Gordon (Sklave)

Gordon bei der Truppen-Examination in Camp Parapet bei Baton Rouge am 2. April 1863 mit ärztlichem Vermerk auf der Bildrückseite vom 4. August 1863

Gordon, auch Whipped Peter (deutsch Gepeitschter Peter, nachgewiesen 1863), war ein versklavter Afroamerikaner, dessen vernarbter Rücken, durch Schläge mit einer Lederpeitsche verursacht, von William D. McPherson (ca. 1833–1867) und seinem Partner Oliver fotografiert wurde.[1] Dieses Foto erlangte, zunächst als Holzschnitt, durch seine Erstveröffentlichung in Harper’s Weekly am 4. Juli 1863[2] Berühmtheit und gilt bis heute als eines der weltweit ersten Propagandafotos (hier: Kriegspropaganda der Nordstaaten),[3] weil es von Verfechtern des Abolitionismus politisch zur Unterstützung einer Abschaffung der Sklaverei in den Vereinigten Staaten verwendet wurde.[4] Das Bild initiierte auch das zeitgenössische Gedicht eines Pastors.[5]

Leben

Es ist denkbar, dass „Peter Gordon“ der volle Name des abgebildeten Sklaven war, ein vom ursprünglichen Sklavenhalter vergebener Name. Eigentümer von Sklaven vergaben, um diese ansprechen zu können, teilweise beliebige Vornamen und fügten ihre eigenen realen Familiennamen hinzu, um damit ihr totales Besitz- und Verfügungsrecht anzuzeigen. Aufgegriffene Sklaven konnten auf diese Weise über ihren Namen oft schnell identifiziert und vom Finder bzw. Fänger an den Besitzer überbracht werden. Im St. Landry Parish, Louisiana, gab es seinerzeit zwei Sklavenhalter-Familien, die Gordon hießen. Von einer dieser beiden Familien könnte Peter Gordon an die ebenfalls dort ansässigen Besitzer einer 12 km² großen Baumwollplantage am Atchafalaya River, John und Bridget Lyons, verkauft worden sein. Dies legen zumindest erhaltene Aufzeichnungen der U. S. National Archives nahe.[6][7] Eine andere Theorie besagt, dass sein Name Gordon auf den Sklavenhändler Nathaniel Gordon (1826–1862) zurückzuführen sei, der in New York City gehängt wurde. Der dem Sklaven gegebene Name, schon gar der tatsächliche, spielte in der medialen Verwertung und der politischen Debatte keinerlei Rolle.

Martyrium und Flucht

Gordon im März 1863 im Camp Parapet der Unionstruppen

Gordon war einer von knapp vierzig Sklaven, die Lyons seit der Volkszählung 1860 gekauft hatte.[6][8] In Abwesenheit seines Besitzers sei Gordon vom Aufseher Artayou Carrier ausgepeitscht worden, den man deshalb später entlassen habe. An den Vorgang selbst könne sich Gordon nicht mehr erinnern, doch habe er anschließend zwei Monate nicht arbeiten können. Es sei ihm erzählt worden, dass er wie im Fieberwahn seine Kleidungsstücke verbrannte und um sich schießen wollte. Es sei jedoch niemand getötet oder auch nur verletzt worden.[9]

Der Verlauf des Sezessionskrieges bot im Frühjahr 1863 zahllosen Sklaven eine lebensgefährliche, aber auch von großen Hoffnungen getragene Möglichkeit: die Flucht hinter die Frontlinie der Unionstruppen.[6]

Innerhalb von zehn Tagen sei es Gordon gelungen, mehr als 120 Kilometer (80 Meilen) zurückzulegen.[10] Die hochempfindlichen Nasen der ihn jagenden Bluthunde habe er von sich ablenken können, indem er seinen ganzen Körper nach jeder Überquerung eines Baches oder Sumpfes erneut mit Zwiebeln einrieb.[2]

Fünf Monate nach seinem Erscheinen im Camp Parapet des von Colonel Nathan Dudley (1825–1910) befehligten 30th Regiment Massachusetts Volunteer Infantry (= 30. Infanterieregiment der Freiwilligen aus Massachusetts) bei Baton Rouge, Louisiana, wurde er am 4. August 1863 eingehend militärärztlich untersucht.[11] Dabei befand der Chirurg S. K. Towle in ursächlichem Zusammenhang mit den erlittenen schweren Verletzungen den ganzen Rücken überziehende fingerdicke Keloiden, gutartige Tumoren.[12] Towle beschrieb Gordon gegenüber seinem Fachkollegen und Vorgesetzten Brigadegeneral William J. Dale, dem Generalarzt des Staates Massachusetts („Surgeon-General of the State of Massachusetts“):[13] Nur wenige Sensationsschriftsteller hätten jemals schlimmere Bestrafungen geschildert, als dieser Mann [Gordon] sie erhalten habe. Dennoch deute nichts in seiner Erscheinung auf eine ungewöhnliche Bösartigkeit hin. Stattdessen wirke er intelligent und brav. („Few sensation writers ever depicted worse punishments than this man must have received, though nothing in his appearance indicates any unusual viciousness — but on the contrary, he seems intelligent and well behaved“).[14] Gordon war jedoch nur einer von etwa vierhundert medizinisch untersuchten Schwarzen, von denen die meisten ähnliche Verletzungen aufwiesen, wie der weitere untersuchende chirurgische Assistenzarzt F. W. Mercer notierte.

