Die City-S-Bahn ist eine 7,830 Kilometer lange Strecke der Hamburger S-Bahn, 5,752 km davon liegen im sogenannten City-Tunnel[5]. Sie verläuft zwischen dem Hamburger Hauptbahnhof und dem Bahnhof Altona unter den Stadtteilen Hamburg-Altstadt, Neustadt, St. Pauli und Altona-Altstadt. Neben der Verbindungsbahn ist der City-Tunnel die zweite Stammstrecke der Hamburger S-Bahn, auf der Züge mehrerer Linien gebündelt durch die innere Stadt zwischen dem Bahnhof Altona und dem Hauptbahnhof geführt werden.
Der Tunnel beginnt unmittelbar hinter dem Hauptbahnhof, wo die Strecke seitlich der S-Bahn-Gleise der Verbindungsbahn abtaucht. Die Rampe weist eine maximale Steigung von 39,4 ‰ auf[1], da bereits wenige hundert Meter weiter die Binnenalster untertunnelt wird. Unter dieser sowie der Kleinen Alster befindet sich der erste Haltepunkt Jungfernstieg unter der gleichnamigen Straße. Hier hat der Tunnel mit etwa 10 Metern unter NN seine tiefste Stelle. Die Strecke verläuft von dort aus weiter in südwestlicher Richtung, bis kurz vor den Haltepunkt Stadthausbrücke unter der Kleinen Alster und dem Alsterfleet. Es folgt eine S-Kurve und die City-S-Bahn erreicht die Landungsbrücken. Von dort aus schwenkt die Strecke wieder nordwestwärts. In einer Tiefe von annähernd 10 m unter NN unterfährt die Anlage auf Höhe des Zirkuswegs ein Siel, um sodann mit einer Steigung von 40 ‰ zum etwa 4 Meter hoch gelegenen Haltepunkt unter der Reeperbahn zu führen. Nun steigt der City-Tunnel mit maximal 25 ‰ und erreicht am Haltepunkt Königstraße seinen höchsten Punkt, mit einer Sohlenlage etwa 17 m über NN. In einem engen Bogen mit einem Radius von 300 Metern unterquert die Strecke den Schellfischtunnel und erreicht von Süden her den Tunnelbahnhof Altona. Für die S-Bahn wurde hier eine viergleisige Bahnsteig- und Kehranlage errichtet. Kurz darauf taucht die Bahn mit einer maximalen Steigung von 40,0 ‰[1] aus dem Untergrund neben der hochliegenden Abstellanlage für S-Bahn-Züge wieder auf und verbindet sich mit den Strecken von und nach Blankenese und Pinneberg sowie der Verbindungsbahn vom Hauptbahnhof. Die Strecke der City-S-Bahn endet unmittelbar vor dem Bahnhof Diebsteich bei km 7,831.
Betrieb
Heute führen die S-Bahn-Linien S1 und S3 über die City-S-Bahn. Die Strecke wird planmäßig unter der Woche von etwa 530 Personenzügen pro Tag bedient.[6] Die höchste Nachfrage im Tunnel herrscht zwischen den Stationen Jungfernstieg und Hauptbahnhof, hier fuhren im Jahr 2018 durchschnittlich etwa 115.000 Fahrgäste pro Tag (montags–freitags) mit der S-Bahn.[7]
Bei Störungen oder Baustellen im Bereich des City-Tunnels werden die S-Bahn-Züge zwischen Altona und dem Hauptbahnhof in der Regel über die Verbindungsbahn umgeleitet, umgekehrt verkehren bei dortigen Betriebsbehinderungen die Züge durch den Tunnel.
Geschichte
Hintergrund
In den 1960er Jahren hatte Hamburg lediglich zwei S-Bahn-Linien über die gemeinsam genutzte Strecke der Verbindungsbahn. Die Verbindungsbahn erschließt die Hamburger Innenstadt nur am Rande. Besonders zum Gebiet um den Jungfernstieg und den Neuen Wall, in dem seinerzeit eine sehr große Anzahl an Arbeitsplätzen bestand, waren für Fahrgäste der S-Bahn Umstiege in andere Verkehrsmittel oder längere Fußwege nötig. Zudem war die bestehende Strecke bereits stark ausgelastet: Der planmäßige Zugabstand auf der Verbindungsbahn lag bei 150 Sekunden, der kleinste signaltechnisch mögliche Abstand bei 90 Sekunden. Schon geringste Planabweichungen bereiteten enorme Probleme. Eventuelle weitere S-Bahnlinien konnten nicht mehr aufgenommen werden. Da die Stadt Hamburg und die Bundesbahn weitere Gleichstrom-S-Bahn-Linien nach Ahrensburg (heute: S4) und nach Harburg (heute: S3) vorsahen und eine S-Bahn nach Lurup jedenfalls als Möglichkeit erschien, ergab sich der Bedarf eines Ausbaus der S-Bahn auch im zentralen Stadtbereich zwischen Altona und der Innenstadt.
