Jeschiwa oder Jeschiwe (jiddisch / hebräisch ישיבה; Pl.Jeschiwot oder Jeschiwes;Transkription in englischsprachigen Texten: Yeshiva oder Yeshivah) ist eine jüdischeHochschule, an der sich meist männliche Schüler dem Tora-Studium und insbesondere dem Talmud-Studium widmen. Das Studium erfolgt in Form von täglichen Schi'urim.
Man unterscheidet zwei Abschlussebenen: Jeschiwa gedola (wörtlich: „große Jeschiwa)“ sowie Jeschiwa ketana (wörtlich: „kleine Jeschiwa“). In den Vereinigten Staaten wird der höhere Abschluss auch nach dem aramäischen Begriff Metivta oder Mesivta genannt. Eine Jeschiwa für verheiratete männliche Studenten nennt man Kollel („Versammlung“). Der Leiter einer Jeschiwa wird als Rosch-Jeschiwa bezeichnet, das „Haupt“ der Jeschiwa.
Traditionell wurden Frauen zum Tora-Studium nicht zugelassen; es gibt seit einigen Jahren für sie allerdings die Möglichkeit, an modern-orthodoxen jüdischen Einrichtungen einen Jeschiwa-Abschluss zu erlangen. Ein neueres Konzept sind auch nicht-orthodoxe Jeschiwot wie die Besht Yeshiva Dresden oder säkulare Jeschiwot;[1] dazu zählen Alma[1] in Tel Aviv-Jaffa, die 1996 von der Knesset-Abgeordneten Ruth Calderon[1] (Jesh Atid) gegründet wurde, oder BINA[1][2] in Ramat Gan. Die säkularen Jeschiwot stellen sich gegen die Monopolisierung[1] des jüdischen Erbes durch die Orthodoxie und suchen im sozialen Engagement Wege zu Tikun Olam, der „Reparatur der Welt“.[1]
Nach jüdischer Tradition hatte der Rabbiner jeder Gemeinde das Recht, eine eigene Schülerschaft in einem Beit Midrasch („Klaus“) genannten Gebäude, das sich in der Regel in der Nähe der Synagoge befand, zu unterrichten. Ihr Auskommen wurde aus dem Steueraufkommen der Gemeinde bestritten. Nach einigen Jahren konnten die Schüler entweder nach Ablegen der Semicha selbst eine Rabbinerstelle antreten oder sich einem weltlichen Beruf widmen.
Die Mischna erwähnt das Gesetz, dass sich ein Ort nur „Stadt“ nennen darf, wenn er wenigstens zehn Männern (Batlanim), der Mindestzahl für gemeinsames Beten, das Studium der Tora ermöglicht (Mischna: Traktat Megilla). Ebenfalls wurde jedes Rabbinatsgericht (Beth Din) von einer Schülerschaft, die der dreifachen Zahl der Richter selbst entsprach, begleitet (Mischna, Traktat Sanhedrin). Dies zeigt die historische Bedeutung der klassischen Jeschiwa.
Wie im Talmud vorgeschrieben, widmeten sich die Männer in der Regel jeweils einen Monat vor der Ernte (Elul und Adar) verstärkt dem Studium der Tora.
Im deutschsprachigen Raum genossen im 11. bis 13. Jahrhundert die drei kooperierenden Talmudschulen von Mainz, Worms und Speyer, den SchUM-Städten, besonderes Ansehen. 1990 wurde die Yeshiva Gedola in Berlin von den Chabad Shluchim („Emissären“), dem Rabbiner Yehuda und seiner Frau Leah Teichtal gegründet. Es handelte sich um die erste Neugründung einer orthodoxen Jeschiwa auf deutschem Boden nach dem Zweiten Weltkrieg.[3][4]
Chaim von Waloschyn
Strukturierte Torastudien wurden vor allem von Rabbi Chaim Waloschyn entwickelt, einem Schüler des Gaons von Wilna. Seiner Ansicht nach genügte die bisherige Form des Studiums nicht dem Bedürfnis nach einem intensiveren Studium.
Rabbi Chaim sammelte interessierte Schüler und eröffnete Ende des 18. Jahrhunderts die Jeschiwa von Waloschyn. Obwohl diese Einrichtung 60 Jahre später von der russischen Regierung geschlossen wurde, eröffneten einige weitere in anderen Städten, die bekanntesten darunter sind Ponovezh, Mir, Brest und Telz. Viele heutige Schulen in den Vereinigten Staaten und Israel sehen sich als deren Nachfolger und tragen den jeweiligen Namen.
