Der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB; englischEuropean Trade Union Confederation, ETUC) ist der europäische Dachverband der Gewerkschaften mit Sitz in Brüssel (Belgien). Er vertritt 90 nationale (sektorübergreifende) Gewerkschaftsbünde aus 39 Ländern und 10 europäische (sektorale) Gewerkschaftsverbände mit insgesamt 45 Millionen Mitgliedern.[1]
Die sektor- und nationenübergreifende Organisation wurde am 9. Februar 1973 von 17 Gewerkschaftsbünden aus 15 Staaten gegründet und vertrat rund 29 Millionen gewerkschaftlich organisierte Mitglieder. Es ist eine Nachfolgeorganisation des Europäischen Bundes freier Gewerkschaften in der EWG und des "Gewerkschaftskongresses" der EFTA-Staaten.
1974 wurden erste christliche Gewerkschaften und die erste früher kommunistische Gewerkschaft Mitglied. 1991 werden die Europäischen Gewerkschaftsverbände zu Vollmitgliedern; der EGB führt den Beobachterstatus ein, den zehn Bünde aus Ostmittel- und Osteuropa erhalten. 1995 werden erstmals Bünde aus Ostmittel- und Osteuropa als Vollmitglieder aufgenommen.[2]
Seit der Gründung fanden die folgenden Kongresse statt:
als Adressaten der Aktivitäten insbesondere die Europäische Union, aber auch der Europarat, die EFTA sowie "andere europäische Institutionen und europäische Arbeitgeberorganisationen genannt,
die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Gewerkschaftsbund und seinen regionalen Organisationen sowie weiteren Organisationen festgeschrieben.
Struktur
Kongress (Artikel 8–11 der Satzung)
Der Kongress ist das oberste Gremium des EGB. Er wird alle vier Jahre einberufen. Das letzte Treffen war im Jahr 2019 in Wien. Der Kongress wählt neben den Mitgliedern des Exekutivausschusses auch den Präsidenten bzw. die Präsidentin. Des Weiteren bestimmt er den Generalsekretär und dessen zwei Stellvertreter.
Exekutivausschuss (Artikel 12–19 der Satzung)
Der Ausschuss trifft sich viermal im Jahr und besteht aus Vertretern der Mitgliedsorganisationen. Er entscheidet über Mandat und Zusammensetzung der Delegationen für den Europäischen Sozialdialog.
Lenkungsausschuss (Artikel 20–23 der Satzung)
Der Lenkungsausschuss ist dafür verantwortlich, dass die Entscheidungen des Exekutivausschusses umgesetzt werden. Dieses kleinste der EGB-Gremien trifft sich acht Mal pro Jahr.
Aktuelle Situation
Dem EGB gehören (Stand: August 2016) 90 nationale Gewerkschaftsbünde aus 39 europäischen Staaten und 10 europäische Branchenverbände mit insgesamt 45 Millionen Mitgliedern an, drei Gewerkschaftsbünde haben Beobachterstatus (s. u.)
Präsident des EGB ist seit 2019 der Franzose Laurent Berger. Generalsekretär des EGB ist seit Oktober 2015 der Italiener Luca Visentini. Stellvertretende Generalsekretäre sind Esther Lynch und Claes-Mikael Stahl.[13]
Der EGB arbeitet mit gewerkschaftlichen Akteuren aus den mit der EU assoziierten Ländern und Regionen zusammen und kooperiert auch mit dem Internationalen Gewerkschaftsbund. Der EGB ist im Rahmen des Paneuropäischen Regionalrats (PERR) auch im IGB vertreten. Der PERR wurde einem Beschluss des im
November 2006 in Wien abgehaltenen IGB-Gründungskongresses folgend anlässlich der Gründungsversammlung vom 19. März 2007 in Rom offiziell aus der Taufe gehoben.[14]
11. Kongress (2007, Sevilla)
Der 11. EGB-Kongress (21. bis 24. Mai 2007 in Sevilla) nahm u. a. das „Sevilla-Manifest“[15] an. Danach plant der EGB, „in fünf zentralen Bereichen in die Offensive zu gehen“:
Für einen europäischen Arbeitsmarkt
Für den sozialen Dialog, Tarifverhandlungen und Arbeitnehmerbeteiligung
Für eine effektivere wirtschaftliche, soziale und ökologische Governance in Europa
Für eine stärkere EU
Für stärkere Gewerkschaften und einen stärkeren EGB
12. Kongress (2011, Athen)
Unter dem Motto „Mobilising for social Europe“ fand der 12. EGB-Kongress vom 16. bis 19. Mai in Athen statt. Vier Tage debattierten 500 Delegierte aus 36 Mitgliedsländern über die Ausrichtung der europäischen Gewerkschaftspolitik für die nächsten vier Jahre. Die DGB-Delegation war mit 27 Vertretern vor Ort.