1960 trat die Hamburger Baubehörde mit einer Trassenskizze für eine zweite S-Bahn-Stammstrecke an die Bundesbahn heran. Die Strecke sollte von Berliner Tor über Meßberg etwa unter der damaligen Ost-West-Straße zum Millerntor und weiter via Altonaer Fischmarkt zum Bahnhof Altona verlaufen, also eine am Südrand der Innenstadt und entlang des Elbufers führende Verbindung. Die Bundesbahn präferierte hingegen eine Führung durch den Kern der Innenstadt am Rathaus. Sie untersuchte im Rahmen einer Vorplanung mehrere Varianten, es ergaben sich deutliche Vorzüge einer City-Strecke, wie sie später realisiert werden sollte. 1963 wurde der Stadt Hamburg von der Bundesbahn ein sogenannter Rohentwurf übergeben, der die folgende Linienführung vorsah:
Hauptbahnhof - Binnenalster - Bf. Jungfernstieg - Alsterfleet - Bf. Stadthaus - Hp. Elbufer (südlich der Kersten-Miles-Brücke) - Hp Reeperbahn - Hp. Große Bergstraße - Jessenstraße - Bf. Altona.[8]
Nach Gesprächen mit der Stadt wurden am Rohentwurf 1964 noch Änderungen vorgenommen:
Der Bahnsteig Jungfernstieg wurde unter die Kleine Alster verschoben
Die geplante Station 'Elbufer' wurde nach Süden unter den Stintfang verschoben und in 'Landungsbrücken' umbenannt
Ein zwischen Jungfernstieg und 'Stadthaus' vorgesehenes Abstellgleis wurde zu den Landungsbrücken verlegt
Der Abschnitt Landungsbrücken - Reeperbahn wurde fortan in Schildvortriebs-Bauweise vorgesehen
Auf Wunsch der Stadt Hamburg wurde die Station Große Bergstraße aufgegeben und durch eine weiter südlich gelegene Station 'Königstraße' ersetzt, um der geplanten U-Bahn-Linie U4 Altona-Innenstadt genügend Einzugsbereich zu erhalten.[9]
1964 fiel die grundsätzliche Entscheidung für eine weitere S-Bahn-Strecke zwischen Altona und Hauptbahnhof. 1967 wurde zwischen der Stadt Hamburg und der Bundesbahn der entsprechende Herstellungsvertrag geschlossen. Die Stadt übernahm 79,5 Prozent der Baukosten, die Bahn die übrigen 20,5 Prozent.[10] An der Planung wurden bis Baubeginn noch weitere, kleinere Änderungen vorgenommen. So war am Haltepunkte Königstraße noch im März 1965 nur ein Ausgang, zur Behnstraße hin, vorgesehen.[11] Letztlich errichtet wurde auch am Ost-Ende ein Ausgang hin zur Königstraße.
Bau und Inbetriebnahme
Der Bau der City-S-Bahn begann im Oktober 1967 und beanspruchte einen Zeitraum von 14 Jahren. Die Zuständigkeit für den Bau des Tunnels wurde aufgeteilt. Die Abschnitte, die direkt an die bestehenden Gleise grenzten, verantwortete die Bundesbahn selbst, den großen verbleibenden Teil hingegen die Hamburger Baubehörde bzw. deren damals bestehende Hauptabteilung Schnellbahnbau. Die Streckenführung erwies sich als äußerst schwierig, da neben der Binnenalster, die fast auf kompletter Länge untertunnelt wurde, der weitere Verlauf sich nicht immer an den vorhandenen Straßen orientierte und stattdessen einige Häuserblöcke unterfahren werden mussten. Eine besondere Herausforderung für die Ingenieure war dabei die Haltestelle Jungfernstieg: Hier kreuzt sich die Strecke mit der älteren U-Bahn-Linie U1 aus den 1930er Jahren. Unterhalb des Tunnels der City-S-Bahn liegen zwei Bahnsteige (seit Mai 1973 in Betrieb) der neuen Durchmesserlinie U2 der Hamburger U-Bahn sowie der vorgeplanten U4. Darum wurde die Anlage des S-Bahnsteigs so gewählt, dass dieser im Niveau genau zwischen den beiden U-Bahn-Trassen angelegt ist. Trotz dieser Schwierigkeiten konnte der Abschnitt Hauptbahnhof–Landungsbrücken pünktlich am 1. Juni 1975 als Interims-S-Bahn-Linie S10 eröffnet werden.
