Johann Nepomuks Vater Franz Paul Nußbaum (1797–1836) war Geheimer Ministerialsekretär im bayerischen Justizministerium. Die Mutter Anna geborene Mair starb 1863. Sein einziger Bruder Franz Nußbaum wirkte als Jesuit und Bischof in Amerika.
Ausbildung und Beruf
Johann Nußbaum wuchs in München auf und besuchte bis zum Abitur 1849 das Wilhelmsgymnasium München.[1] Seine naturwissenschaftliche Begabung, vor allem das mathematische Talent, wurde bereits während der Schulzeit deutlich. Von Kindheit an neigte er zu körperlicher Gebrechlichkeit, dennoch war sein ganzes Leben von unermüdlichem Arbeitswillen geprägt.
Seit 1862 litt Nußbaum an schweren Kopfschmerzen als Spätfolge einer Hirnhautentzündung, die er regelmäßig mit Morphium bekämpfte, da er glaubte, dieses Opiat sei völlig unschädlich. Der Morphinismus schwächte ihn jedoch zunehmend und führte im letzten Lebensjahrzehnt zu Schwerhörigkeit und einer sehr belastenden abnormen Knochenbrüchigkeit. Im Privatleben war Johann von Nußbaum „eine volkstümliche Erscheinung Altmünchens, der mittellose Kranke nicht nur kostenlos behandelte, sondern auch unterstützte, ein bekenntnistreuer Katholik in der Zeit des Kulturkampfs und ein deutschnationaler Patriot.“[2]
Grabstätte
Die Grabstätte von Johann von Nussbaum befindet sich auf dem Alten Südlichen Friedhof in München (Mauer Rechts im Spitz Platz 15 gegenüber Gräberfeld 18) Standort48.12744444444411.564055555556.
Leistung
Auf die außerordentliche chirurgische Begabung und Originalität wiesen schon frühe Arbeiten zur Augenheilkunde hin. Nußbaum war als Chirurg weit bekannt und führte im Laufe seines Lebens fast 25.000 Operationen durch, davon mehr als 600 Ovariotomien (Inzision oder Spaltung der Eierstöcke), eine Operation, die er in London bei Spencer Wells erlernt hatte. Weitere operative Schwerpunkte umfassten die Orthopädie sowie die Bauch- und Nervenchirurgie.
Nußbaum veröffentlichte etwa 100 größere Originalarbeiten, hauptsächlich Beschreibungen seiner chirurgischen Operationen sowie Ratschläge zur Wundbehandlung, Verbands- und Nahttechnik (schmerzlose unblutige Sekundärnaht). Er führte unter anderem Knochentransplantationen, Knieresektionen, Krebsoperationen, Hernien-Radikaloperationen, Bluttransfusionen und plastisch-chirurgische Operationen durch. Zur Verlängerung und Verstärkung der Narkose mit Chloroform führte er die zusätzliche Morphininjektion in die Anästhesie ein.[3] Er war darüber hinaus ein geschätzter und beliebter Universitätslehrer. Nußbaums größtes Verdienst war die, den Einsatz des die Wunden oftmals noch vergrößernden Glüheisen ablösende,[4] Einführung der antiseptischen Wundbehandlung 1874, die er bei Joseph Lister in Edinburgh kennengelernt hatte. Beeinflusst vor allem durch die deprimierenden Erfahrungen mit verletzungsbedingtem Wundbrand (genannt auch Hospitalbrand), die er während der deutsch-französischen Kriege 1866 und 1870/71 als Kriegschirurg machte, wurde er zu einem der bedeutendsten Befürworter der Antisepsis in Deutschland. Sein Leitfaden zur antiseptischen Wundbehandlung erlebte fünf Auflagen und wurde in mehrere Fremdsprachen übersetzt. Nußbaum verbesserte nach Listers Vorgaben erfolgreich die operative Hygiene und benutzte zunächst Karbol, später Jodoformgaze als Desinfektionsmittel.
