Ernst von Wolzogen stammte aus niederösterreichischemAdel und wurde von einer englischen Gouvernante erzogen. Seine Eltern waren der Theaterintendant Alfred von Wolzogen (1823–1883) und dessen zweite Ehefrau Florenz Harriet Anne Houssemayne Du Boulay (1830–1862).
Nachdem er nach Berlin zurückgekehrt war, rief Wolzogen 1901 mit dem Überbrettl das erste deutsche Kabarett ins Leben. Die Idee dazu entnahm er aus dem Roman Stilpe des mit ihm befreundeten Otto Julius Bierbaum.[5] Der Name des Kabaretts war allerdings eventuell als ironische Anspielung auf Friedrich Nietzsches Begriff des „Übermenschen“ gedacht und brachte Wolzogen den Namen „Brettl-Baron“ ein. Sein Projekt der Kleinkunstbühne musste er nach anfänglichen großen Erfolgen auf Grund wirtschaftlicher Schwierigkeiten 1902 beenden. 1905 zog er nach Darmstadt. Nach einem erneuten Versuch, in Berlin eine Theaterbühne zu gründen, ging er 1918 schließlich nach Bayern und ließ sich in Puppling bei Wolfratshausen nieder.
Bereits im Roman Der Erzketzer (1910) zeichnete sich Wolzogens Hinwendung zu völkischen und antisemitischen Auffassungen ab.[6] Als Gegner der Weimarer Republik schrieb er ab 1921 antidemokratische Kabarettverse.[7] Im November 1932 publizierte er im Völkischen Beobachter einen Wahlaufruf für Hitler, in dem Hitler als „Der Kandidat der deutschen Geisteswelt“ bezeichnet wurde.[7]
Wolzogen starb am 30. Juli 1934 im Alter von 79 Jahren in Puppling. Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof Kalbsrieth.
Ernst von Wolzogen war seit 1902 mit der Sängerin Elsa Laura von Wolzogen verheiratet und Vater des Filmproduzenten und Regisseurs Hans von Wolzogen (1888–1954). Seine Tochter Sigrid wurde Mutter des Filmregisseurs Wolfgang Becker.
Künstlerisches Schaffen
Als Schriftsteller verfasste Wolzogen vor allem sozialkritische Romane; seine AutobiographieWie ich mich ums Leben brachte ist nicht nur stark konservativ gefärbt, sondern auch deutlich antisemitisch.
Das Mädchen mit den Schwänen. Drei Geschichten, 1916.
Vom Peperl und von andern Raritäten. Erzählungen. Langen, München 1916 (enthält: Der Peperl, Die taubstumme Katze, Der Raritätenliabhaber, Ein unheimlicher Reisegefährte, Der Blüthner-Flügel, Der seidene Schipongs).
Die verdammte Liebe. Roman, 1919.
Die verdammte Liebe. Roman. Neue Ausgabe. 4. – 6. Tsd. Sonnemann-Verlag, Halle (Saale) 1926. 345 S.
Das gut alt teutsch Schwankbuch. Das ist: artige Mären und lose Schwänklein...Verlag der Freunde, Wolfenbüttel 1922.
Sem – der Mitbürger. Roman. Brunnen-Verlag, Berlin 1924. 255 S. (Reihe: Neue deutsche Romane)
Wenn die alten Türme stürzen. Roman. Eysler, Berlin 1925. 303 S. (Digitalisat)
Wenn die alten Türme stürzen. Roman. Neuthor-Verlag, Michelstadt 1996. 246 S.
Das Schlachtfeld der Heilande. Roman. Frundsberg-Verlag, Magdeburg 1926. 308 S.
Süddeutsche Geschichten. G. Westermann, Braunschweig 1925. 321 S. (enthält: Das dritte Geschlecht.Der Topf der Danaiden).
Norddeutsche Geschichten. G. Westermann, Braunschweig 1926. 291 S. (enthält: Fahnenflucht, Der Prophet im Walde, Ein aufrechter Edelmann, Die Zwickmühle, Der Herr in hohen Stiefeln)
Lyrisches
Er photographirt!. Eine nervöse Geschichte in Versen, 1890.
Verse zu meinem Leben. 1907.
Theaterstücke und Musikstücke
Das Lumpengesindel. Tragikomödie in drei Aufzügen. Fontane, Berlin 1892, VI, 80 S.
Die Maibraut. Ein Weihespiel in 3 Handlungen. 1909.
Eine fürstliche Maulschelle, Spiel in 5 Aktussen. 1912.
König Karl. Trauerspiel, 1914.