Im „Athener Manifest“[16] sind die wichtigsten Prioritäten zusammengefasst, mit denen sich die Gewerkschaften gegen die Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise, gegen rigide Sparkonzepte und Beschäftigungsabbau stemmen.
So werden sich die europäischen Arbeitnehmerverbände aktiv für qualitatives Wirtschaftswachstum, Vollbeschäftigung und ein belastungsfähiges europäisches Sozialmodell einsetzen. Sie fordern die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, die Harmonisierung der Besteuerungsgrundlagen und obligatorische Mindeststeuersätze für Unternehmen sowie die Auflage von EURO-Anleihen.
Der EGB fordert durchgreifende Regeln zur Kontrolle der Finanzmärkte und der privaten Ratingagenturen, die Schließung von Steuerparadiesen und die Unterbindung von überzogenen Managergehältern, zu Unrecht gewährten Bonuszahlungen und Abfindungen.[17]
13. Kongress (2015, Paris)
Ergebnisse:
Das "Manifest von Paris"[18] mit dem Motto "Solidarisch für hochwertige Arbeitsplätze, Arbeitnehmerrechte und eine gerechte Gesellschaft in Europe einstehen" und den "Prioritäten":
A. Eine starke Wirtschaft, die den Menschen dient
B. Stärkere Gewerkschaften für demokratische Werte und Demokratie bei der Arbeit
C. Ein Kern ehrgeiziger Sozialstandards
Das "EGB Aktionsprogramm 2015-2019"[19], das die Aussagen des "Manifests" konkretisiert.
Außerdem verabschiedete der Kongress Dringlichkeitsanträge zu den Themen:
Flüchtlingskrise in Europa
Grundrechten in Spanien
Nordirland
Solidarität mit den griechischen Arbeitnehmern
Tisa
Neuverhandlungsstrategie für das EU-Referendum im VK
Betrieblicher Gesundheits- und Gefahrenschutz
Solidarität mit den türkischen und kurdischen Journalisten, die Opfer der Repression sind
Nationale Gewerkschaftsbünde und europäische Gewerkschaftsverbände im EGB
Nationale Gewerkschaftsbünde
Dem EGB gehören die folgenden Gewerkschaftsbünde an:[20]
Andrea Ciampani, Pierre Tilly: National trade unions and the ETUC: A history of unity and diversity. Brüssel (ETUI) 2017 (Seite des ETUI zum Buch)
Christophe Degryse, Pierre Tilly: 1973-2013 : 40 years of history of the European Trade Union Confederation, Brüssel (ETUI) 2017 (Seite des ETUI zum Buch)
Jon Erik Dølvik: Die Spitze des Eisbergs? Der EGB und die Entwicklung eines Euro-Korporatismus. Westfälisches Dampfboot, Münster 1999, ISBN 3-89691-447-2.
Bernhard Pfitzner (2018): Materialien zum Thema "Europäische Gewerkschaftsarbeit" (32 S., PDF)
↑ abA. Thomas Lane (Hrsg.): Biographical Dictionary of European Labor Leaders. Band1. Greenwood Publishing Group, Westport, Conn. 1995, ISBN 0-313-26456-2, S.422 (englisch, 1204 S., eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).