Neben der eigentlichen Strecke wurden auch die beiden Endpunkte, Hauptbahnhof und Altona, umfassend erweitert: In Altona existierte vor dem Bau der City-S-Bahn nur ein Kopfbahnhof mit zehn Gleisen, wovon die zwei westlichsten der S-Bahn vorbehalten waren. Zunächst sollte die S-Bahn-Halle nur aufgegeben und ein Tunnelbahnhof für diese angelegt werden. Dann wurde jedoch das gesamte Empfangsgebäude mit der Begründung abgerissen, das Risiko eines Einsturzes sei infolge des Tunnelbaus zu hoch. Der neue Bahnhof wurde einschließlich des letzten verbliebenen Tunnelabschnitts zwischen Landungsbrücken und Altona am 19. April 1979 dem Verkehr übergeben.
Da während des Tunnelbaus auch die Verlängerung nach Harburg geplant wurde, entstand anschließend östlich der Haupthalle des Hauptbahnhofs ein zweigleisiger Tunnelbahnhof für die S-Bahn-Züge in Richtung Altona. Die zwei Gleise der S-Bahn in der Haupthalle wurden für den Richtungsverkehr aus Altona hergerichtet und der neue S-Bahnsteig im Tunnel 1981 fertiggestellt. Hierdurch konnte das jetzige Gleis 5, das zuvor von der S-Bahn Richtung Osten genutzt wurde, wieder in den Bahnhofsteil für den Fern- und Regionalverkehr integriert werden.
Der dritte und letzte Bauabschnitt umfasste die Verbindung zwischen Altona und Diebsteich. Mit dieser Verbindung wurde 1981 der Anschluss des Astes nach Pinneberg an die City-S-Bahn hergestellt. Seitdem werden auf den beiden Außenästen Verbindungen über beide Stammstrecken ermöglicht, wobei für die Verbindung vom Blankeneser Ast zur Verbindungsbahn weiterhin in Altona die Fahrtrichtung gewechselt werden muss („Kopf machen“).
Bauweise
Weite Teile des City-Tunnels wurden in offener Bauweise errichtet. Der Streckentunnel konnte durch das niedrige Lichtraumprofil der Hamburger S-Bahn vergleichsweise klein ausfallen, was Kosten sparte und die Integration in den Knoten Jungfernstieg zwischen zwei U-Bahn-Ebenen erlaubte. In der Geraden weist der Tunnel in den offen errichteten Abschnitten eine Breite von etwa 8,08 Metern und eine Höhe von 4,28 Metern auf. Teilweise mussten bestehende Häuser unterfahren werden. So führt der Tunnel an der Behnstraße im Abstand von weniger als fünf Metern unter einem Mehrfamilienhaus hindurch[12], ebenso wird das Gebäude der damaligen Bundesbahndirektion in der Museumstraße in engem Abstand unterfahren. Hierzu wurde das Gebäude auf 350 Quadratmetern Fläche abgefangen. Im Baulos Davidstraße, etwa zwischen Helgoländer Allee und Reeperbahn, wurden für die City-S-Bahn im Schildvortrieb zwei jeweils 673 Meter lange Tunnelröhren mit 5,8 m lichtem Durchmesser[13] für die beiden Streckengleise erstellt. Der 170 m lange Tunnelabschnitt unterhalb der bestehenden Bahngleise nördlich des Hauptbahnhofs sowie der Straße Lombardsbrücke bis zur Alster wurde mittels Durchpressen von Tunnelfertigteilen mit je 5,7 m Länge erstellt.[14]
Vibrationen und Schallimmissionen in angrenzenden Gebäuden
Zur Minderung von Schallemissionen durch den Bahnbetrieb wurde in Abschnitten nahe- oder gar direkt unter Wohnhäusern vorsorglich der Einbau von Unterschottermatten vorgesehen. Gleichwohl beklagten sich nach Inbetriebnahme des Abschnitts Landungsbrücken–Altona zahlreiche Anwohner des Tunnels über Vibrationen und massive Schallimmissionen durch den S-Bahn-Betrieb. Im Wohnhaus Professor-Brix-Weg 11 klirrten einem Zeitungsbericht zufolge bei Vorbeifahrten die Gläser in den Schränken und Möbel seien in Bewegung geraten.