Es gab verschiedene Versuche, für den Lokalverkehr zwischen den beiden Städten eine Bahnstrecke einzurichten. 1872 wurde die Konzession für eine Dampfstraßenbahn verweigert, weil Dampf und Staub die durchfahrenen Straßen entwertet hätten.
Am 12. Juni 1882 legte ein OffenbacherKonsortium, bestehend aus dem Kommerzienrat Weintraut, dem Bankier Weymann und dem Bankhaus Merzbach, den Behörden in Offenbach und Frankfurt die Ausarbeitung des Projektes „einer elektrischen Straßenbahn zwischen den Endpunkten Deutschherrn-Quai nächst der Alten Brücke und dem Mathildenplatz in Offenbach“ vor. Vorausgegangen waren Abstimmungen mit dem Unternehmen Siemens & Halske, das dieses Vorhaben technisch umsetzen sollte.
Die beiden Städte erteilten am 20. Oktober 1883 dem Vorsitzenden des Konsortiums, dem „Kaufmann G. R. A. Weymann in Offenbach“, eine 25-jährige Konzession zum Betrieb einer elektrischen Straßenbahn auf der beantragten Strecke. Als Träger des Unternehmens wurde die Frankfurt-Offenbacher Trambahn-Gesellschaft gegründet, der Baubeginn erfolgte noch im selben Jahr. Der erste Streckenabschnitt zwischen der Alten Brücke in Sachsenhausen und dem Buchrainplatz in Oberrad wurde am 18. Februar 1884 als meterspurigeSchmalspurbahn eröffnet. Die Fortsetzung zum Offenbacher Mathildenplatz folgte am 10. April desselben Jahres. Damit war eine Gesamtlänge von 6,7 Kilometern erreicht.
Am 13. Januar 1905 wurde die Linie von den Städten Frankfurt und Offenbach übernommen und schrittweise auf die bei der Frankfurter Straßenbahn übliche Normalspurumgespurt. Dadurch konnte die Straßenbahnlinie 16 vom Lokalbahnhof nach Offenbach verlängert werden. Am 28. Oktober 1906 fuhr die im Volksmund Knochemiehl (Knochenmühle) genannte Straßenbahn zum letzten Mal.
Technik der Bahn
Die Strecke der FOTG war die vierte elektrische Straßenbahnanlage der Welt. Die Technik des Antriebs mit einem Elektromotor und äußerer Stromzufuhr stand noch am Anfang ihrer Entwicklung. Anders als bei den meisten heutigen elektrischen Schienenfahrzeugen war die Oberleitung zweipolig wie beim Oberleitungsbus. Die damalige Oberleitung war noch kein Fahrdraht, und der Stromabnehmer wurde noch nicht von unten angedrückt; erste Stromabnehmer in Lyra- und in Stangenform kamen erst 1887 und 1889 auf. Stattdessen wurde ein Oberleitungssystem wie bei der 1883 eröffneten Lokalbahn Mödling–Hinterbrühl bei Wien verwendet. Es bestand aus zwei Kupferrohren mit kleinem Durchmesser und einem Schlitz an der Unterseite, der sogenannten Schlitzrohrfahrleitung. In dieser liefen zwei Kontaktwagen, die von den Triebwagen nachgezogen wurden. Bei der FOTG wurde die Schlitzrohrfahrleitung in fünf Metern Höhe aufgehängt. An den Ausweichstellen wurden Leitungsweichen verwendet, die mit den Gleisweichen gekoppelt waren.
Die Stromrückführung erfolgte nicht wie heute über die Räder und die Gleise, sondern über die zweite Oberleitung. Als Fahrstrom wurde Gleichstrom mit einer Spannung von 300 Volt verwendet.[1]
Die Räder des Triebwagens waren aus Holz gefertigt, das von einem stählernen Radreifen zusammengehalten wurde.
