessen Vorsitz er innehatte. Die Vereinsfarben des Klubs waren blau und gelb. Die Radfahrer des Sportklubs trugen Trikots mit dem Schriftzug von Garbáty. Die Firma Garbáty war darüber hinaus Sponsor verschiedenster Sportveranstaltungen wie Läufe, Radrennen und Fußballturniere. So stiftete das Unternehmen für die Internationale Radfernfahrt Zürich-Berlin im Jahr 1925, die vom Bund Deutscher Radfahrer organisiert wurde, den Garbáty-Pokal.
Als in Berlin im Jahre 1936 die Olympischen Spiele ausgetragen wurden, verschickte das Unternehmen Ansichtskarten an seine Geschäftspartner.
Direkt neben der Zigarettenfabrik von Garbáty befand sich ein Waisenhaus für jüdische Kinder in der Berliner Straße 120/121. Dieses unterstützte Garbáty großzügig, bis es von den Nazis zwangsgeräumt und anschließend als Pankower Außenstelle des Reichssicherheitshauptamtes genutzt wurde.
Nach dem Zweiten Weltkrieg
Die Fabrikgebäude hatten den Zweiten Weltkrieg relativ unversehrt überstanden. Da auch nach dem Krieg das Rauchen ein ungebrochenes Bedürfnis war, lag es im Interesse der Besatzungsmächte, die Zigarettenproduktion wieder aufzunehmen. So wurden die während des 1. Mai 1945 geplünderten und ausgebrannten Fabrikgebäude der Zigarettenfabrik, die trotz der allgemeinen Enteignung noch als Kommanditgesellschaft existierte, wieder in Betrieb genommen.
Zigaretten gab es damals in den WestsektorenBerlins auf dem Schwarzmarkt oder in der sowjetischen Besatzungszone auf Zigaretten-Bezugsmarken. Auch die Intelligenz in der sowjetischen Besatzungszone kam nicht ohne Zigaretten aus. So hieß es in einem Bittbrief des DichtersJohannes R. Becher vom 27. April 1946 an den damaligen Pankower Bürgermeister Mätzchen:
„Wir haben für die engeren Mitarbeiter des Kulturbundes bisher von der Garbáty-Zigarettenfabrik, Herrn Direktor Limberger, eine kleine Anzahl Zigaretten bekommen, aber wie uns Herr Limberger mitteilen ließ, soll diese Lieferung schon im Mai eingestellt werden. Wir bitten Sie doch sehr, Herr Bürgermeister, Herrn Limberger dahingehend zu beeinflussen, dass er die liebenswürdige Spende fortsetzt.“
Nach der Gründung der DDR wurde die Garbátysche Kommanditgesellschaft in Volkseigentum überführt und bekam den Namen VEB Garbáty. Ein Jahr vor dem Bau der Berliner Mauer wurden die volkseigenen Betriebe Garbáty und der VEB Josetti zur Berliner Zigarettenfabrik (Bezifa) zusammengeschlossen. Ab diesem Moment gab es den Namen Garbáty nicht mehr im Pankower Stadtbild. Bis zur Wende bestanden in der DDR die VEB Vereinigte Zigarettenfabriken, Werk Berlin mit knapp 500 Beschäftigten. Dieses Werk versorgte von seiner modernen Produktionsstätte an der Berliner Straße aus die Raucher in der DDR mit Zigaretten der Marken Club, Cabinet und Karo.
Die Garbáty-Villa in der Berliner Straße 127 diente in der DDR-Zeit als Wohnsitz des bulgarischen Botschafters. Im Gebäude des benachbarten jüdischen Waisenhauses befand sich bis zur Wende die kubanischeBotschaft.
Nach 1990
Rechtzeitig, nämlich einen Tag vor der deutschen Vereinigung am 2. Oktober 1990 verkaufte zu einem Spottpreis die Treuhand der „Noch“-DDR das Recht am in der DDR sehr erfolgreichen Zigarettennamen Club, die bisher im Berliner Werk der Vereinigte Zigarettenfabriken hergestellt wurde an die Reynolds Tobacco GmbH Köln. Da lediglich der Markenname weiter verkauft worden war, ruhte ab 3. Oktober 1990 die Produktion in Pankow.
