Gustav Gabriel Valentin war der Sohn des 1830 in Breslau gestorbenen Abraham Valentin, eines Goldschmieds und Silberwarenhändlers, und der Caroline Bloch, einer Tochter des Rabbiner-Assistenten Jehoschuah Falk Neumögen (gestorben 1807).[1] Valentin war Jude und assistierte in der Breslauer Synagoge dem Rabbiner. Sein Sohn Gabriel Gustav Valentin, der auf der Schule auch Hebräisch lernte, studierte den Talmud. Diese jüdische religiöse Tradition in seinem Elternhaus prägte auch sein weiteres Leben. Er besuchte das Maria-Magdalenen-Gymnasium in seiner Heimatstadt, das er mit der Reifeprüfung verließ. Mit 18 Jahren begann er mit dem Medizinstudium an der Breslauer Universität. Einer seiner einflussreichsten Lehrer war der Physiologe Jan Evangelista Purkyně. Nach vier Studienjahren promovierte Valentin in Breslau mit einer Arbeit über die Bildung von Muskelgewebe, das Staatsexamen legte er 1833 in Berlin ab. Danach eröffnete er eine Praxis in Breslau. Seine ausgezeichnete Beobachtungsgabe, ein hervorragendes Gedächtnis und seine mathematischen Fähigkeiten verhalfen Valentin zu vielfältigen wissenschaftlichen Kenntnissen.
1841 heiratete Valentin seine Cousine Henriette Samosch, die Tochter der Sara Samosch, die sein Studium gefördert hatte.
Akademische Laufbahn
Gustav Valentin forschte gemeinsam mit Purkynĕ. 1835 erschien sein Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen. Ein Angebot der Universität Dorpat (damals Preußen) scheiterte an seinem Judentum. Bis 1848 wurden nicht getaufte Juden in Preußen von Lehrämtern offiziell ausgeschlossen. Ende des Jahres 1835 erhielt Valentin von der Jury der Französischen Akademie der Wissenschaften den „Grand Prix des Sciences Physiques“ für eine Arbeit über die Histologie der Pflanzen- und Tierentwicklung. Die damit verbundene Geldsumme versetzte ihn zunächst in die Lage, unabhängig weiter zu forschen. Seine Forschungsreisen brachten ihn in Kontakt mit den Physiologen Johannes Müller in Berlin, Marie-Jean-Pierre Flourens und François Magendie in Paris sowie Rudolf Wagner (Mediziner) in Nizza.[2] Doch dann kam ein Angebot der Universität Bern. Nachdem sichergestellt wurde, dass sein jüdischer Glaube kein Hindernis für seine Arbeit in der Schweiz bedeuten würde, ging er als Professor für Physiologie und Tieranatomie (Zootomie) in die Schweiz. Valentin wurde so mit 26 Jahren der erste jüdische Professor an einer deutschsprachigen Universität. 1836 war auch das Jahr, in dem Valentin den Kern und die Kernkörperchen von Nervenzellen identifizierte. 1838 schlug er die Verwendung von Doppelmessern mit verstellbarem Klingenabstand vor und war damit einer der Pioniere der Entwicklung von Mikrotomen.[3] Das in Breslau gegründete PeriodikumRepertorium für Anatomie und Physiologie führte er von 1836 bis 1843 fort. Im Jahr 1844 veröffentlichte Valentin sein zweibändiges Werk Lehrbuch der Physiologie des Menschen und 1846 folgte der Grundriss der Physiologie des Menschen. 1844 hatte Valentin die eiweißspaltende (diastatische) Wirkung des Sekrets der Bauchspeicheldrüse entdeckt.[4] Seine Grundzüge der Entwicklung der tierischen Gewebe sind noch heute lesenswert.
Das Ansehen Valentins führte auch dazu, dass ihm als erstem Juden in Bern die Bürgerrechte gewährt wurden. Zum Mikroskopieren hielt sich sogar Alfonso Giacomo Gaspare Corti (1851 „Corti’sches Organ“) ab 1848 ein halbes Jahr bei Valentin auf, der zum Freund Valentins wurde[5] und von 1853 bis 1863 der Direktor des Anatomischen Instituts in Bern war.
Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Rücker, Berlin 1835. (Digitalisat und Volltext im Deutschen Textarchiv)
Repertorium der Anatomie und Physiologie. Band 2–3, 1837–1838.
Lehrbuch der Physiologie des Menschen. 2 Bände. Vieweg, Braunschweig 1844; 2. Auflage ebenda 1847.
Georg Eisner, Rupert Moser (Hrsg.): Reiz und Fremde jüdischer Kultur. 150 Jahre jüdische Gemeinden im Kanton Bern (Collegium Generale Universität Bern). Lang Verlag, Bern 2000, ISBN 3-906765-00-8, S. 104–107
Charles Gillispie (Hrsg.): Dictionary of Scientific Biography, Bd. 13. Scribner, New York 1976, S. 555–558.
Jonas Graetzer: Gabriel Gustav Valentin. In: Lebensbilder hervorragender schlesischer Aerzte aus den letzten vier Jahrhunderten, Druck und Verlag von Salo Schottländer, Breslau 1889, S. 162–166 (Digitalisat)
Erich Hintzsche: Gabriel Gustav Valentin (1810–1883). Versuch einer Bio- und Bibliographie. Haupt, Bern 1953 (Berner Beiträge zur Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften; 12).
Barbara I. Tshisuaka: Valentin, Gabriel Gustav. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1434.
↑Aron Heppner: Jüdische Persönlichkeiten in und aus Breslau. In: Breslauer Jüdisches Gemeindeblatt Jg. 7 (1930), Nr. 12 (Dezember), S. 189 (Web-Ressource).
↑K. Zimmermann: Bauchspeicheldrüse. In: Franz Xaver Sailer, Friedrich Wilhelm Gierhake (Hrsg.): Chirurgie historisch gesehen. Anfang – Entwicklung – Differenzierung. Dustri-Verlag, Deisenhofen bei München 1973, ISBN 3-87185-021-7, S. 89–106, hier: S. 90.
↑Andreas Mettenleiter: Das Juliusspital in Würzburg. Band III: Medizingeschichte. Herausgegeben vom Oberpflegeamt der Stiftung Juliusspital Würzburg anlässlich der 425jährigen Wiederkehr der Grundsteinlegung. Stiftung Juliusspital Würzburg, Würzburg 2001, ISBN 3-933964-04-0, S. 434.