Militärdienst

Drei Monate später diente Gordon in der Unionsarmee, nachdem zu Jahresbeginn die Emanzipationsproklamation in Kraft getreten war, in deren Folge freigelassene Sklaven in den Streitkräften der Nordstaaten eingesetzt werden konnten. Im Verlauf einer militärischen Operation geriet er in die Hände der Gegenseite, der konföderierten Truppen, wurde bewusstlos geschlagen und anschließend für tot erklärt. Später sei er wieder zu sich gekommen, konnte fliehen und sich erneut zu den Unionstruppen durchschlagen. Wenig später trat er in die im Mai 1863 gegründeten United States Colored Troops ein, wo er bis zum Sergeant befördert wurde. Ihm wurde bescheinigt, dass er tapfer kämpfte. Später wurde er im Corps d’Afrique eingesetzt, das im Sommer 1863 an der Schlacht von Port Hudson beteiligt war.[2][15]

Mediale Rezeption

Harper’s Weekly, Vol. VII, No. 340. 4. Juli 1863, S. 429. (hochaufgelöste Datei, gut lesbar)

Die Narben, die auf seinem Rücken zu sehen waren, schockierten Befürworter und Gegner der Sklaverei gleichermaßen. Der Journalist einer Zeitung schrieb 1863, dass selbst Harriet Beecher Stowe, die Autorin des (inzwischen längst weltbekannten) Romans Onkel Toms Hütte, die Verwundungen nicht plastischer hätte beschreiben können, als es dieses Foto bewirke.[16]

Abolitionisten, die Befürworter der Abschaffung der Sklaverei, betrachteten seine Narben als ins Fleisch geschriebenes Sinnbild der Sklaverei. Der Rücken des Mannes sei, so The Independent, Urbild des Sklavensystems und der Gesellschaft, die es erhalte („the type of the slave system, and of the society that sustains it“). Für Harper’s Weekly war er „ein typischer Neger“ („a typical Negro“), während ihn The Liberator schlicht als „den Neger aus Louisiana“ („the Louisiana Negro“) bezeichnete. Es kam weitaus mehr auf seine Funktion als lebender Beweis an, statt auf ihn als Mensch. Die Narben zählten, seine Persönlichkeit blieb unberücksichtigt.[6] Auch einem großen Teil der Menschen der Nordstaaten galt ein Schwarzer zumeist nur als Sache, als Gut. Zu einem gemischten Armeeregiment kam es daher noch lange nicht und schwarze Regimenter wurden stets von Weißen befehligt.