Kontaktwagen an einem der Pole der Schlitzrohrfahrleitung
Weiche einer Schlitzrohrfahrleitung im Frankfurter Verkehrsmuseum
Verbindung des Triebwagens mit den beiden Polen der Schlitzrohrfahrleitung
Strecke
Die eingleisige Strecke besaß drei Ausweichen bei der Deutschherrnmühle in Sachsenhausen, bei der Schönen Aussicht in Oberrad und bei der Löwenruhe in Offenbach. Sie begann am südlichen Ende der Alten Brücke, die damals die wichtigste Verkehrsverbindung zwischen Frankfurt und Sachsenhausen war, und führte auf dem Deutschherrn-Quai bis zur Obermainbrücke. Dort bestand Anschluss an die Frankfurter Straßenbahn. Nach dem Passieren des neuen Schlachthofs querte die Strecke niveaugleich die Gleise der Frankfurt-Offenbacher Lokalbahn. Anschließend wurde das Viadukt der Bahnstrecke Hanau–Frankfurt der Bebraer Eisenbahn passiert. Über die Offenbacher Landstraße und den Mühlberg ging es durch das Sachsenhauser Ostend nach Oberrad bis zur Offenbacher Stadtgrenze.
In Offenbach am Main fuhr die Linie auf der Frankfurter Straße vom Dreieich-Park über die Stationen Ludwigstraße, vorbei am Deutschen Ledermuseum, Luisenstraße und der Kaiserstraße in die Offenbacher Innenstadt. Nach dem Musikhaus André folgten die Stationen Herrnstraße und Marktplatz, über den Wilhelmsplatz erreichte die Bahn die im Offenbacher Ostend gelegene Endhaltestelle Mathildenplatz beim “Alten Friedhof”. Die später geplante Fortführung nach Bürgel und Rumpenheim wurde jedoch durch die schlechte wirtschaftliche Situation der FOTG verhindert.[1]
Betrieb
Durch die noch nicht ausgereifte Technik traten im Fahrbetrieb häufig Pannen auf. Die Kontaktschiffchen fielen oft aus den Kupferrohren und mussten mühsam per Hand wieder eingesetzt werden. Hierzu führte jeder Triebwagen eine Leiter mit, um die Schiffchen wieder einhängen zu können. Auch die Gleisanlagen und der Antrieb waren noch nicht ausgereift. So musste täglich zwischen 11 und 12 Uhr eine halbstündige Betriebspause eingelegt werden, um die Fahrzeuge mit Wagenfett abschmieren zu können.
Die Bahn verkehrte zwischen 6:00 und 22:40 Uhr. Die Fahrzeit betrug 25 Minuten. Der Fahrpreis für die ganze Strecke betrug werktags 20 und sonntags 25 Pfennig, Teilstrecken kosteten 10 und 15 Pfennig. Im ersten Jahr wurden eine Million Fahrgäste gezählt.
Am Buchrainplatz in Oberrad entstand auf dem Betriebsgelände ein kleines Depot mit Werkstatt, Betriebsbüro und sämtlichen anderen Betriebsgebäuden. Dazu gehörte ein bahneigenes Kohlekraftwerk um den Strom für die Strecke zu erzeugen.[4]
Fahrzeuge
Der Fahrzeugpark der FOTG bestand aus zehn zweiachsigen Trieb- und sieben ebenfalls zweiachsigen Beiwagen. Sie wurden vom Kölner Unternehmen Herbrand & Cie. hergestellt, die elektrische Ausrüstung lieferte Siemens & Halske zu. Die Züge erreichten eine Geschwindigkeit von etwa 20 Kilometern in der Stunde. Die Triebwagen hatten einen Fahrmotor mit elf Kilowatt Leistung, wogen 3,9 Tonnen und hatten insgesamt 24 Sitz- und Stehplätze. Die Beiwagen wogen zwischen 2,0 und 2,2 Tonnen und hatten zwischen 24 und 27 Sitz- und Stehplätze. Die Sitze waren auf Längsbänken angeordnet. Der Fahrmotor war fest im Fahrgestell eingebaut und trieb die Räder mittels Zahnrädern an. Der Zahnradantrieb führte zu unruhigen Laufeigenschaften.
