Die Hornbostel-Sachs-Systematik ist ein Klassifikationssystem für Musikinstrumente. Sie wurde 1914 von Erich Moritz von Hornbostel und Curt Sachs in der Zeitschrift für Ethnologie unter dem Titel Systematik der Musikinstrumente. Ein Versuch. veröffentlicht.[1] Sie ist das heute am weitesten verbreitete System zur Einteilung von Musikinstrumenten.
Die Autoren basierten ihre Systematik auf dem System von Victor-Charles Mahillon, der im 19. Jahrhundert als Kurator des Brüsseler Konservationsmuseums tätig war. Mahillon hatte im Jahr 1888 Instrumente nach der Art des schwingenden Körpers in vier Hauptgruppen eingeteilt: selbstklingende Instrumente, Membraninstrumente, Saiteninstrumente und Windinstrumente (Blasinstrumente). Mahillons Systematik gründete sich jedoch primär auf die in Europa verbreiteten Instrumente. Hornbostel und Sachs erweiterten das Klassifikationssystem so, dass es eine Einordnung aller Instrumente aus allen Kulturen der Welt erlaubte. Mit dem Aufkommen elektrischer Musikinstrumente fügte Sachs im Jahr 1940 eine fünfte Hauptgruppe an.
Die Hornbostel-Sachs-Systematik wurde anfangs im englischsprachigen Raum zögerlich aufgenommen, eine Übersetzung ins Englische erschien erst 1961 unter dem Titel Classification of Musical Instruments.[2] In den 1970er Jahren wurde die Hornbostel-Sachs-Systematik auch international zum fachlichen Standard und bis heute ist sie das wichtigste Klassifikationssystem in der Instrumentenkunde (im Englischen schlicht Hornbostel-Sachs).
Die Hornbostel-Sachs-Systematik ist hierarchisch aufgebaut. Jeder Kategorie entspricht eine Zahl, wobei in jedem Detaillierungsschritt eine Ziffer angefügt wird, so dass die Anzahl der Ziffern mit zunehmender Konkretisierung anwächst. Unterhalb der Hauptgruppen folgen die ersten Untergruppen dargestellt als Zahl mit zwei Ziffern, danach deren Untergruppen mit drei Ziffern. Die Zahlen sind zur besseren Lesbarkeit in Dreiergruppen durch Punkte gegliedert.
Das Material des Instruments gibt dank seiner Steifigkeit und Elastizität den Ton her, ohne gespannter Membranen oder Saiten zu bedürfen.
Das Instrument wird durch Perkussion in Schwingung versetzt.
Der Spieler selbst führt die Schlagbewegung aus: etwaige mechanische Zwischenglieder, Schlägel, Klaviaturen, Läuteseile und dergleichen werden nicht berücksichtigt; entscheidend ist, dass der Spieler einzelne, scharf abgegrenzte Schläge auszulösen vermag, und dass das Instrument für diese Art der Perkussion eingerichtet ist.
Der Spieler selbst führt keine Schlagbewegung aus; die Perkussion entsteht erst mittelbar als Folge einer anders gearteten Bewegung des Spielers; es liegt in der Bestimmung des Instruments, Klang- oder Geräuschkomplexe, nicht aber Einzelschläge hören zu lassen.
Zungen, d. h. einseitig befestigte, elastische Plättchen, werden abgebogen, um vermöge ihrer Elastizität wieder in die Ruhelage zurückzukehren.
Die Zunge schwingt innerhalb eines Rahmens oder Bügels.
Zungen sind auf ein Brett geschnürt oder aus einem Brett wie Kammzähne ausgeschnitten.
Das Instrument wird durch Reibung in Schwingung gebracht.
Das Instrument wird durch Anblasen in Schwingung gebracht.
Tonerreger sind straffgespannte Membranen.
Die Membranen werden geschlagen.
Der Spieler selbst führt die Schlagbewegung aus; etwaige mechanische Zwischenglieder, Schlägel, Klaviaturen u. dgl. werden nicht berücksichtigt; nur geschüttelte Trommeln rechnen nicht hierher.
(Unterteilung wie bei den unmittelbar geschlagenen Trommeln) Die Trommel wird geschüttelt; die Perkussion geschieht durch das Anschlagen angebundener oder eingeschlossener Kügelchen oder dgl. (Indien, Tibet)
Unter der Fellmitte ist eine Saite verknotet; diese wird gezupft und überträgt ihre Schwingungen auf das Fell. (Indien (Gopi-yantra, Ananda-lahari))
Das Fell wird durch Friktion in Schwingung versetzt.
Ein mit dem Fell verbundener Stab wird gerieben, oder reibt das Fell.
Eine mit dem Fell verbundene Schnur wird gerieben.
Das Fell wird mit der Hand gerieben.
Die Membran wird durch Ansprechen oder Ansingen in Schwingung versetzt; das Fell gibt keinen eigenen Ton, sondern färbt nur die Stimme. (Europa, Westafrika)
Die Membran wird unmittelbar beeinflusst, ohne dass der Wind in einem Behälter gesammelt würde. (Das Seidenpapier auf dem Kamm.)
Die Membran sitzt im Innern einer Röhre oder eines Kastens. (Afrika; auch die ostasiatischen Flöten, deren eines Seitenloch mit einer Membran verklebt ist, stellen Kontaminationen mit dem Prinzip des Röhrenmirlitons dar.)
