Johann Gildemeister (Orientalist)

Johann Gustav Gildemeister. Lithografie und Druck Franz Hanfstaengl in München

Johann Gustav Gildemeister (* 20. Juli 1812 auf dem Hofgut Klein-Siemen (heute Kröpelin), Herzogtum Mecklenburg; † 11. März 1890 in Bonn) war ein deutscher Orientalist.

Leben

Johann Gildemeister besuchte das Gymnasium in Bremen und wurde von Friedrich Adolph Krummacher im Hebräischen unterrichtet. Ab 1832 studierte er in Göttingen bei Heinrich von Ewald und 1834 bis 1836 an der Bonner Universität Theologie und orientalische Sprachen bei August Wilhelm von Schlegel, Christian Lassen und Georg Wilhelm Freytag. Er lebte dann ein Jahr in Leiden und Paris, um die dortigen Handschriftenbibliotheken zu benutzen. Gildemeister promovierte 8. September 1838 in Bonn. Er lehrte seit 1839 als Privatdozent in Bonn, war dort seit 1844 als außerordentlicher Professor für orientalische Sprachen. An der Universität Marburg seit 1845 zum Professor der Theologie und orientalischer Literatur berufen, 1848 auch dort Bibliothekar.[1] 1859 wurde er als ordentlicher Professor für orientalische, speziell semitische, Sprachen nach Bonn zurückgerufen. Er war Mitglied der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft und des Deutschen Vereins zur Erforschung Palästinas. Im Herbst 1889 zwang ihn seine verschlechterte Gesundheit seine Lehrtätigkeit einzustellen. Einer seiner bedeutenden Schüler jener Zeit war Eugen Prym.

1840/41 war er mit Bruno Bauer befreundet.[2] 1852 heiratete er seine Kusine Johanna Gildemeister.

Ein Teil seines handschriftlichen Nachlasses wird Philipps-Universität Marburg aufbewahrt.[3] Die Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt Bibliothek der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft bewahrt einen Teil seiner persönlichen Bibliothek.[4]

Werke

  • Dissertationis de rebus Indiae, quo modo in Arabum notitiam venerint, pars prior, quam una cum Masudii loco ad codd. Parisiens. fidem recensito. Baaden, Bonn 1838 (Dissertation) (Digitalisat)
  • Die falsche Sanscritphilologie, an dem Beispiel des Herrn Dr. Hoefer in Berlin aufgezeigt. H. B. König, Bonn 1840 Digitalisat
  • Kalidasae Meghaduta et Çringaratilaka: ex recensione J. Gildemeisteri; additum est glossarium. H. B. König, Bonn 1841. Digitalisat
  • Blendwerke des Vulgaren Rationalismus zur Beseitigung des Paulinischen Anathema. C. Schünemann, Bremen 1841 Digitalisat
  • Beiträge zu dem Bremischen Magazin der Herren Paniel, Weber und Paulus : Nebst einem kritischen Excurs über Paniels Geschichte der christlichen Beredsamkeit. C. Schünemann, Bremen 1842
  • Der heilige Rock zu Trier und die zwanzig andern heiligen ungenähten Röcke. Eine historische Untersuchung von J. Gildemeister u. H(einrich) von Sybel. Julius Buddeus 1844 Digitalisat (3. Aufl. 1845) Digitalisat.
  • Bibliothecae Sanskritae sive recensvs librorvm sanskritorvm hvcvsque typis vel lapide exscriptorvm critici specimen. König, Bonn (u. a.) 1847.
  • Amtliches Gutachten der theologischen Facultät zu Marburg über die hessische Katechismus- und Bekenntnißfrage. Elwert, Marburg 1855 Digitalisat
  • Das Gutachten der theologischen Facultät zu Marburg über die hessische Bekenntnissfrage und seine Bestreiter. Entgegnung. H.L. Brönner, Frankfurt a. M. 1859.
  • Ueber die an der königl. preussischen Universität Bonn entdeckten neuen Fragmente des Macarius. F. A. Brockhaus, Leipzig 1866 Digitalisat
  • Christian Lassen: Anthologia Sanscritica: glossario instructa; in usum scholarum; ed. Christianus Lassen. Denuo adornavit Ioannes Gildemeister. Adolf Marcus, Bonn 1868. Digitalisat Neuherausgabe und Neubearbeitung der Ausgabe Bonn 1835.
  • Bruchstücke eines rabbinischen Hiob-Commentars ; Als Manuscript in einigen Exemplaren. Carl Georgi, Bonn 1874
  • Muammad Ibn-Muammad al-Idrs: Idrîsîi Palaestina et Syria arabice ad fidem librorum manu scriptorum. Georg, Bonn 1885.
  • Orientalische Literatur über die Entdeckung Americas. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen, Jg. 5, 1888, S. 303–305 (Digitalisat).
  • Antonini Placentini. Itierarium im unentstellten Text mit deutscher Übersetzung. Hrsg. von J. Gildemeister. H. Reuters Verlagsbuchhandlung, Berlin 1889 Digitalisat
  • Briefe 1831–1888, hrsg. von Michaela Hoffmann-Ruf, 4 Bände. EB-Verlag, Berlin 2016, ISBN 978-3-86893-136-5.

