Die Dänische Volkskirche (dänischFolkekirken) ist eine evangelisch-lutherische Kirche in Dänemark. An ihrer Spitze stand früher der König als Oberhaupt. Seit der Verfassung von 1849 ist diese Regelung abgeschafft, seitdem treten Parlament und Regierung neben die Krone. Sie trägt Züge einer Staatskirche, ist ihrem Selbstverständnis nach aber eine Volkskirche.[1] Es ist die mit Abstand größte Kirche in Dänemark und Grönland mit insgesamt 4.276.271 Mitgliedern (Stand 1. Januar 2023).[2]
Im Verlauf der Reformation nahm König Christian III. die lutherische Konfession an und ließ die katholischen Bischöfe in Gewahrsam nehmen. Auf dem Reichstag von Kopenhagen im Jahr 1536 wurden die Kirchengüter von der Krone eingezogen und die lutherische Konfession zur allein gültigen erklärt. An die Stelle der Bischöfe traten 1537 sieben Superintendenten, die jedoch schon bald wieder die Bezeichnung Bischof erhielten.
Die größte und wichtigste Neuerung war die Einführung der Landessprache in der Liturgie zwischen 1537 und 1539. Durch das Königsgesetz von 1661 wurde der Absolutismus eingeführt und in Art. 6 die Oberhoheit des Königs über die Geistlichkeit und die Gottesdienste festgeschrieben. Das Gesetz Christians V. von 1683 (Danske Lov) wiederholte diese absolute Oberhoheit des Königs über die Kirche gleich im 1. Buch, 1. Kapitel.[3] Als Glaubensinhalt wurde die Heilige Schrift, das Apostolische Glaubensbekenntnis, das Nicänische und Athanasische Glaubensbekenntnis, das Augsburger Bekenntnis und der Kleine Katechismus Luthers festgeschrieben.[4] Katholiken („Papisten“) verloren das Erbrecht und mussten das Reich verlassen. Mönchen, Jesuiten und Papisten war der Aufenthalt bei Todesstrafe verboten.[5] Dies betraf alle nichtlutherischen Bekenntnisse, Ausnahmen galten nur für Diplomaten und deren Personal.
Die Verfassung von 1849 beseitigte die Kirchenleitung durch den König und führte die Religionsfreiheit ein. Nachdem 1903 ein Gemeindekirchenräte-Gesetz erlassen worden war, begann eine zunehmende Demokratisierung der Staatskirche, was 1947 zur Zulassung von Frauen zum Pfarramt und 1995 zur Wahl der ersten Bischöfin führte. Ab 2012 ermöglicht die dänische Kirche die kirchliche Trauung gleichgeschlechtlicher Paare.[6]
In der dänischen Verfassung ist festgelegt, dass der Monarch lutherischen Bekenntnisses sein muss. In administrativen und nicht-theologischen Fragen hat das Parlament Folketing die Befugnis zur Rahmengesetzgebung, das Kirchenministerium ist für die Ausführungsbestimmungen zuständig. Es existiert seit 1916 als selbständiges Ministerium, der Kirchenminister leitet aber häufig in Personalunion noch ein größeres Ministerium.
Eine zentrale Kirchenverwaltung gibt es nicht, nur den Zwischenkirchlichen Rat (Folkekirkens mellemkirkelige råd), der für die ökumenischen Beziehungen im In- und Ausland zuständig ist. Das Kirchenministerium, und damit die Kirche, ist für die Registrierung von Geburten und Todesfällen zuständig, unabhängig von der Kirchenmitgliedschaft der Bürger. Die Gemeindebüros der einzelnen Kirchengemeinden übernehmen damit auch die Aufgabe von Standesämtern.
Die Bistümer sind in theologischen Fragen selbständig. Die Leitung der Bistümer obliegt den Bischöfen, gemeinsam mit den staatlich eingesetzten Verwaltungsdirektoren (stiftamtmand), wobei ein Bistumsrat (stiftsråd) bestehend aus Pfarrern und Kirchenvorständen wesentliche Mitspracherechte hat. Die Bischöfe werden von den Pfarrern und Kirchenvorständen gewählt und im Anschluss vom König ernannt. Der Bischof von Kopenhagen, der unter den Bischöfen die Rolle als primus inter pares (erster unter gleichen) einnimmt, führt die Einführung durch.
Die Bistümer sind unterteilt in Propsteien, welche das Bindeglied zwischen den Gemeinden und den Bistümern bilden. In den 11 Bistümern gibt es insgesamt 111 Propsteien und 2200 Gemeinden.