Daniel in der Löwengrube. burleske Oper, Musik von Amélie Nikisch, 1914.
Weibchen. Lustspiel, 1915.
Die Peitsche. Schauspiel, 1918.
Der Weg des Kreuzes. Dramatisches Gedicht in sechs Bildern. Sonnemann – Verlag, Halle (Saale) 1926.
Der weg des Kreuzes: Dritter Tag: Fausti Himmelfahrt oder Der deutsche Teufel. Die zur Handlung gehörige Musik vom Verfasser. Sonnemann – Verlag, Halle (Saale) 1926. 114 S. (auch Digitalisierte Ausgabe)
Der deutsche Teufel. Dramatisches Gedicht. Eher, München 1933. 104 S.
Autobiographie
Wie ich mich ums Leben brachte. Erinnerungen und Erfahrungen. G. Westermann, Braunschweig & Hamburg 1922. 327 S.
Pergival Pollard: Entente cordiale between art and music hall. How some poets decided that popular tunes should have poetic words. Hence the „Cabaret“ and other festive things. In: New York Times. 30. August 1908.
Amelia von Ende: A representative „young german“. Ernst Freiherr von Wolzogen. Novelist, Playwright, and Musician. In: New York Times 7. Januar 1911.
O. H. Brandt: Ernst von Wolzogen. In: Die schöne Literatur. 29, H. 10, Oktober 1928, ZDB-ID 215988-0, S. 465–474 [mit ausführlicher Bibliographie, zusammengest. v. Ernst Metelmann].
Stephan Kohler: Der Vater des „Überbrettl“. Ernst von Wolzogen im Briefwechsel mit Richard Strauss. In: Jahrbuch der Bayerischen Staatsoper. 3, 1979/80, ISSN0938-4952, S. 100–120 [der Briefwechsel betrifft vor allem Wolzogens Libretto für Strauss’ Oper „Feuersnot“, deren Neuinszenierung am 11. Juli 1980 am Münchener Nationaltheater aufgeführt wurde].
Angela Gudrun Schmitt: Ernst von Wolzogen als Theatermacher. München – Berlin. Vom naturalistisch-orientierten Experimentiertheater zur literarischen Kleinkunstbühne. Magisterarbeit am Institut für Theaterwissenschaft der Ludwig-Maximilians-Universität, München 1984 (Gutachter: Dieter Borchmeyer), [Bisher die einzige wissenschaftliche Monographie, die zudem Wolzogens zentrale künstlerische Intention heraushebt. Mit ausführlicher Bibliographie und einer Rarität im Anhang: der handschriftlichen „Hausordnung für das ‚Bunte Theater‘“ mit den Unterschriften sämtlicher Ensemblemitglieder].
Ernst von Wolzogen: Humor und Naturalismus. (1890). In: Manfred Brauneck, Christine Müller (Hrsg.): Naturalismus. Metzler, Stuttgart 1987, S. 403–407 (Manifeste und Dokumente zur deutschen Literatur 1880–1900).
Theodor Lessing: Rez. E. v. Wolzogen: „Der Kraftmayr“ (Göttinger Zeitung, 17. November 1906). In: Theodor Lessing: Nachtkritiken. Kleine Schriften 1906–1907. Herausgegeben von Rainer Marwedel. Wallstein, Göttingen 2005, S. 71–l75 [pointierte, wichtige Kritik des Wolzogen’schen Bestsellers].
↑Waldemar Fromm, Schwabinger Boheme. In: Historisches Lexikon Bayerns (23. Dezember 2021), abgerufen am 30. August 2022.
↑Helene Stöcker: Lebenserinnerungen. Die unvollendete Autobiographie einer frauenbewegten Pazifistin, hrsg. von Reinhold Lütgemeier-Davin und Kerstin Wolff. Boehlau Verlag, Köln 2015, S. 84.
↑Ute Gerhard, Christina Klausmann und Ulla Wischermann, Frauenfreundschaften – ihre Bedeutung für Politik und Kultur der alten Frauenbewegung, in: Feministische Studien, 11. Jg., 1993, H. 1, S. 25; Online, abgerufen am 30. August 2022.
↑Hans-Joachim Böttcher: Otto Julius Bierbaum - Ein Poetenleben voller Ruhm und Tragik. Gabriele Schäfer Verlag, Herne 2022, ISBN 978-3-944487-94-6, S.103,127,134.
↑Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen (Hrsg.), Wolzogen, Ernst Ludwig von, abgerufen am 30. August 2022.
↑ abErnst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-10-039326-5, S. 675.