Eine Hemiole (griechischἡμιόλιος, hēmiólios „anderthalb“) ist eine Sonderform der Synkope. Dabei wird das Betonungsschema eines Taktes durch Akzentverschiebung vorübergehend so aufgebrochen, dass der Schein einer neuen anderen Taktart gesetzt wird. Durch Überbindung werden häufig zwei Dreiertakte zu einem großen Dreiertakt des doppelten Notenwertes umgedeutet.[1] Hemiolen sind aber auch – in diesem Fall ohne Überbindung – im 6⁄4- oder 6⁄8-Takt möglich (und werden dadurch zum 3⁄2- bzw. 3⁄4-Takt).
Beispiel einer Hemiolenbildung:
[2] 1. Zeile: Notation. 3. und 4. Takt: Die Überbindung, die zur Hemiolenbildung führt. 2. Zeile: Erzielte Wirkung. 3. Takt: Aus zwei 3⁄4-Takten wird quasi ein 3⁄2-Takt.
Die neue Taktgliederung und der veränderte Rhythmus haben die Wirkung einer Verbreiterung (ritardando). Dieser Effekt findet sich oft in Barock-Kadenzen, besonders bei Phrasenabschlüssen in Tanzsätzen. Obwohl sie in der Wiener Klassik etwas in Vergessenheit gerieten, findet man Hemiolen im 19. Jahrhundert wieder häufiger, so insbesondere bei Johannes Brahms oder Robert Schumann.
Eine Hemiole kann auch durch entsprechende rhythmische Gestaltung innerhalb eines Dreiertaktes ohne Synkopierung entstehen.
In der Mensuralnotation wurde eine Hemiole häufig durch Kolorierung bzw. Notenschwärzung gekennzeichnet im damals üblichen 3⁄1-Takt (die Kennzeichnung 3⁄2 ist in diesem Fall keine Taktbezeichnung). In späteren Zeiten unterblieb die Kennzeichnung der Hemiole.
Clemens Kühn: Musiklehre. Grundlagen und Erscheinungsformen der abendländischen Musik (= (im Laaber Verlag): Musik-Taschenbücher Theoretica, Bd. 18, (im Hans Gerig Verlag): TB 269). Laaber-Verlag, Regensburg / Hans Gerig Verlag, Köln 1981, ISBN 3-921518-60-1.
Ferdinand Hirsch: Wörterbuch der Musik, Pawlak-Verlag, ISBN 3-88199-397-5, S. 202
James Tyler: A guide to playing the baroque guitar. Indiana University Press, Bloomington/Indianapolis 2011, ISBN 978-0-253-22289-3, S. 50–56.
Einzelnachweise
↑Merkformel: Der 2×3-Takt wird zu einem 3×2-Takt. S. Hermann Grabner: Allgemeine Musiklehre. 11. Auflage mit einem Nachtrag von Diether de la Motte. Bärenreiter-Verlag, Kassel u. a. 1974, ISBN 3-7618-0061-4. S. 41.
↑Das Notenbeispiel stammt aus: Wieland Ziegenrücker: ABC Musik. Allgemeine Musiklehre. 6. Auflage. Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-7651-0309-4, S. 76, Nr. 123.
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