Der Garten der Frauen ist eine Gedenkstätte des Vereins Garten der Frauen e. V., die sich auf dem Friedhof Ohlsdorf in Hamburg befindet und in der an Frauen, die in der Hamburger Geschichte bedeutend waren, erinnert wird. Es handelt sich um ein etwa 1700 Quadratmeter großes Gelände nordöstlich des Ohlsdorfer Wasserturms, das im Juli 2001 eröffnet wurde und auf dem sich 402 Grabstellen befinden. Im Garten der Frauen stehen 87 historische Grabsteine. Auf der aus vielen Sandsteinen zusammengesetzten Erinnerungsspirale befinden sich 65 Namen[1] und auf einer Erinnerungssäule, die seit November 2021 im Garten der Frauen stehen, bisher sechs Namen. Die Idee zu diesem Garten der Frauen hatte die Historikerin Rita Bake, die den Garten mit Hilfe von Helga Diercks-Norden und Silke Urbanski gründete. Getragen, gestaltet, finanziert und betreut wird das Areal von dem im Jahr 2000 auf Initiative der drei Frauen gegründeten Verein Garten der Frauen.
Die Gedenkstättenanlage wird für drei verschiedene Erinnerungsarten genutzt. Die musealen Grabsteine sind die vor der Vernichtung geretteten Grabsteine, die an diesen Ort verlegt wurden. Sie machen die Ursprungsidee des Gartens der Frauen aus: die Frauen, die Hamburgs Geschichte mitgeprägt haben, sollen in bleibender Erinnerung gehalten werden, auch dann noch wenn die Nutzungsdauer ihrer Gräber abgelaufen ist und niemand für die Verlängerungsgebühren aufkommt. In solchen Fällen werden die Grabstellen aufgegeben und die Grabsteine zerstört. Damit es nicht zu einer Vernichtung der Steine kommt, verlegt der Verein Garten der Frauen auf eigene Kosten die Grabsteine in den Garten der Frauen. Ein weiterer Gedenkort im Garten der Frauen ist die Erinnerungsspirale, zusammengesetzt aus einzelnen Gedenksteinen für Frauen, die keine Grabsteine hatten oder deren Steine bereits entsorgt wurden. Da die Erinnerungsspirale von ihren Ausmaßen her ihr Ende erreicht hat, befindet sich als Nachfolgerin der Erinnerungsspirale seit November 2021 noch eine Erinnerungssäule im Garten der Frauen. Die dritte Art Gräber besteht aus flach in den Boden eingelassenen Steinwellen in Gemeinschaftsgrabanlagen, hier sind Frauen der Gegenwart bestattet, die sich zu Lebzeiten einen Grabplatz im Garten der Frauen erworben haben und Mitglied des Vereins Garten der Frauen waren.
Ergänzt wird der Garten der Frauen durch Ausstellungen und Veranstaltungen, die im Garten der Frauen stattfinden sowie durch im Garten der Frauen verteilte Ständer mit Aluminiumtafeln, die in Ringbuchform zusammengefasst sind und Kurzbiografien der hier geehrten Frauen vorstellen. Um einen mit Rosen berankten Pavillon herum sind einige Informationstafeln angebracht, in der Mitte befindet sich die Skulptur Erinnerung von Doris Waschk-Balz.[3] Auch befindet sich ein Glashäuschen im Garten der Frauen, in dem Informationen für die Besuchenden zum Mitnehmen ausliegen.
Neben der Erinnerung bewirkt die Sammlung auch einen Einblick in die Geschichte der Grabkultur innerhalb des Friedhofs Ohlsdorf. So sind aus der Zeit der ersten dortigen Beerdigungen die Felsengrabsteine für Lola Töpke und Martha Hachmann-Zipser erhalten oder Steine des Klassizismus und Historismus beispielsweise für Emmy Beckmann und Amelie Ruths. Die am Anfang des 20. Jahrhunderts in Mode gekommenen, sogenannten halbrunden Grottensteine, die eine höhlenartige Öffnung vorspiegeln, finden sich für Marie Hirsch und Paula Westendorf, die ebenfalls seinerzeit modernen hohen Stelen erinnern an Antonie Milberg, Annie Kalmar und Wilhelmine Marstrand. Vorhanden sind auch die stark reglementierten Steine aus der Zeit des Nationalsozialismus, die aus „deutschem Material“ zu bestehen, ein Ornament aufzuweisen und mit Frakturschrift versehen zu sein hatten, so für die Gräber von Karli Bozenhard und Yvonne Mewes. Auch industriell hergestellte Grabsteine mit den klaren Formen der Nachkriegszeit sind vorhanden, zum Beispiel für Bertha Keyser oder Magda Bullerdiek.
