Hennigsdorf gehört zum Naturraum der Zehdenick-Spandauer Havelniederung. Es liegt an der nordwestlichen Stadtgrenze von Berlin, die hier zum großen Teil durch die Havel gebildet wird. Die Stadt hat eine Nord-Süd-Ausdehnung von etwa neun Kilometer und eine Ost-West-Ausdehnung von etwa sechs Kilometer. Die gesamte Stadt wird nach Westen durch einen zwei bis drei Kilometer breiten Waldstreifen begrenzt.
Hennigsdorf wurde 1375 erstmals im Landbuch der Mark Branenburg als Heynekendorp und „Henekendorf“ urkundlich erwähnt. Dann folgt 1438 Hennyngestorff und 1590 Hennigkstorf. Henningsdorf ist demnach das „Dorf des Hen(n)eke“, ‚Heineke‘, später vermischt mit ‚Hening‘, ‚Hennig‘. Der Personenname ist eine Koseform mit ‚-k‘-Suffix zu Vollnamen wie Heinrich o. ä. Sollte ein Henning Ausgangspunkt gewesen sein (ein solcher ist in Hennigsdorf 1375 genannt), dann müsste nach Abschwächung des ‚-ing‘ zu ‚-ig‘ Vermischung mit dem ‚-k‘-Suffix eingetreten sein. Hennigsdorf blieb lange Zeit ein Fischer- und Kossätendorf. Mit der Errichtung der Poststraße zwischen Berlin und Hamburg wurde einer der drei Havelarme zugeschüttet und eine Brücke über die Havel gebaut, woher ein Stadtteil den Namen Neubrück hat. Dadurch verlor Nieder Neuendorf langsam an Bedeutung. Ende der 1860er Jahre wurde nördlich des Dorfes eine Ziegelei gegründet, die im Verlauf der 1880er Jahre zu einem großen Tonwerk heranwuchs (August Burg) und bis in die 1920er Jahre Bestand hatte.[4] Ende des 19. Jahrhunderts entstanden in Neubrück ein Sägewerk und eine Pianofabrik. Für den Einstieg in den Flugzeugbau suchte Anfang des 20. Jahrhunderts die AEG(Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft) günstiges Bauland in der Umgebung von Berlin und eröffnete 1910 in Hennigsdorf die AEG, Abteilung Flugzeugbau. Diese baute 1912 ihr erstes Flugzeug, einen reinen Holzbau nach dem Vorbild des Doppeldeckers der Brüder Wright (Wright Model A). Im Ersten Weltkrieg war das AEG-Werk ein bedeutender Lieferant für die Fliegertruppe des deutschen Heeres. Den Bau von Elektrolokomotiven verlegte die AEG bereits 1913/1914 aus dem Werk Brunnenstraße in Berlin nach Hennigsdorf.
1938 erhielt Hennigsdorf das heutige Stadtwappen. Während des Zweiten Weltkriegs mussten Zwangsarbeiter in der Rüstungsproduktion der zur Friedrich Flick KG gehörenden Mitteldeutschen Stahl- und Walzwerke sowie den Fabriken der AEG arbeiten. Ab 1941 (nach anderen Angaben 1942) wurde ein Außenlager des KZ Sachsenhausen für 50 (nach anderen Angaben 150) Häftlinge installiert sowie ein Außenlager des KZ Ravensbrück für 850 weibliche Häftlinge. An die Toten dieser Lager erinnert seit 1948 ein Denkmal für die Opfer des Faschismus auf dem Postplatz.