[15] Ein großer Teil der Beschwerden wurde von der Bundesbahn vor Ort überprüft. Man stellte in den Wohnungen S-Bahn-Fahrgeräusche „sehr unterschiedlicher Intensität“ fest, die zwischen „unerträglich“ und „am Rande des Erträglichen“ eingestuft wurden. Die Beeinträchtigungen umfassten unterschiedlich starke Erschütterungen und „spitze“ Fahrgeräusche. Der am stärksten betroffene Abschnitt lag östlich des Haltepunktes Königstraße, an den Wohnhäusern Königstraße 10 bis 14. Hier und auch im Bereich zwischen Landungsbrücken und Reeperbahn musste die Bundesbahn eine nachträgliche Emissionsreduktionsmaßnahme mit dem Einbau von weiteren Unterschottermatten vornehmen, was Kosten in Höhe von 1,9 Mio. DM verursachte.[16]
Realisiert wurde an Erschütterungsschutz im Bereich Landungsbrücken – Altona
[17]:
Etwa 130 m Schotterbettunterlage in der südlichen Tunnelröhre östlich der Haltestelle Reeperbahn
Etwa 450 m Schotterbettunterlage zwischen den Haltestellen Königstraße und Altona im Bereich der Wohnbebauung, u. a. auch im Bereich der Hausunterfahrung Behnstraße
Eine Schotterbettunterlage im Bereich Königstraße 7
Sonstiges
Die Haltestellen Stadthausbrücke und Reeperbahn sind als so genannte Mehrzweckanlagen ausgeführt und können im Verteidigungs- oder Katastrophenfall zu zivilen Schutzräumen für jeweils 4500 Personen umgerüstet werden. Zudem kann die Ladenpassage über dem Bahnsteig der Haltestelle Jungfernstieg ebenfalls in einen Schutzraum umfunktioniert werden. In der Haltestelle Landungsbrücken befindet sich zwischen den oberirdischen Bahnsteigen der U-Bahn und dem unterirdischen Bahnsteig der S-Bahn ein zweiteiliger Schutzraum für 180 Personen.
Literatur
Andreas Janikowski, Jörg Ott: Deutschlands S-Bahnen. Geschichte, Technik, Betriebe. Transpress-Verlag, Stuttgart 2002, ISBN 3-613-71195-8
Ulrich Alexis Christiansen: Hamburgs dunkle Welten. Der geheimnisvolle Untergrund der Hansestadt. Ch. Links Verlag, Berlin 2008, ISBN 3-86153-473-8
Horst Weigelt: Idee, Planung und Bau der City-S-Bahn Hamburg. In: Die Bundesbahn 1979, S. 169ff
Deutsche Bundesbahn, Bundesbahndirektion Hamburg: Die City-Linie der Hamburger S-Bahn. Band I: Zusammenfassung von Untersuchungen und Ergebnissen zur Vorplanung der City-Linie. Juli 1965
↑Deutsche Bundesbahn, Bundesbahndirektion Hamburg: Die City-Linie der Hamburger S-Bahn. Band I: Zusammenfassung von Untersuchungen und Ergebnissen zur Vorplanung der City-Linie. Juli 1965, S. 50
↑Deutsche Bundesbahn, Bundesbahndirektion Hamburg: Die City-Linie der Hamburger S-Bahn. Band I: Zusammenfassung von Untersuchungen und Ergebnissen zur Vorplanung der City-Linie. Juli 1965, S. 51ff.
↑Vertrag zwischen Hamburg und der Deutschen Bundesbahn über die Herstellung einer größtenteils unterirdisch verlaufenden S-Bahn-Strecke zwischen dem Hauptbahnhof und der S-Bahn-Haltestelle Diebsteich vom August 1967
↑Deutsche Bundesbahn, Bundesbahndirektion Hamburg: Die City-Linie der Hamburger S-Bahn. Band I: Zusammenfassung von Untersuchungen und Ergebnissen zur Vorplanung der City-Linie. Juli 1965, Lageplan City-Linie, Planungsstand März 1965
↑J. Kovats: Hausunterfahrung Behnstraße für die Hamburger City-S-Bahn. In: Die Bautechnik, Volume 55, Ausgabe 11/197, S. 387
↑J. Pätzold, G. Petersen: Messungen an einem schildvorgetriebenen Tunnel der City-S-Bahn Hamburg. In: Die Bautechnik, Volume 55, Ausgabe 9/1978, S. 290–294
↑Horst Weigelt: Idee, Planung und Bau der City-S-Bahn Hamburg. In: Die Bundesbahn (1979), S. 182
↑City-S-Bahn-Altona: Ein Stadtteil zittert. In: Die Welt, Hamburg-Ausgabe, 25. April 1979.