Verfilmung

Commons: Gordon (Sklave) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. McPherson, William D., ca. 1833–1867. In: Yale University Library Catalog, JWJ MSS 50, auf: yale.edu
    „Peter“ Showing Whipping Scars. In: Records of the War Department General and Special Staffs, Record Group 165, Photograph 165-JT-230, National Archives Identifier: 533232, National Archives at College Park, College Park, MD.
  2. a b c A Typical Negro. Harper’s Weekly, Vol. VII, No. 340, 4. Juli 1863, S. 429. In: The News Media and the Making of America, 1730–1865, auf: americanantiquarian.org
  3. Kathleen Collins: The Scourged Back. In: History of Photography, Vol. 9, Jan.-March 1985, S. 43–45.
    Joan Paulson Gage: A Slave Named Gordon. In: The New York Times, 30. September 2009, auf: nytimes.com
    John Dewar Gleissner: Prison and Slavery – A Surprising Comparison. Outskirts Press, Parker, Colorado, 2010. ISBN 978-1-4327-5383-2, S. 165.
  4. Marcus Wood: Blind Memory: Visual Representations of Slavery in England and America, 1780–1865. Manchester University Press, 2000. S. 268.
    Brian Wallis: Black Bodies, White Science: Louis Agassiz’s Slave Daguerreotypes (PDF-Datei; 7,6 MB). In: American Art, Vol. 9, No. 2 (Sommer 1995), S. 38–61., Smithsonian American Art Museum (Hrsg.), The University of Chicago Press, Chicago 1995, S. 53.
    A Picture For The Times. In: The Liberator (Boston, Massachusetts), 3. Juli 1863, S. 3.
    The Sourged Slave’s Back. In: The Liberator (Boston, Massachusetts), 4. September 1863, S. 3.
  5. Rev. George Lansing Taylor: The Scourged Back. In: National Anti-Slavery Standard, 26. September 1863, S. 4, Spalte 1, auf: scolarlyediting.org.
  6. a b c d Margaret Abruzzo: Polemical Pain. Slavery, Cruelty, and the Rise of Humanitarianism. Johns Hopkins University Press, Baltimore, Maryland, 2011. ISBN 978-0-8018-9852-5, S. 203, 309.
  7. The 1860 slave schedules of the federal census include S. J. C. Gordon as owner of forty slaves and M. M. Gordon as owner of thirty-six slaves (St. Landry Parish, Louisiana, National Archives Microfilm Publication M653, Roll 431). Zitiert nach: Margaret Abruzzo, 2011.
  8. Captain John Lyons of St Landry Parish (Memento des Originals vom 4. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/shawra.com. In: Lyons Index, auf: shawra.com
  9. Ten days from today I left the plantation. In: HistoryLink101, auf: historylink101.com (englisch)
    David Silkenat: „A Typical Negro“. Gordon, Peter, Vincent Colyer, and the Story behind Slavery's Most Famous Photograph. In: American Nineteenth Century History, Vol. 15, 2014, Issue 2, S. 169–186.
  10. Georg Schild: Von der Sklaverei zur Bürgerrechtsbewegung: Rassenbeziehungen in Amerika, 1770 bis 1945. In: Michael Butter, Astrid Franke, Horst Tonn (Hrsg.): Von Selma bis Ferguson – Rasse und Rassismus in den USA. transcript Verlag, Bielefeld 2016. ISBN 978-3-8394-3503-8. S. 47–71. (Zitatstelle S. 47–48)
  11. Das 30th Regiment Massachusetts Volunteer Infantry campierte u. a. vom 1. August bis 2. September 1863 bei Baton Rouge. In: National Park Service, The Civil War, auf: nps.gov
    Handschriftliche Notiz auf der Rückseite des am 2. April 1863 fotografierten schwer lädierten Rückens von Gordon: „Camp Parapet, LA, Aug. 4, 1863. I have found a large number of the four hundred contrabands examined by me to be as badly lacerated as the specimen represented in the enclosed photograph. Very respectfully, Yours, F. W. Mercer, Asst. Surgeon, 47th M. V. FacSimile of Original Report to Col. L. B. Marsh.“ (= Camp Parapet, Louisiana, 4. August 1863. Eine große Anzahl der von mir untersuchten 400 Konterbande war so schwer zerfleischt wie der Proband auf dem beiliegenden Foto. Sehr hochachtungsvoll, Ihr F. W. Mercer, Assistenzarzt, 47. Infanterieregiment der Freiwilligen aus Massachusetts. Originalgetreue Kopie des Berichts an Colonel L. B. Marsh [39. Infanterieregiment der Freiwilligen aus Massachusetts]). Erläuterung zum Begriff Konterbande: Schwarze Sklaven aus den Südstaaten wurden während des Sezessionskrieges von der Unionsarmee wie Sachgüter pauschal als Schmuggelgut bezeichnet, wenn sie die Frontlinie überschritten hatten.
    Das 47th Regiment, Massachusetts Infantry (Militia) campierte bis August 1863 in Camp Parapet, Louisiana. In: National Park Service, The Civil War, Battle Unit Details, auf: nps.gov
  12. Sharon Block: Colonial Complexions: Race and Bodies in Eighteenth-Century America (= Early American Studies). University of Pennsylvania Press, Philadelphia, Pennsylvania, 2018. ISBN 978-0-8122-5006-0, S. 129.
    Neha Jariwala und Jules B. Lipoff: The Keloid Scars of Slavery. In: JAMA Dermatology, Vol. 152, Nr. 10, Oktober 2016.
  13. Mary Niall Mitchell: Raising Freedom’s Child: Black Children and Visions of the Future After Slavery. S. 252.
  14. Cassandra Jackson: Violence, Visual Culture, and the Black Male Body. NYU Press, New York City, NY, 2008. ISBN 978-0-8147-9570-5, S. 14.
  15. Peter E. Palmquist, Thomas R. Kailbourn: Pioneer Photographers from the Mississippi to the Continental Divide. A Biographical Dictionary, 1839–1865. Stanford University Press, Bloomington, Indiana, 2005. ISBN 978-0-8047-4057-9, S. 431.
  16. The Scourged Back, Zitat: „It tells the story in a way that even Mrs. Stowe cannot approach, because it tells the story to the eye“. In: The New York Independent, 28. Mai 1863. zitiert aus: Andrew R. Hom et al.: Moral Victories: The Ethics of Winning Wars. Oxford University Press, New York City, NY, 2017. ISBN 978-0-19-880182-5, S. 152.

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