1991 wurden auch die Maschinen und die Immobilien verkauft. Es gab 1993 einen Versuch der Lübecker Zigarettenfabrik GmbH, in Pankow die Produktion fortzuführen, der aber 1995 mit dem Konkurs der Firma endete, und das Werk wurde geschlossen. Die Zigarettenproduktion in Pankow war nunmehr, nach etwa 100 Jahren seit ihrem Beginn, Geschichte. Leere denkmalgeschützte Gebäude blieben übrig. Bis 2012 wurde das Fabrikgebäude zu einem Wohngebäude mit mehr als 160 Wohneinheiten umgebaut.
Der ehemalige Tabakspeicher hinter dem Gebäude des jüdischen Waisenhauses beherbergt heute eine Schule.
Die Gebäude in der Hadlichstraße 19/20 werden als Gewerbegebiet Forum Pankow vielfältig genutzt.
Nach mehrjährigem Leerstand erwarb Wolfgang Seifert, Betreiber einer Berliner Zeitarbeitsfirma und Schatzmeister des rechtsextremen Hoffmann-von-Fallersleben-Bildungswerk, die Villa Garbáty samt Gelände im Jahre 1998. In diesem Zusammenhang entstand größere medienwirksame Aufregung, da der neue Besitzer das Grundstück ab 1999 an die Pankower Republikaner für fünf Jahre vermietete. Diese gaben aber im Jahre 2003 die Villa wieder auf. Mittlerweile ist sie Sitz der Libanesische Botschaft in Berlin.
Das Gebäude des ehemaligen jüdischen Waisenhauses wurde 2001 mit einem neuen Nutzungskonzept vom Förderverein des ehemaligen Jüdischen Waisenhauses wiedereröffnet und als öffentliche Bibliothek betrieben. Es bekommt wiederum Spenden, diesmal vom Enkel Josef Garbátys, Thomas Garbáty. Von 1999 bis 2009 gab es in der Breiten Straße 43 das Café Garbáty, das danach in die Mühlenstraße 30 umgezogen ist und diesen Namen zur Erinnerung an die Familie Garbáty trägt.
Ehrung
Im Zusammenhang mit der Verlängerung der U-Bahn-Linie 2 von der Vinetastraße bis zum S-Bahnhof Pankow und der sich daraus ergebenden Neugestaltung des Bahnhofsvorplatzes erfolgte am 16. September 2000
die Benennung des Platzes zu Ehren des jüdischen Zigarettenfabrikanten und Berliners Josef Garbáty in „Garbátyplatz“. Die Namensgebung geschah nach dem Festakt zur Eröffnung des U-Bahnhofes Pankow.
Am 29. Juni 2002 wurde auf dem Garbátyplatz zu Ehren des sozialen Engagements über sein Wirken als Unternehmer hinaus der Schriftzug Garbáty, ein Entwurf der Berliner Künstlerin Susanne Ahner, aufgestellt. In Ergänzung zu dieser Arbeit wurde eine Schrifttafel in den Boden eingelassen, die auf das soziale Engagement des Unternehmers Josef Garbáty verweist.
Teile dieses Abschnitts, die folgen, scheinen seit 2013 nicht mehr aktuell zu sein. Bitte hilf uns dabei, die fehlenden Informationen zu recherchieren und einzufügen.
Schriftzug und Schrifttafel waren seit April 2011 nicht sichtbar, da der Platz mit einem Handels- und Ärztezentrum bebaut wurde. Zumindest der Schriftzug sollte nach Abschluss weiterer Umbauarbeiten wieder lesbar sein.[7] Probleme mit der Fassadengestaltung des Gebäudes müssen im Jahr 2013 noch behoben werden (→siehe Garbátyplatz).
Literatur
Das Jüdische Waisenhaus in Pankow – Verein der Förderer und Freunde des ehemaligen Jüdischen Waisenhauses in Pankow e. V. 2001.
Freundeskreis der Chronik Pankow e. V. Dietzgenstraße 42, 13156 Berlin.
Beater Meyer: „,Arisiert‘ und ausgeplündert. Die jüdische Fabrikantenfamilie Garbáty“. In: Beate Meyer, Hermann Simon (Hrsg.): Juden in Berlin 1938–1945. Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung in der Stiftung „Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum“ Mai bis August 2000, Berlin 2000, S. 77–87.