Dieser Artikel beschäftigt sich mit dem Amt des Großinquisitors. Für das gleichnamige Kapitel des fünften Buches aus dem Roman Die Brüder Karamasow siehe Der Großinquisitor.
Ein Großinquisitor, auch Generalinquisitor, war im Mittelalter ein Inquisitor mit besonderen territorialen Befugnissen. In der Frühen Neuzeit war er der Vorsteher der Inquisition für ein Land. Im heutigen Sprachgebrauch wird der negative Assoziationen weckende Begriff auch außerhalb seiner eigentlichen historischen Bedeutung metaphorisch gebraucht.
Die Inquisitoren wurden im Mittelalter üblicherweise vom Heiligen Stuhl eingesetzt und bevollmächtigt, im Rahmen von kirchlichen Inquisitionsverfahren gegen so genannte Ketzer vorzugehen. In einigen Fällen wurden vom Papst für bestimmte Herrschaftsgebiete Generalinquisitoren ernannt. Im Jahr 1235 ernannte Papst Gregor IX. den ersten Generalinquisitor für Frankreich.[1] Eine strikte Weisungsbefugnis gegenüber seinen Kollegen in der Provinz darf man aus diesem Titel allerdings nicht ableiten.[2]
In den deutschen Landen wird für das frühe 13. Jahrhundert Konrad von Marburg aufgrund seiner Machtfülle als Großinquisitor angesehen, wohingegen als erster offizieller Großinquisitor für Deutschland der 1348 in dieses Amt berufene Johann Schadland gilt.[3]
Spanische Inquisition
Die Spanische Inquisition wurde am Ende des 15. Jahrhunderts auf Antrag des kastilischen Königspaares Isabella und Ferdinand durch Papst Sixtus IV. genehmigt. Der Papst übertrug die Einrichtung, Verwaltung und Finanzierung der Inquisition auf die Herrscher der Krone von Kastilien und später auch der Krone von Aragonien. Der Generalinquisitor nahm in Spanien eine Doppelstellung ein. Rechtlich war der Generalinquisitor ein Beauftragter des Papstes. Er übte als oberster vom Papst ernannter Inquisitionsrichter eine kirchliche Jurisdiktion aus. Als vom König beauftragter Vorsitzender des Consejo de la Suprema y General Inquisición, war er Leiter der staatlichen Institution Spanische Inquisition.[4] Die wichtigsten Aufgaben des Generalinquisitors waren der Vorsitz im Consejo de la Suprema y General Inquisición, der Vorschlag neuer Mitgliedern und die Leitung der wichtigsten Aktivitäten dieser Behörde. Er war zuständig für die Besetzung der Ämter der verschiedenen örtlichen Tribunale sowie die Aufhebung, Bestätigung oder Änderung der Entscheidungen der örtlichen Inquisitoren.[5] Zusammen mit den Mitgliedern des Consejos de la Suprema y General Inquisición regelte er die gesamten wirtschaftlichen Angelegenheiten der Spanischen Inquisition. Das betraf sowohl die Kosten für den Unterhalt der Behörde, wie auch die Einnahmen durch Strafzahlungen, Konfiskationen und Nutzung von Gütern von Verurteilten. Die von den Generalinquisitoren herausgegebenen „Instrucciones“ (eine Sammlung der Richtlinien des Oficio de la Santa Inquisicion)[6] werden als die „Gesetze der Spanischen Inquisition“ bezeichnet. Sie regeln sowohl das Vorgehen der Inquisitoren bei der Tataufklärung als auch die Grundlagen der Strafzumessung.[7]
Liste der Großinquisitoren der Römische Inquisition
Francisco de Castro (1630–1653), Bischof von Guarda.
Sebastião César de Meneses (1663–1668). Von Portugal ernannt, aber von Papst Alexander VII. nicht bestätigt, da der neue portugiesische Staat vom Heiligen Stuhl nicht anerkannt wurde.
Pedro de Lencastre (1671–1673), Erzbischof von Braga und Herzog von Aveiro.
Veríssimo de Lencastre (1676–1692), Erzbischof von Braga.
Frei José de Lencastre (1693–1705), Bischof von Bragança-Miranda und Bischof von Leiria.
Nuno da Cunha e Ataíde (1707–1750), Großkaplan von König Pedro II. von Portugal und Johannes V. von Portugal.
José de Bragança (1758–1760), unehelicher Sohn von Johannes V. von Portugal.
João Cosme da Cunha (1770–1783), Erzbischof von Evora und Justizminister.
Bruder Inácio de São Caetano (1787–1788), Beichtvater von Königin Maria I. von Portugal.
José Maria de Melo (1790–1818), Bischof der Algarve, Bischof von Faro und Beichtvater von Königin Maria I. von Portugal.
José Joaquim da Cunha Azeredo Coutinho (1818–1821), Bischof von Elvas.
Gegenwart
Großinquisitor der sogenannten Römischen Inquisition (heute Dikasterium für die Glaubenslehre) war von 1602 bis 1908 (Umbenennung der Behörde in Sanctum Officium) bzw. 1965 (Ende der Ausübung des Präfektenamtes durch den Papst) der Papst selbst.