Zur Volkskirche gehören auch deutschsprachige Gemeinden, die jedoch ganz unterschiedlicher Herkunft und Struktur sind.
Der deutschsprachigen lutherischen Gemeinde in Kopenhagen wurde im Jahre 1585 von König Friedrich II. die St.-Petri-Kirche zur Verfügung gestellt. Sie gehört zum Bistum Kopenhagen und gilt (nach der Deutschen St.-Gertruds-Gemeinde in Stockholm) als die älteste deutschsprachige Gemeinde im Ausland. Neben ihr besteht in Kopenhagen seit 1685 auch eine deutsch-reformierte Gemeinde.[7]
Für die deutsche Minderheit in dem 1920 durch die Volksabstimmung in Schleswig an Dänemark gefallenen Teil von Nordschleswig unterhält die Dänische Volkskirche vier deutsche Pfarrämter in den Städten Haderslev(Hadersleben), Aabenraa(Apenrade), Sønderborg(Sonderburg) und Tønder(Tondern), die jeweils mit einem in Deutschland ausgebildeten Pastor besetzt sind. Sie sind in die Bistümer Haderslev und Ribe integriert.
Da auf dem Lande die kirchliche Versorgung der deutschsprachigen Gemeindeglieder nur sehr restriktiv gewährt wurde, gründeten Mitglieder der Deutschen Minderheit in Dänemark 1923 die Nordschleswigsche Gemeinde, die in Dänemark als Freikirche organisiert, aber mit der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (bzw. deren Vorgängerkirchen) verbunden ist. Seit 2005 wirken dort fünf Pastoren, die mit den vier Pastoren aus den nordschleswigschen Stadtgemeinden eine gemeinsamen Konvent bilden.[8]
Dänischsprachige Gemeinden im Ausland
Die dänischen Gemeinden im Ausland werden von der dänischen Kirche im Ausland (Danske Sømands- og Udlandskirker) betreut. In Deutschland besteht jeweils eine dänische Kirche in Berlin (Christianskirken) und in Hamburg (Benediktekirken). Auch in der Schweiz und Österreich besteht jeweils eine dänische Gemeinde.
Otmar Hahn, Volker Herrmann (Hrsg.): Schwerpunktthema: Diakonie in Dänemark. (= DWI-Info 24). Universität Heidelberg, Heidelberg 1990/1991 (Volltext).
Mark Hallett: Staat und Kirche in Dänemark (= Europäische Hochschulschriften, Reihe 2, Rechtswissenschaft, Band 3072). Lang, Frankfurt am Main u. a. 2001, ISBN 3-631-36977-8 (zugleich Dissertation Universität Freiburg im Breisgau 2000).
Poul Hartling (Red.): Die dänische Kirche. Det Danske Selskab, Kopenhagen 1964.
Günter Weitling: Deutsches Kirchenleben in Nordschleswig seit der Volksabstimmung 1920. Bund Deutscher Nordschleswiger & Archiv/Historische Forschungsstelle der deutschen Volksgruppe, Aabenraa 2007, ISBN 978-87-991948-0-3.
Martin Schwarz Lausten: Danmarks kirkehistorie. Gyldendal, Kopenhagen 1987, 2004, ISBN 87-02-02701-1 (englisch: A church history of Denmark. Ashgate, 2002).
↑Zum Charakter der Volkskirche in der Tradition Grundtvigs siehe Willy Westergaard Madsen: Die dänische Volkskirche. In: Poul Hartling (Red.): Die dänische Kirche. Det Danske Selskab, Kopenhagen 1964, S. 95–108.
↑Kongen haver og eene Høyeste Magt over ald Clericiet, fra den Høyeste til den Laveste, at beskikke og anordne ald Kirke og Gudstieniste, Moder, Sammenkomst og Forsamlinger om Religions-Sager efter Guds Ord og den Augsburgiske Confession, …. (Der König hat auch die höchste Macht über die gesamte Geistlichkeit, vom höchsten bis zum niedrigsten, und er bestellt und ordnet alle Kirchen und Gottesdienste, Versammlungen und Tagungen in Kirchensachen nach Gottes Wort und der Augsburger Konfession …)
↑Günter Weitling: Deutsches Kirchenleben in Nordschleswig seit der Volksabstimmung 1920. Hrsg. vom Bund Deutscher Nordschleswiger und Archiv/Historische Forschungsstelle der Deutschen Volksgruppe, Apenrade 2007, ISBN 978-87-991948-0-3.