Namensgeber für Straße und Park
Nach Johann Nussbaum wurde im November 1890 (kurz nach dessen Tod) in München im Klinikviertel (Stadtbezirk 2 - Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt) (⊙48.1332111.562) - die bis dahin Krankenhausstraße[5] genannte Straße - in Nussbaumstrasse umbenannt.[6][7] Die Klinik für Allgemeine, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie des Klinikums der Universität München liegt an der Nußbaumstraße. Dort befindet sich auch der nach Johann Nussbaum benannte Nußbaumpark.
Die Vereinigung der Bayerischen Chirurgen vergibt im Rahmen ihrer Jahrestagung den Johann-Nepomuk-von-Nußbaum-Preis für die beste eingereichte Arbeit aus der Chirurgie und ihren Grenzgebieten.[8]
Veröffentlichungen
De cornea artificialis. Medizinische Dissertation München 1853.
Behandlung der Hornhauttrübungen mit besonderer Berücksichtigung der Einsetzung einer künstlichen Hornhaut. Medizinische Habilitationsschrift München 1857.
Pathologie und Therapie der Ankylosen. München 1862.
Anaesthetica. In: Pitha-Billroths Handbuch der Chirurgie. I. Band, 2. Abteilung. 1867, S. 575–617.
Sonst und jetzt in der Wundbehandlung. München 1869.
Die Verletzungen des Unterleibes (= Deutsche Chirurgie. Lieferung 44). Enke, Stuttgart 1880.
Eine kleine Hausapotheke. 3. Auflage. Berlin 1882.
Über Chloroformwirkung. Breslau 1885.
Die erste Hilfe bei Verletzungen. 2. Auflage. Augsburg 1886.
Neuer Versuch zur Radikaloperation der Unterleibsbrüche. München 1886.
Neue Heilmittel für Nerven. Breslau 1888.
Literatur
August Hirsch (Hrsg.): Biographisches Lexikon der hervorragenden Ärzte aller Zeiten und Völker. Band 4: Maack – Salzmann. 2. Auflage durchgesehen und ergänzt. Urban & Schwarzenberg, Berlin u. a. 1932, S. 394–395.
J. Lindpaintner: Johann Nepomuk von Nußbaum. In: Münchner Medizinische Wochenschrift. 37, 1890, ISSN0341-3098, S. 816–818.
J. Fessler: Zum hundertsten Geburtstag des Chirurgen von Nussbaum. In: Zentralblatt für Chirurgie. 56, 1929, ISSN0044-409X, S. 2178–2183.
H. Kerschensteiner: Geschichte der Münchener Krankenanstalten insbesondere des Krankenhauses links der Isar. 2. Auflage. J. F. Lehmanns Verlag, München u. a. 1939, S. 248–251.
Video bei ARD-Alpha, 16 Min. (Online bis 11. Mai 2022) Geschichten Großer Geister: Not macht erfinderisch Max Josef von Pettenkofer (1818–1901/Chirurg und Begründer der modernen Hygiene), Dr. Hope Bridges Adams-Lehmann (1855–1916/erste praktizierende Ärztin in München) und Johann Nepomuk von Nußbaum (1829–1890/Chirung) diskutieren auf dem einer Bühne im alten Südlichen Friedhof.
Einzelnachweise
↑Max Leitschuh: Die Matrikeln der Oberklassen des Wilhelmsgymnasiums in München, 4 Bde., München 1970–1976; Bd. 4, S. 47
↑Nussbaum, Johann in: Max Joseph Hufnagel, Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München, 4. Auflage, 1983, ISBN 3-924078-00-9, Seite 50, Nr. 40
↑Barbara I. Tshisuaka: Nußbaum. Johann Nepomuk von. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1061.
↑Friedrich Wilhelm Gierhake: Asepsis. In: Franz Xaver Sailer, Friedrich Wilhelm Gierhake (Hrsg.): Chirurgie historisch gesehen. Anfang – Entwicklung – Differenzierung. Dustri-Verlag, Deisenhofen bei München 1973, ISBN 3-87185-021-7, S. 33–42, hier: S. 33 f.