In der Gegenwart bildet das Wort Großinquisitor überwiegend eine politische, mediale oder literarische Metapher, die auf kollektive klischeehafte Assoziationen im Zusammenhang mit der Inquisition oder der Hexenverfolgung abzielt, die im Kern die negative Vorstellung einer Person gemeinsam haben, die im öffentlichen Auftrag Andersdenkende in böser Absicht oder Verblendung verfolgt und dabei von Grausamkeit und Machtmissbrauch geleitet wird.
Aufgrund der Plakativität des Begriffes ist er für die mediale Verwendung besonders attraktiv. Die Bezeichnung wurde und wird deshalb dazu verwendet, Personen in polemischer Weise mit der negativen Konnotation des Begriffs in Verbindung zu bringen. Beispielsweise wird der jeweilige Präfekt der Glaubenskongregation, der Nachfolgeorganisation der Römischen Inquisition, gelegentlich mit kritischem oder auch ironischem Unterton als „Großinquisitor“ bezeichnet. Beispiele von Personen, die mit diesem Begriff belegt wurden (siehe in den jeweiligen Artikeln): Abraham Calov, Ettore Majorana und Heinrich Himmler.
Die eher literarischen oder Bühnenbearbeitungen, in denen der Begriff aufgegriffen wird, behandeln zumeist schlimme Erfahrungen mit Diktatur, Überwachungsstaat und totalitärer Herrschaft (z. B. Zarenherrschaft, Ostblock, Nationalsozialismus).
Künstlerische Rezeption
In SchillersDon Karlos gelingt dem Großinquisitor am Ende die Auslieferung Don Karlos’ an die Inquisition.
In Hans Hagens 1880 erschienenem Drama Konrad von Marburg, deutscher Ketzermeister und Großinquisitor erfuhr die historische Figur des Großinquisitors Konrad von Marburg eine literarische Bearbeitung.
Boris Blachers 1947 uraufgeführtes Oratorium Der Großinquisitor für Bariton, Chor und Orchester in der textlichen Einrichtung von Leo Borchard ist eine Adaption von Dostojewskis Legende vom Großinquisitor.[8]
In Star Wars Rebels leitet der Großinquisitor die Jagd nach den verbliebenen Jedi und ist in der ersten Staffel Antagonist der Handlung.
Literatur
Feliciano Barrios Pintado: Las competencias privativas del Inquisidor General en al normativa regia de los siglos XVI y XVII – Una aproximación al tema. In: Revista de la Inquisición: (intolerancia y derechos humanos). Nr.1, 1991, ISSN1131-5571, S.121–140 (spanisch, [4] [abgerufen am 1. August 2019]).
Hans Hagen (d. i.: Hans Müller): Konrad von Marburg, deutscher Ketzermeister und Großinquisitor. Trauerspiel in fünf Akten. Frei nach der Geschichte bearbeitet. Leopold & Bär, Leipzig 1890.
Tim Heilbronner: El Greco als Porträtmaler: Das Bildnis des Kardinals Don Fernando Niño de Guevara, München/Ravensburg 2004, ISBN 978-3-638-71209-5
Michael Scholz-Hänsel: El Greco, Der Großinquisitor. Neues Licht auf die Schwarze Legende (= Fischer-Taschenbücher 10128 Kunststück). Original-Ausgabe. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 1991, ISBN 3-596-10128-X.
Julius von Voß: Der Großinquisitor von Portugal oder das Erdbeben in Oporto. Letzter Roman. Curths, Berlin 1833 (Mikrofiche-Ausgabe. (= Bibliothek der deutschen Literatur 12264). Saur, München u. a. 1994, ISBN 3-598-53065-X).
↑José Antonio Escudero López: La Inquisición española. In: Francisco J. Mateos Ascacibar, Felipe Lorenzana de la Puente (Hrsg.): Actas de la II Jornada de historia de Llerena. Llerena 2001, ISBN 84-95251-59-0, S.20 (spanisch, [1] [abgerufen am 15. September 2019]).
↑Gerd Schwerhoff: Die Inquisition – Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit. 3. Auflage. Verlag C. H. Beck, München 2009, S.40.
↑Eduardo Galván Rodríguez: El Inquisidor General y los gastos de la guerra. In: Leandro Martínez Peñas, Manuela Fernández Rodríguez (Hrsg.): De las Navas de Tolosa a la Constitución de Cádiz. El Ejército y la guerra en la construcción del Estado. Asociación Veritas para el Estudio de la Historia, el Derecho y las Instituciones, Valladolid 2012, ISBN 978-84-615-9451-1, S.187ff. (spanisch, [2] [abgerufen am 1. August 2019]).
↑Ana Vanessa Torrente Martínez: El proceso penal del la inquisición: un modelo histórico en la evolución del proceso penal. In: Revista jurídica de la Región de Murcia. Nr.41, 2009, ISSN0213-4799, S.58 (spanisch, unirioja.es [abgerufen am 15. September 2019]).
↑Tomás de Torquemada et al.: Compilacion de las Instrucciones del Oficio de la Santa Inquisicion. Hrsg.: Tribunal del Santo Oficio. Diego Diaz de la Carrera, Madrid 1667 (spanisch, [3] [abgerufen am 1. November 2019]).
↑ Joseph Pérez: Crónica de la inquisición en España. Ediciones Martínez Roca, Barcelona 2002, ISBN 84-270-2773-7, S.92 (spanisch).
↑Programmheft Philharmonisches Staatsorchester Hamburg vom 2./3. Februar 1969.