Wegen der stark gewachsenen Bevölkerungszahl – Hennigsdorf war vorübergehend die einwohnerstärkste Gemeinde in der DDR ohne Stadtrecht – wurde Hennigsdorf 1962 die Bezeichnung Stadt verliehen. Durch Erlass des brandenburgischen Innenministers erhielt Hennigsdorf mit Wirkung ab 1. Januar 2006 den Status einer Mittleren kreisangehörigen Stadt.[8]
Bevölkerung
Jahr
Einwohner
1875
00.863
1890
01.178
1910
02.764
1925
07.645
1933
10.149
1939
12.983
Jahr
Einwohner
1946
13.071
1950
15.968
1964
20.566
1971
24.542
1981
27.662
1985
27.313
Jahr
Einwohner
1990
24.635
1995
23.795
2000
26.306
2005
26.139
2010
25.909
2015
26.264
Jahr
Einwohner
2020
26.559
2021
26.515
2022
26.728
2023
26.623
Gebietsstand des jeweiligen Jahres, Einwohnerzahl: Stand 31. Dezember (ab 1991),[9][10][11] ab 2011 auf Basis des Zensus 2011
Die katholische Pfarrgemeinde Hennigsdorf umfasst die Orte Hennigsdorf, Velten, Oberkrämer und Kremmen und gehört zum Dekanat Oranienburg im Erzbistum Berlin:
Pfarrgemeinde „Zu den heiligen Schutzengeln“ (Adolph-Kolping-Platz 1)
Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde Hennigsdorf (Heideweg 14a)
Politik
Stadtverordnetenversammlung
Neues Rathaus
Die Stadtverordnetenversammlung von Hennigsdorf besteht aus 32 Abgeordneten und dem hauptamtlichen Bürgermeister.[12] Die Kommunalwahl am 9. Juni 2024 führte bei einer Wahlbeteiligung von 60,7 % zu folgendem Ergebnis:[13]
Günther wurde in der Bürgermeisterwahl am 24. September 2017 mit 60,8 % der gültigen Stimmen für eine Amtszeit von acht Jahren[16] gewählt.[17]
Wappen
Wappen von Hennigsdorf
Blasonierung: „Unter grünem Wellenschildhaupt, aus dem linken Schildrand wachsend ein silberner Reiherkopf mit einem goldenen Fisch im Schnabel, in Silber schwebend ein blauer Amboss, begleitet von zwei blauen, aufrecht zugewendeten, unten durch goldene Schleifen verbundene Sensenblättern.“[18]
Wappenbegründung: Das Wappen besteht seit 1932. Die Darstellung im Schildhaupt deutet darauf hin, dass Hennigsdorf aus einem kleinen wendischen Fischerdorf an der Havel entstanden ist. Die Sensenblätter beziehen sich auf die landwirtschaftliche Entwicklung des Ortes, insbesondere auf die durch Waldrodung gewonnenen landwirtschaftlichen Flächen. Der Amboss symbolisiert die industrielle Entwicklung.[19]
Das Wappen wurde am 12. Januar 1994 durch das Ministerium des Innern genehmigt.
Flagge
„Die Flagge ist Blau – Weiß – Grün (1:1:1) gestreift und mittig mit dem Stadtwappen belegt.“
Dienstsiegel
Das Dienstsiegel zeigt das Wappen der Stadt mit der Umschrift STADT HENNIGSDORF • LANDKREIS OBERHAVEL.
Im Ortsteil Nieder Neuendorf befindet sich einer der drei noch erhaltenen Grenzbeobachtungstürme der Berliner Mauer mit Ausstellung zur Geschichte des Objekts.
1993 wurde eine Denkmalsanlage zu Ehren der 5000 Arbeiter, die am 17. Juni 1953 demonstrierend über Berlin-Reinickendorf nach Ost-Berlin zogen, auf dem ehemaligen Dorfanger eingeweiht. Das Denkmal, betitelt „Denkmal 17. Juni 1953 – Herbst 1989“, wurde von der Bildhauerin Heidi Wagner-Kerkhof gestaltet.[21]
Auf dem Waldfriedhof in der Parkstraße ruhen 62 Zwangsarbeiter aus verschiedenen Ländern, an die seit 1969 ein Gedenkstein erinnert. 1994 ließ Italien für seine Militärinternierten ein weiteres Denkmal errichten. Auf einem Gedenkstein links vor der Kapelle wird an fünf kommunistischeWiderstandskämpfer erinnert, für die 1976 eine Gedenkwand errichtet wurde. Im Rathenaupark an der Neuendorfer Straße entstand ebenfalls 1976 ein Denkmal für alle Opfer des Faschismus.
