Hans Reifs Vater Josef Reif war Gründer des Gewerkschaftsbundes der Angestellten. Reif studierte an der Universität LeipzigNationalökonomie, öffentliches Recht und Philosophie. 1922 promovierte er zum Dr. rer. pol., wurde 1923 wissenschaftlicher Mitarbeiter des Gewerkschaftsbundes der Angestellten und ein Jahr später Geschäftsführer des Reichsausschusses für Handel, Industrie und Gewerbe beim Hauptvorstand der DDP. Zugleich war er wissenschaftlicher Mitarbeiter des liberalen Hansabundes. 1933 bis 1943 war er als Wirtschaftsberater und Geschäftsführer einer Fachgruppe der Großhandelsorganisation tätig.[1] 1935 heiratete er Margarete Dührkop.
Reif gehörte seit 1922 der DDP an und war Vorsitzender der Leipziger Gruppe des Demokratischen Studentenverbandes. Während der Weimarer Republik arbeitete er verschiedenen liberalen Politikern zu, darunter dem Publizisten Gustav Stolper und dem KölnerReichstagsabgeordnetenHermann Fischer. Schwerpunkt seiner Arbeit war die Wirtschafts- und Sozialpolitik. Im Dritten Reich gab er eine wirtschaftspolitische Geheimkorrespondenz (Industriedienst) heraus, hatte Verbindung zum Widerstandskreis um Carl Friedrich Goerdeler und Wilhelm Leuschner.
1945 gründete er die LDPD in Leipzig mit. Nach seinem Wechsel nach Berlin wurde er 1946 Mitglied der dortigen LDP, deren West-Berliner Teil sich der FDP anschloss. 1958 und 1959 war er Berliner FDP-Vorsitzender. Ab 1964 war Reif Vizepräsident (seit 1971 Patron) der Deutschen Gruppe der Liberalen Internationale, deren Mitbegründer er 1954 war.
Nach dem plötzlichen Tod von Bundestagspräsident Dr. Hermann Ehlers 1954 sorgte Reif für eine bislang einmalige Situation im Bundestag. Gegen den offiziellen CDU/CSU-Kandidaten Eugen Gerstenmaier, der vielen Abgeordneten auch der Regierungskoalition zu „kirchennah“ war, schlug Reif am 16. November 1954 den Berliner CDU-Abgeordneten Ernst Lemmer, mit dem er in der Weimarer Republik in der DDP zusammengearbeitet hatte, vor. Lemmer verlor erst im dritten Wahlgang mit lediglich 14 Stimmen Unterschied (Gerstenmaier: 204, Lemmer: 190, Enthaltungen: 15). Es war das einzige Mal in der Bundestagsgeschichte, dass zwei Fraktionskollegen gegeneinander um das Amt des Bundestagspräsidenten konkurrierten.
Ehrungen
Reif wurde am 20. Oktober 1971 die Ehrenbürgerwürde von Berlin verliehen.
Schriften
Die individualistische Wirtschaft als Wegbereiter des nationalen, sozialen und kulturellen Aufstiegs. Hannewahr, Berlin 1931.
Gerhard Leibholz, Hans Reif: Verfassungsrechtliche Stellung und innere Ordnung der Parteien. Mohr, Tübingen 1951.
Politik und Moral. Colloquium-Verlag, Berlin 1957.
Das Parlament im Demokratischen Staat. In: Zeitschrift für Politik. 1959, Heft 3, S. 205–217.
Die geistigen Grundlagen und Renaissance des Liberalismus. In: Wolfram Dorn (Hrsg.): Geschichte des deutschen Liberalismus. Westdeutscher Verlag, 1966.
Liberalismus. In: Ernst Fraenkel, Karl-Dietrich Bracher: Fischer Lexikon Staat und Politik. Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 1978, ISBN 3-596-40002-3.
Hans Reif: Erinnerungen und Zeugnisse zu seinem 80. Geburtstag am 19. Januar 1979. Friedrich-Naumann-Stiftung, Bonn 1979.
Ella Barowsky (Hrsg.): Hans Reif: Liberalismus aus kritischer Vernunft. Vermächtnis eines freiheitlichen Demokraten und Europäers. Nomos, Baden-Baden 1986, ISBN 3-7890-1298-X.
Arthur Schlegelmilch: Hans Reif und die Berliner Liberalen 1945–1958. In: Jahrbuch zur Liberalismus-Forschung. Band 9, 1997, S. 123–147.
Anne Günther/Katharina Jochim: Das Amt des Bundespräsidenten und die Frage des Oberbefehls aus der Perspektive eines langjährigen Freundes – Theodor Heuss an Hans Reif am 16.03.1954. In: Ines Soldwisch/Jürgen Frölich (Hrsg.): Theodor Heuss im Original – ausgewählte Dokumente in der Analyse. Verlag Dr. Kovač, Hamburg 2013, ISBN 978-3-8300-7023-8, S. 113–134.
Einzelnachweise
↑Reif, Hans, Prof. Dr. In: Martin Schumacher (Hrsg.): M.d.B. – Die Volksvertretung 1946–1972. – [Quack bis Rzeznik] (= KGParl Online-Publikationen). Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien e. V., Berlin 2006, ISBN 3-7700-5224-2, S.987, urn:nbn:de:101:1-2014070812574 (kgparl.de [PDF; 328kB; abgerufen am 19. Juni 2017]).