Erinnerungsspirale
Im Jahr 2002 wurde neben den historischen Steinen eine sogenannte Erinnerungsspirale angelegt. Sie soll die Erinnerung an jene Frauen wachhalten, deren Grabstellen nicht mehr erhalten waren oder die keine eigenen Grabsteine in Ohlsdorf hatten. Die Spirale symbolisiert das wiederkehrende Leben und wird aus einzeln gestalteten Gedenksteinen gebildet. Sie wurde in den Folgejahren beständig erweitert und umfasst mehr als 60 Namen[4]. Erinnert wird hier insbesondere an Frauen, die als Hamburger Originale galten, die sich in besonderem Maße für die Rechte von Frauen einsetzten oder die Verfolgte des nationalsozialistischen Regimes waren. Im Jahr 2007, dem Europäischen Jahr der Chancengleichheit für alle, widmete sich der Verein Garten der Frauen insbesondere den Menschen, die wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, ihres Alters oder ihres Geschlechts diskriminiert wurden. In diesem Sinne wurde mit einem als Säule gestalteten Stein, der eine symbolisierte Weltkugel trägt, ein Zeichen gesetzt. Als Stellvertreterinnen für die von der Thematik Betroffenen ist dieser Stein der Frauenrechtlerin Gunda Werner und der Prinzessin von Oman Emily Ruete gewidmet. Mit einem Erinnerungsstein für Erna Hoffmann wird an die weiblichen Euthanasieopfer der NS-Zeit erinnert, die durch Nahrungsentzug verhungerten. Ihre durchscheinenden verhungerten Körper werden durch die in der Aushöhlung des Steins aufgestellten Glassplitter symbolisiert. Die Aushöhlung ist durch Gitterstäbe umschlossen und verdeutlicht damit das Eingesperrtsein der Frauen. Ein mit Löchern versehener Stein gedenkt Christel K., einem weiblichen Opfer häuslicher Gewalt, die von ihrem Ehemann erschossen wurde. Seit 2015 erinnert ein Erinnerungsstein aus schwarzem Basalt mit einem Licht in der Aushöhlung des Steins an die im 16. und 17. Jahrhundert in Hamburg als Hexen beschuldigten und verbrannten Frauen (= Stein für Abelke Bleken). Ebenso steht in der Erinnerungsspirale ein aus schwarzem Basalt gefertigter Stein, der einen umgedrehten Zylinder darstellt und aus dem ein Kaninchen „springt“. Er ist der Zauberhändlerin und Illusionistin Rosa Bartl gewidmet. Seit 2020 erinnert ein aus schwarzem Diabas geschaffener Stein an die französische Widerstandskämpferin France Bloch-Sérazin. Sich in den Widerstand gegen das NS-Regime zu begeben, bedeutete damals eine Gratwanderung zwischen Leben und Tod. Diese Gratwanderung soll durch die Verschlankung des Steins nach oben hin symbolisiert werden. Das obere Ende des Steins ist so behauen, dass hier eine Schneide zu fühlen ist, die Schneide des Fallbeils, mit dem France Bloch-Sérazin im Untersuchungsgefängnis Holsteinglacis in Hamburg enthauptet wurde.
Erinnerungssäule
Seit November 2021 steht im Garten der Frauen eine Erinnerungssäule. Sie ist die Nachfolgerin der Erinnerungsspirale, die von ihren Ausmaßen her ihr Ende erreicht hat. Auf der Erinnerungssäule sind ovale Medaillons aus Stein angebracht, auf denen die Namen der Frauen eingraviert sind.[5] Am oberen Ende der Säule findet sich ein Ausspruch der Schriftstellerin Eva Strittmatter: „So geh ich in den Winter. Und so vergeh ich nicht.“
Gedenkglaswürfel für die verstorbenen Säuglinge und Kleinkinder der Zwangsarbeiterinnen
Seit dem 8. Mai 2022 steht ein Gedenkglaswürfel für die verstorbenen Säuglinge und Kleinkinder von Zwangsarbeiterinnen im Garten der Frauen. 250 Säuglinge und Kleinkinder und 3 ältere Mädchen, die selbst Zwangsarbeit leisten mussten, wurden in der NS-Zeit zwischen 1943 und 1945 auf dem Ohlsdorfer Friedhof bestattet, dazu zwei ältere Jungen mit Grabstätten auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel. Die meisten Gräber gibt es nicht mehr. Zwei jüdische Neugeborene, die gleich nach der Geburt ermordet wurden, erhielten keine Grabstätte. Der Verein Garten der Frauen erinnert an die Kinder mit diesem Glaswürfel, der aus kleinen bunten Glassteinen zusammengesetzt ist. Auf 257 Steinen stehen jeweils der Name und das Alter eines Kindes. An den anderen Steinen sind kleine kindgerechte Zeichnungen eingraviert, und ein Stein steht für alle Kinder, die uns nicht bekannt sind.