Wirtschaft und Infrastruktur
Unternehmen
Industriebetriebe
Der zu DDR-Zeiten mit über 8500 Beschäftigten wichtigste Industriebetrieb der Stadt war das Stahl- und Walzwerk Hennigsdorf, das 1917 als Teil des AEG-Werks gegründet wurde. Ab 1931 gehörte der Betrieb zum Flick-Konzern. Heute ist davon nur noch ein mittelständisches Unternehmen übrig, das seit 1992 die Bezeichnung H.E.S. Hennigsdorfer Elektrostahlwerke GmbH trägt und zum Riva-Konzern gehört.
Mit der Gründung des Biotechnologie-Zentrums im Jahre 2000 wurde in Hennigsdorf einer der Biotechnologie-Cluster in Berlin/Brandenburg etabliert. Zahlreiche neu gegründete Biotechunternehmen siedelten sich an diesem Standort an, unter anderem die B.R.A.H.M.S Aktiengesellschaft als inzwischen größtes Biotechunternehmen der Region.
Kraftwerk
Am 5. September 2009 ging ein Biomassekraftwerk, gelegen zwischen dem Bombardier-Gelände und der Havel, mit einer Wärmeleistung 9,8 MW und einer elektrischen Leistung von 2,2 MW in den Probebetrieb. Die dort erzeugte Wärme wird in das Fernwärmenetz der Hennigsdorfer Stadtwerke eingespeist. Die KPG (Kraftwerks- und Projektentwicklungsgesellschaft), die ein hundertprozentiges Tochterunternehmen der Stadtwerke Hennigsdorf GmbH ist, hat in das Projekt rund 22 Millionen Euro investiert. Die verbaute Turbine wurde vom italienischen Hersteller Turboden geliefert.[22]
Verkehr
Straßenverkehr
Hennigsdorf liegt an der Landesstraße L 17 zwischen Marwitz und der Berliner Stadtgrenze zum Ortsteil Heiligensee sowie an der L 172 zwischen Velten und der Grenze zum Ortsteil Berlin-Hakenfelde. Die Stadt liegt westlich der Autobahn A 111. Die nächstgelegenen Anschlussstellen sind Hennigsdorf und Stolpe.
Von 1958 bis 1995 gab es an der Kreuzung von Kremmener Bahn und Außenring den Umsteigebahnhof Hennigsdorf Nord, sodass der oben beschriebene Zugbetrieb nur bei wenigen Zügen erfolgte. Bei der im Projekt i2030 geplanten Verlängerung der S25 von Hennigsdorf bis Velten soll erneut ein Halt am Bahnhof Hennigsdorf Nord eingerichtet werden.[24]
Ab dem 4. Juni 1954 wurde der Haltepunkt Hennigsdorf Süd errichtet; er diente zu Beginn nur der reinen Grenzkontrolle, da seit 1952 West-Berlinern die Einreise in die DDR untersagt war. Ab dem 3. November 1958 durfte an diesem Haltepunkt auch ein- und ausgestiegen werden. Dies blieb auch nach dem 4. Oktober 1959 so, als der Haltepunkt in Stolpe Süd umbenannt wurde. Am 13. August 1961 wurde der Haltepunkt im Zuge des Mauerbaus geschlossen und abgebrochen. Eine Wiederinbetriebnahme ist nicht mehr vorgesehen.
Bis zum Mauerbau 1961 gab es auf der Kremmener Bahn einen durchgehenden S-Bahn-Betrieb von Berlin über Hennigsdorf bis nach Velten, der anschließend bis 1983 als Gleichstrom-Inselbetrieb zwischen Hennigsdorf und Velten als Zuggruppe V weitergeführt wurde. Zudem verlief durch den heutigen Hennigsdorfer Ortsteil Nieder Neuendorf die Strecke der Osthavelländischen Eisenbahn, ein Kleinbahnnetz nach Berlin-Spandau, Nauen, Velten und Ketzin. Der Zugverkehr wurde 1953 eingestellt, und die Gleise wurden abgebaut. Auf Teilen der Bahntrasse verband bis 1945 die straßenbahnähnliche Spandau-West–Hennigsdorfer Kleinbahn direkt Spandau und Hennigsdorf.