Der Triebwagen 8 und der Beiwagen 13 blieben als Museumsfahrzeuge erhalten, während die übrigen Fahrzeuge verschrottet oder zu Beiwagen für die Städtische Straßenbahn umgebaut wurden. Der Triebwagen 8 ist heute der weltweit älteste erhaltene Straßenbahntriebwagen. Die beiden Fahrzeuge waren viele Jahre im Straßenbahndepot Eckenheim untergestellt. Heute können sie im Verkehrsmuseum Frankfurt am Main in Schwanheim besichtigt werden.[1]
2009 gab die rumänische Post einen Briefmarkenblock heraus, dessen einzelne Briefmarken die ältesten Straßenbahnen der Welt zeigen. Unter anderem befinden sich auf den Sondermarken Straßenbahnfahrzeuge aus London, Wien, Berlin, Brăila, Bukarest und Frankfurt am Main. Auf der Frankfurter Sondermarke ist ein Triebwagen der FOTG zusammen mit dem Frankfurter Wappen zu sehen. Außerdem ist die Oberleitung mit den Kontaktwägelchen abgebildet. Der Triebwagen auf der Marke trägt die Nummer 11, die eigentlich einem Beiwagen zugeordnet war. Die Marke mit dem Wert von 0,80 Leu trägt die Aufschriften 1884 – Primul tramvai electric din Frankfurt und Linia 11: Frankfurt – Offenbach[5].
Bernd Conrads, Dana Vietta: Die Elektrische – Unterwegs in Frankfurt. 135 Jahre elektrische Straßenbahn in Frankfurt am Main. Hrsg.: Verkehrsgesellschaft Frankfurt am Main mbH (VGF) Unternehmenskommunikation. Druck- und Verlagshaus Zarbock GmbH & Co. KG, Frankfurt am Main 2019.
Dieter Höltge, Günter H. Köhler: Straßen- und Stadtbahnen in Deutschland. 2. Auflage. Band1: Hessen. EK-Verlag, Freiburg 1992, ISBN 3-88255-335-9.
Horst Michelke, Claude Jeanmaire: Hundert Jahre Frankfurter Strassenbahnen : 1872–1899 – 1972 = Tramways of Frankfurt am Main (Western Germany). 1. Auflage. Villigen AG: Verlag Eisenbahn, Buchverlag für Eisenbahn- und Strassenbahnliteratur, Brugg/Schweiz 1972, ISBN 3-85649-018-3.
Alexander Piesenecker: Man fährt elektrisch! - 125 Jahre elektrische Straßenbahn in Frankfurt am Main und Offenbach. In: Straßenbahn Magazin. Nr.6. GeraMond Verlag, München 2009, S.12–23.
Helmut Roggenkamp: Die älteste Elektrische muss gehen. In: Eisenbahn Magazin. Nr.6. Alba-Verlag, Düsseldorf 1996.
↑ abcdefVerkehrsmuseum Frankfurt am Main (Hrsg.): 125 Jahre Busse und Bahnen zwischen Frankfurt und Offenbach. Ausstellung zum 125jährigen Jubiläum der ersten kommerziell betriebenen elektrischen Straßenbahn im Jahr 2009. Historische Straßenbahn der Stadt Frankfurt am Main e. V. (HSF), Frankfurt am Main 2009.
↑Chronik von Oberrad. Bürgerverein Oberrad e. V., 2018, abgerufen am 23. Oktober 2018.
↑ abFrank Wittendorfer: Die frühen Jahre der elektrischen Straßenbahn Frankfurt a. M. – Oberrad – Offenbach. Vortrag zum 125jährigen Jubiläum der ersten kommerziell betriebenen elektrischen Straßenbahn am 18. Februar 2009. Siemens AG, München 2009.
↑in Fahrt – Magazin für Mitarbeiter der VGF, Oktober/November 2009, Seite 21