Frauen aus 16 Nationen wurden in der NS-Zeit aus ihrer Heimat verschleppt und zur Zwangsarbeit für Hamburger Firmen, in landwirtschaftlichen Betrieben und in privaten Haushalten eingesetzt. Diejenigen unter ihnen, die in dieser Zeit in Hamburg Kinder gebaren, mussten etwa eine Woche nach der Entbindung wieder 10–12 Stunden schwer arbeiten und litten unter Hunger. Es war ihnen nicht möglich, ihre Säuglinge ausreichend zu versorgen. Die meisten Kinder verstarben durch Vernachlässigung und Unterernährung.[6]
Gemeinschaftsgrabanlagen
Zusätzlich zu den musealen Gräbern besteht für die weiblichen Mitglieder des Vereins Garten der Frauen die Möglichkeit, eine Grabstelle innerhalb des Gartens der Frauen zu erwerben. Urnen- und Sargbeisetzungen werden in sogenannten Gemeinschaftsgrabanlagen vorgenommen, an deren Kopfende jeweils ein historischer Stein steht. Hier werden einheitliche Steine verlegt, die Wasserwellen nachempfunden sind. Sie gelten als Symbol des ewigen Lebens und werden mit den Namen sowie Geburts- und Sterbedaten der Verstorbenen versehen. Seit August 2021 stehen rechts und links der historischen Steine zusätzlich Glasscheiben mit den Namen der Verstorbenen. Inzwischen befinden sich in der Anlage 402 solcher Grabstellen. Seit seiner Gründung wurden auch einige prominente Frauen des Hamburger Gesellschaftslebens im Garten der Frauen beerdigt, so zum Beispiel am 30. April 2003 die Schauspielerin und Theaterintendantin Gerda Gmelin,[7] im März 2009 die Prostituierte und Streetworkerin Domenica Niehoff,[8] im Juli 2010 die Psychiaterin und Hochschullehrerin und erste Frau, die in Deutschland auf einen Lehrstuhl für Kinder- und Jugendpsychiatrie berufen wurde, Thea Louise Schönfelder und im September 2011 die Kammersängerin Helga Pilarczyk.
Liste der Frauen
In der folgenden Aufstellung sind die Frauen genannt, an die im Garten erinnert wird. Die Spalten der Tabelle sind sortierbar. Bei Anklicken des Pfeils werden die Lebensdaten nach dem Sterbedatum geordnet, die Rubrik Stein unterscheidet zwischen Historischem Stein, Erinnerungsstein und Grabstellen. Die Einteilung in Gruppen folgt der Veröffentlichung von Rita Bake: Der Garten der Frauen, nach der die hier geehrten Frauen stellvertretend stehen für viele andere, die in dem jeweiligen Bereich tätig waren.
Da auf manchen Steinen mehrere Namen eingemeißelt sind, finden sich diese Abbildungen mehrfach wieder.
8. Februar 1927 Hildesheim[15] Geburtsdatum laut Friedhofsunterlagen: Anmeldung zur Erdbestattung Sg 1089/85 – 16. April 1985 Hamburg Lyrikerin, Kinderbuchautorin und Übersetzerin
29. Dezember 1840 Düsseldorf – 10. September 1922 Hamburg Gründerin der Hamburger Ortsgruppe des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins, Lebensgefährtin von Helene Bonfort
20. März 1908 Altona – 13. Januar 1990 Hamburg Tanzpädagogin, Choreographin, Tänzerin
Grabstelle bis 2016 am Ausgang des Gartens der Frauen. Ab Sommer 2016, nach Ablauf der Nutzungsdauer der Grabstelle, in den Garten der Frauen integriert mit einer in die Grasdecke eingelassenen Installation
29. Oktober 1861 Berlin – 14. November 1924 Hamburg Erste Oberin im AK Eppendorf, Gründerin des Schwestern-Verein der Allgemeinen Staatskrankenanstalten
16. Februar 1925 Hamburg – 25. Juli 2010 ebenda Psychiaterin und Hochschullehrerin, sie war die erste Frau, die in Deutschland auf einen Lehrstuhl für Kinder- und Jugendpsychiatrie berufen wurde
Rita Bake, Brita Reimers: Stadt der toten Frauen. Frauenportraits und Lebensbilder vom Friedhof Hamburg Ohlsdorf. Dölling & Galitz Verlag, Hamburg 1997, ISBN 3-930802-56-2.
Rita Bake u. a.: Der Garten der Frauen – ein Ort der Erinnerung mit historischen Grabsteinen von Gräbern bedeutender Frauen und eine letzte Ruhestätte für Frauen, Hamburg 2009 und aktualisierte Auflage 2013, ISBN 978-3-00-042176-1
↑Die Seite beinhaltet Kurzbiografien nicht nur zu den in der Anlage beerdigten oder geehrten Frauen, sondern auch zu denjenigen bedeutenden Frauen, deren Grab- oder Gedenkstein sich in einem anderen Friedhofsbereich befindet. Seit September 2017 pdf-Übersichtspläne zu den historischen Grabsteinen, der Erinnerungsspirale sowie den Mitglieder-Steinwellen.