Bildung
Eduard-Maurer-Oberstufenzentrum
Hennigsdorf verfügt derzeit über vier Grundschulen(Grundschule Nord, Grundschule Theodor Fontane, Bibergrundschule und Sonnengrundschule an den Havelauen), zwei Oberschulen(Oberschule Adolph Diesterweg und Oberschule Albert Schweitzer), zwei Förderschulen (Schule an den Havelauen, Regenbogenschule [behindertengerecht]), ein Gymnasium(Gymnasium A. S. Puschkin) sowie das Eduard-Maurer-Oberstufenzentrum, ein berufliches Gymnasium. Zusätzlich erweitert die Musikschule der Stadt Hennigsdorf das Nachmittagsangebot. Die Stadtbibliothek Hennigsdorf ist im sanierten historischen Gebäude des alten Bahnhofs untergebracht und verleiht jährlich rund 100.000 Medien.
Die vierte damals noch als Grundschule Neu bezeichnete Grundschule wurde erst im September 2016 in den Räumlichkeiten der ehemaligen Schule an den Havelauen und Regenbogenschule eröffnet.[25]
Der FC 98 Hennigsdorf fusionierte aus den Fußballabteilungen des FC Stahl Hennigsdorf und SV Motor Hennigsdorf. Er spielt in der Saison 2023/24 in der Landesliga Nord Brandenburg und trägt seine Heimspiele im Sportpark Fontanestraße aus. Motor Hennigsdorf und Stahl Hennigsdorf schafften Mitte der 1960er bis Anfang der 1980er Jahre mehrfach den Aufstieg in die DDR-Liga, die damalige zweithöchste Spielklasse, konnten sich aber nie längerfristig behaupten.
Der SV Stahl Hennigsdorf 1948 ist mit 27 Titeln zwischen 1952 und 1990 DDR-Rekordmeister im Rugby. Nach 1990 spielte die Mannschaft zweimal in der 1. Rugby-Bundesliga Nord-Ost.
Im April 2023 eröffnete in Hennigsdorf mit dem Havelkanal parkrun der erste Parkrun in Brandenburg.[27]
Linda Teßmer (1923–1998), Schriftstellerin, schrieb zahlreiche Kriminalerzählungen und Hörspiele in der Zeit (1972–1983), in der sie in Hennigsdorf, Kirchstraße 8, wohnhaft war
Manfred Krug (1937–2016), Schauspieler, verbrachte einen Großteil seiner Jugend in Hennigsdorf[28]
Wilhelm Dürks: Urkundliche Geschichte der Landgemeinde Hennigsdorf. (Hennigsdorf und Niederneuendorf). Gemeinde Hennigsdorf, Hennigsdorf 1931.
Katrin Rohnstock, Stefan Kappner: Hennigsdorfer Stadtgeschichte(n). Rohnstock Biografien, Berlin 2011.
Frank Mangelsdorf (Hrsg.), Roland Becker, Ralf Nikolai: Hennigsdorf (= Einst und Jetzt. Band 18). Culturcon, Berlin 2012, ISBN 978-3-941092-87-7 (Bildband).
Roland Lampe: „Dennoch, das Haus bezauberte mich…“ – Auf den Spuren bekannter und unbekannter Autoren in Oberhavel. Tredition Hamburg 2017, ISBN 978-3-7439-5033-7.
↑Amt für Statistik Berlin-Brandenburg (Hrsg.): Statistischer Bericht A I 7, A II 3, A III 3. Bevölkerungsentwicklung und Bevölkerungsstand im Land Brandenburg (jeweilige Ausgaben des Monats Dezember)
↑Prignitz-Express / Velten. In: i2030. 6. Februar 2020, abgerufen am 10. Oktober 2020: „Zwischen Velten und Hennigsdorf wird ein zweigleisiger Mischbetrieb mit Regionalverkehr und S-Bahn untersucht mit einem Zusatzhalt in Hennigsdorf Nord.“