Formen der Jeschiwot
Es gibt vier Formen der Jeschiwot:
Jeschiwa Ketana („kleine Jeschiwa“) – auch Cheder genannt, nur grundlegend und ohne säkulare Inhalte
Yeshiva High School – auch Mesivta oder Mechina (nicht zu verwechseln mit der Mechina), vereint jüdisch-orthodoxe Erziehung mit einem säkularen High-School-Abschluss (entspricht in etwa dem deutschen Abitur), dualer Lehrplan ursprünglich von der Manhattan Talmudical Academy of Yeshiva University (auch bekannt als „Marsha Stern Talmudical Academy“) aus dem Jahre 1916
Beit Midrasch – ein weiterführender Studiengang für jene, die die Highschool abgeschlossen haben, Ausbildungsdauer ein bis mehrere Jahre
Kollel – Jeschiwa für verheiratete Erwachsene, aus dem Europa des 19. Jahrhunderts
Man unterscheidet zwischen der amerikanischen und der israelischen Jeschiwa. Der amerikanische Jeschiwastudent absolviert die Jeschiwa Ketana normalerweise vor Ort, danach die Yeshiva Highschool entweder vor Ort oder häufiger mit anderen Schülern in einer Art Internat. Diese wird oft von zwei bis vier Jahren in einem Beit Midrasch gefolgt. Es schließen sich Aufenthalte von zwei bis fünf Jahren in Israel an. Danach kehrt der Schüler zurück und absolviert eine amerikanische Jeschiwa, nach der Hochzeit oft gefolgt vom Kollel.
Das Jahr teilt man in drei Smanim (etwa: „Semester“ bzw. Trimester).
Elul-Sman beginnt im hebräischen Monat Elul und geht bis zum Jom Kippur (sechs Wochen). Winter-Sman beginnt nach dem Sukkot (Laubhüttenfest) und geht bis zum Pessachfest (sechs Monate). Das Sommersemester beginnt nach Pessach und geht bis zum Beginn des jüdischen Monats Aw (drei Monate).
Stundenplan an der Jeschiwa haBucharim in Kfar Chabad, Israel
23:30 Schlafenszeit und nächtliches Schema Rezitieren
Dieses Studium gilt normalerweise von sonntags bis donnerstags mit einem extra langen Seder bis 1:00 Uhr nachts. Freitags ist normalerweise wenigstens ein Seder am Vormittag, der Nachmittag ist frei. Samstags gilt ein spezieller Sabbat-Stundenplan.
Das Studium erfolgt in der Regel gemeinsam mit einem Studienpartner (Chawruta, aramäisch für „Freund“) oder in einem Sch'iur.
Talmudstudien
In der typischen Jeschiwa liegt das Hauptaugenmerk auf Studium und Analyse des Talmud. Das Studium des Talmud erfolgt einerseits be'ijun, mit Betonung eines möglichst detaillierten und tiefgehenden Verständnisses der Talmudstelle, andererseits bekijut, mit Betonung von quantitativem Fortschritt beim Studium, sodass sich der Schüler ein möglichst umfassendes Talmudwissen aneignet.
Jüdische Gesetze
Im Allgemeinen verbringt der Schüler einige Zeit mit dem Studium der Halacha, der jüdischen Gesetze. Der meiststudierte Text ist die Mischna Berura, verfasst von Rabbi Jisra'el Me'ir Kagan.
Arye Carmon: Die Rolle der Jeschiwot im israelischen Erziehungssystem. In: Dietrich Goldschmidt, Peter Martin Roeder (Hrsg.): Alternative Schulen? Gestalt und Funktion nichtstaatlicher Schulen im Rahmen öffentlicher Bildungssysteme. Klett-Cotta, Stuttgart 1979, ISBN 3-12-922860-8, S. 511–515.
Mordechai Bar-Lev: Jeschiwot – traditionelle und moderne Formen. In: Walter Ackerman, Ruth Achlama (Hrsg.): Erziehung in Israel. Klett-Cotta, Stuttgart 1982, Bd. 1, ISBN 3-12-932110-1, S. 507–547.
Art. Jeschiwa. In: Dan Diner (Hrsg.): Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur, Bd. 3: He – Lu. J.B. Metzler, Stuttgart 2012, ISBN 978-3-476-02503-6.
↑ abcdefRebecca Benhamou: Dictionnaire insolite de Tel Aviv. Hrsg.: Patrick Arfi, Vanessa Pignarre. Éditions Cosmopole – Diffusions Marcus, Paris 2015, ISBN 978-2-84630-093-3, S.153.
↑About Us. In: Yeshiva Gedola Berlin. Yeshiva Gedola Berlin, abgerufen am 1. Februar 2013.
↑ abJeschiva. In: Yeshiva Gedola in Berlin. Chabad Lubawitsch Berlin, abgerufen am 1. Februar 2013.
↑Gegründet 1990, von den Chabad Shluchim ('Emissäre'), Rabbiner Yehuda und Leah Teichtal. Die erste orthodoxe Jeschiva auf deutschem Boden nach dem zweiten Weltkrieg.