Außerdem hat er wertvolle Abhandlungen zur Kenntnis der orientalischen Literatur in der „Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes“ und anderen Zeitschriften veröffentlicht.

Literatur

  • J. B. H. Ney: Der h. ungenähte Rock Christi zu Trier, und außer diesem kein Anderer. Widerlegung der historischen Untersuchungen von Dr. J. Gildemeister u. Dr. von Sybel, durch die von ihnen selbst angeführten Citate in ihrem Werkchen, betitelt: Der heilige Rock zu Trier und d. zwanzig andern h. ungenähten Röcke. Trier 1845.
  • Franz Jakob Clemens: Der heilige Rock zu Trier und die protestantische Kritik. Zur Würdigung der Schrift: Der heilige Rock zu Trier und die zwanzig andern heiligen ungenähten Röcke. Eine historische Untersuchung, von J. Gildemeister und H. Sybel. Blum, Coblenz 1845.
  • Ueber Reliquien, insbesondere über den sogenannten heiligen Rock zu Trier. Nebst einem Auszug aus Dr. Gildemeister u. Dr. von Sybel „Der heilige Rock zu Trier und die 20 anderen heiligen ungenähten Röcke“. Neidhard, Speyer 1845.
  • Wilhelm Böhmer: Der heilige Rock in Trier und kein anderer, oder: die kritischen Schneider in Bonn, das ist: Ungelehrte Widerlegung des gelehrten Buches: „Der heil. Rock zu Trier und die zwanzig andern heil. ungenähten Röcke“ von Dr. J. Gildemeister und Dr. H. v. Sybel, Professoren in Bonn, von einem Koblenzer Pilger. 4. Aufl., Koblenz 1854.
  • Heinrich Joseph Floß: J. Gildemeister und das Bonner Universitätsprogramm zum 3. August 1866. Eine kritische Würdigung der aus der Berliner Handschrift Nro 18 veröffentlichten griechischen Fragmente. Herder’sche Verlagshandlung, Freiburg 1867 (Digitalisat).
  • Hermann Guthe: Nekrolog Johann Gildemeister. In: Zeitschrift des Deutschen Palaestina-Vereins. Band XIII, K. Baedeker, Leipzig 1890, S. III-V Archive
  • Michaela Hoffmann-Ruf: „Es war einfach nothwendig, so und nicht anders zu schreiben.“ Der Orientalist Johann Gustav Gildemeister (1812–1890) und seine Zeit. V&R unipress / Bonn Univ. Press, Göttingen 2014, ISBN 978-3-8471-0242-7.
  • Manuel Joël: Gegen Gildemeister. Herrn Professor Gildemeisters Gutachten über den jüdischen Ritualcodex (Schulchan Aruch) und das Verhältniss der Juden zu demselben. Kritisch beleuchtet. Schottlaender, Breslau 1884 (Digitalisat).
  • Hermann JakobiGildemeister, Johannes Gustav. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 49, Duncker & Humblot, Leipzig 1904, S. 354–359.
  • Johann Gustav Gildemeister, In: Karl Bader: Lexikon deutscher Bibliothekare im Haupt- und Nebenamt bei Fürsten, Staaten und Städten. Harrassowitz, Leipzig 1925, S. 76 (Zentralblatt für Bibliothekswesen. Beiheft 55).
  • Christoph Waldecker: „Natürlich hat man Ursache die nähere Untersuchung zu scheuen“. Johann Gustav Gildemeister und die Ausstellung des Heiligen Rockes zu Trier 1844. In: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte nebst Berichten zur kirchlichen Denkmalpflege. Im Auftr. d. Gesellschaft für Mittelrheinische Kirchengeschichte, Bd. 48, Mainz 1996, S. 391–406.
  • Christoph Waldecker: Die erste Promotion an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn, in: Annalen des historischen Vereins für den Niederrhein 203 (2000) S. 145–154.
  • Gildemeister, Johannes Gustav. In: Deutsche biographische Enzyklopädie der Theologie und der Kirchen (DBETh), Bd. 1: A–L. Saur, München 2005, S. 501.
  • Klaus-Gunther Wesseling: Gildemeister, Johannes Gustav. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. 34: Ergänzungen XXI. Bautz, Nordhausen 2013, ISBN 978-3-88309-766-4, Spalte 380–396.

Einzelnachweise

  1. Michaela Hoffmann-Ruf: „Einer der gescheidsten Männer, die ich je habe kennen lernen“. Johann Gustav Gildemeister und die orientalischen Studien im 19. Jahrhundert. EBVerlag, Berlin 2016, ISBN 978-3-86893-139-6, S. 153–165.
  2. Bruno Bauer an Karl Marx 1. März 1840 (Marx-Engels-Gesamtausgabe. Abteilung III. Band 1, Berlin 1975, S. 340); Bruno Bauer an Karl Marx 25. Juli 1840 (ebenda, S. 349.); Bruno Bauer an Karl Marx 12. April 1841 (ebenda, S. 358).
  3. Nachlässe und Autografen.
  4. Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland, Österreich und Europa (Fabian-Handbuch)

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