Eine oder mehrere Saiten sind zwischen festen Punkten ausgespannt.
Das Instrument besteht aus einem Saitenträger allein oder aus einem Saitenträger und einem Resonanzkörper in unorganischem, ohne Zerstörung des Klangapparats lösbarem Zusammenhang.
Der Saitenträger hat Stabform; auch überkantgestellte Bretter gehören hierher.
Saitenträger ist ein im Sinn der Breite gewölbtes Brett.
Der Saitenträger wird aus floßartig aneinandergebundenen Rohrabschnitten gebildet.
Der Saitenträger ist ein Brett; auch der Erdboden wird als solches gerechnet.
Die Saiten laufen über die Öffnung einer Schale. – Deutsch-Ostafrika.
Die Saiten sind frei innerhalb eines Rahmens ausgespannt.
Das Instrument besteht aus einem Saitenträger und einem Resonanzkörper in organischem, ohne Zerstörung des Klangapparats unlösbarem Zusammenhang.
Die Saitenebene liegt der Decke parallel.
Die Saitenebene liegt senkrecht zur Decke und die Verbindungslinie der unteren Saitenenden in der Richtung des Halses.
Die Saitenebene liegt senkrecht zur Decke und die Verbindungslinie der unteren Saitenenden senkrecht zur Halsrichtung; Zahnsteg. – Westafrika (Kasso usw.).
Die Luft selbst gerät primär in Schwingung.
Die schwingende Luft ist nicht durch das Instrument begrenzt.
Der Wind trifft auf eine Schneide, oder eine Schneide wird durch die Luft bewegt; in beiden Fällen findet nach neuerer Anschauung ein periodisches Abbiegen der Luft zu beiden Seiten der Schneide statt. (z. B.: Peitsche, Säbelklinge).
Der Windstrom wird periodisch unterbrochen.
Die Luft erhält einen einmaligen Verdichtungsanstoß. – Knallbüchse.
Die schwingende Luft ist durch das Instrument selbst begrenzt.
Ein bandförmiger Luftstrom trifft auf eine Schneide.
Der Wind erhält durch Vermittlung schwingender, am Instrument angebrachter Lamellen stoßweisen Zutritt zu der in Vibration zu setzenden Luftsäule.
Der Wind erhält durch Vermittlung der schwingenden Lippen des Bläsers stoßweisen Zutritt zu der in Vibration zu setzenden Luftsäule.
Die fünfte Hauptgruppe der Elektrophone formulierte Curt Sachs 1940.[3] Er übernahm den Begriff electrophonic instruments, den Francis W. Galpin 1937[4] eingeführt hatte.
Seither gab es mehrere Bestrebungen, die Musikinstrumente nach anderen Kriterien zu katalogisieren oder die Hornbostel-Sachs-Systematik anzupassen. Das gemeinschaftliche Projekt europäischer Museen Musical Instrument Museums Online (MIMO) veröffentlichte 2011 eine erweiterte Fassung der Hornbostel-Sachs-Systematik. Darin wird neben zahlreichen Differenzierungen innerhalb der bisherigen Struktur die Gruppe (424) Membranopipes bei den eigentlichen Blasinstrumenten (42) ergänzt und die Gruppe der Elektrophone (5) untergliedert in:
„Modules and configurations of acoustic, vibratory mechanisms (often resembling traditional acoustic instruments) and electronic circuitry such as transducers and amplifiers. The acoustic or mechanical vibration is transduced into an analogue fluctuation of an electric current. All instruments built or structurally modified to deliver a signal to an amplifier and loudspeaker are classed as electrophones, even if they have some capability of sounding acoustically.“
„Configurations of (electrically excited) silent, mechanical moving parts with encoded patterns, and electronic circuitry. The movement enables the encoded patterns to be transduced into an analogue fluctuation of an electric current.“
Die Liste von elektro-mechanischen Tasteninstrumenten enthält nach dieser Definition auch elektroakustische Instrumente der Gruppe 51.
„Continuously varying electrical signals are passed to a loudspeaker to produce sound. The electrical signals are generated using electronic circuitry. Modules and configurations containing analogue fully electronic devices used to produce, process and communicate electronic sound signals and/or sequences of signals.“
Diese Gruppen umfasst zum Beispiel Ondes Martenot, Trautonium, elektronische Orgels mit analog-elektronischer Tonerzeugung und analoge Synthesizer.
„Electrical signals are generated in the form of quantized sequences of pulses. These are converted to continuous signals that activate a loudspeaker. Modules and configurations containing devices to digitally design and process electronic sound signals and/or sequences of signals.“
Diese Gruppen umfasst zum Beispiel Sampler, Digitalorgeln und digitale Synthesizer.
Diese Gruppen umfasst zum Beispiel Synthesizer mit analogen Oszillatoren und digitalen Filtern.
Die Gruppe der Software wird weder erläutert noch weiter untergliedert.[5]
Ein Anhang des MIMO aus dem Jahr 2017 enthält weitere Ergänzungen und kleinere Korrekturen der Fassung von 2011. Bei den Blasinstrumenten kommt die Gruppe der Sucked (tubular) labrosones (423.123.1) hinzu, um die schwer einzuordnenden sucked trumpets aufzunehmen.[6]