Dieser Artikel behandelt die spezielle Verwendung im Verkehrswesen; den allgemein mathematisch-physikalischen Begriff siehe Gradient und Steigung, siehe außerdem Gefälle (Begriffsklärung).
Die Gradiente ist Teil des HöhenplansDas Höhenprofil einer Route zeigt die Gradiente.
Die Gradiente (abgeleitet von Gradient ‚Steigung‘ respektive ‚Gefälle‘), in Österreich auch Nivellette, beschreibt im Straßen- und Eisenbahnbau den Höhenverlauf einer projektierten oder bestehenden Trasse im Bezug zum Streckenverlauf (Achse). Sie setzt sich aus geneigten Geraden (Längsneigung) sowie Kuppen- und Wannenausrundungen zusammen und wird im Höhenplan dargestellt.
Gradienten werden in der Straßenplanung heute in Prozent, in der Gleisplanung in Promille angegeben. Weitere, früher gebräuchliche Angaben sind als mathematischer Bruch und als Winkel in Grad.
Bei der Bruchbezeichnung steht im Zähler eine Höhendifferenz H, im Nenner die dazu zurückzulegende horizontale Distanz D. Nimmt beispielsweise pro 100 m in horizontaler Richtung zurückgelegter Distanz D die Höhe H um 10 m zu, so beträgt die Steigung 10:100 = 1:10 = 0,1 = 10% = 100‰.
was im Beispiel ≈5,7° ergibt.
Die auf der schiefen Ebene zurückzulegende Strecke E beträgt nach dem Satz des Pythagoras
,
im Beispiel also ≈100,5 m.
In der Praxis ist der Unterschied zwischen der zum Beispiel von einer Landkarte abgelesenen horizontalen Distanz D und der zurückzulegenden Wegstrecke E meist vernachlässigbar. Dagegen ist etwa die im Beispiel auftretende Fahrzeugneigung von ≈5,7° durchaus spürbar und kann aus fahrdynamischen Gründen auch nicht vernachlässigt werden.
Straßentrassierung
Verkehrszeichen „Steigung“: Steigungsangabe in ProzentVerkehrszeichen „Gefälle“: Gefälleangabe in Prozent
Die Straße muss zur Einhaltung der fahrdynamischen Parameter und der Sichtverhältnisse gewisse Parameter einhalten. Dabei müssen die durch das Gelände vorgegebenen Höhen durch ausreichend flache Rampen überwunden werden. Zudem muss zum Sicherstellen der Entwässerung das Verhältnis zwischen Höhen- und der Krümmungsentwicklung bzw. Querneigungsentwicklung im Lageplan beachtet werden. Dadurch ergibt sich eine räumliche Trassierung.
Bogenwechsel (S-Kurven) sollten z. B. nicht in der Wanne zu liegen kommen, da dann die Entwässerung der Verwindungsstrecke über Querneigung schwierig wird. Die erforderliche Ausrundung der Kuppen oder Wannen sowie die zulässigen Steigungen ergeben sich aus der Straßenkategorie gemäß RAL (Richtlinien für die Anlage von Landstraßen).
Als verlorene Steigung wird der durch ein nachfolgendes Gefällestück nochmals zu überwindende Höhenunterschied bezeichnet.
Gefällewarnschilder an einer Autobahn
Das Verkehrszeichen für den Anstieg bzw. das Gefälle einer Straße verwendet die Prozent-Schreibweise. Es wird der (auf)gerundete ganze Prozentbetrag der maximalen Steigung der Strecke angegeben. Häufig wird dieser Wert entlang einer längeren Strecke eingehalten, da Straßenerrichter versuchen, durch gleichmäßiges Ansteigen die Maximalsteigung gering zu halten.
Schräg zur Straßenachse können in überhöhten Kurven lokal höhere Steigungen auftreten. Um diesen Nachteil zu reduzieren wird in stärkeren Kurven und besonders in Kehren die Steigung längs der Straßenachse deutlich reduziert (und zusätzlich die Fahrbahn verbreitert.)
Durch die Höhenlage des Schwerpunkts eines mehrachsigen Fahrzeugs und die lotrechte Wirkung der Schwerkraft wird in bergauforientierter Lage des Fahrzeugs die Hinterachse(n) stärker belastet als bei horizontaler Lage. Bei Hinterradantrieb steigt mit der höheren Anpresskraft der hinteren Räder am Boden die übertragbare Vortriebskraft. Bei Vorderradantrieb sinken diese beiden Werte entsprechend. Vorderradantrieb wird daher von Konstrukteuren fast nur bei Motorlage vorne realisiert. Bei Kombination von Frontmotor mit Heckantrieb werden die Achsen möglichst weit nach vorne gelegt, um eine stärkere Belastung der Antriebsachse hinten zu erhalten. (Siehe auch Nachlaufachse). Kfz-Lenker haben nur einen gewissen Einfluss auf die Belastung der Antriebsachse, indem Ladegut oder auch Frontsitze nach vorne oder hinten verschoben werden.
Radfahrer auf Rädern mit geringem Radstand können durch sich am Rad „Nach-hinten-“ oder „Nach-vorne-lassen“ den Hauptteil des Gesamtgewichts ganz wesentlich verschieben. Durch solches Schieben, im Wechselrhythmus mit doppelter Trittfrequenz kann die Vortriebskraft bergauf vergleichmäßigt werden. Bergauf fährt man an haftungskritischen Stellen mit einer Sitzposition, die eher höher und weiter vorne liegt. Dieses Verschieben wird limitiert durch die Gefahr, dass das Vorderrad „aufsteigt“, also das Rad nach hinten kippt. Umgekehrt müssen Radfahrer bei steiler Bergabfahrt oder bei scharfem Bremsen sich niedrig machen und nach hinten rutschen, um der Gefahr des Kippens nach vorne zu begegnen. Straßenrennräder werden eher kurz gebaut, um Masse zu reduzieren und die Steifheit zu erhöhen. Bergräder für unebenes Gelände werden eher etwas länger gebaut.
Eisenbahntrassierung
Dieser Artikel oder Absatz stellt die Situation in Deutschland dar. Bitte hilf uns dabei, die Situation in anderen Staaten zu schildern.
Gradienten wurden im Eisenbahnbau bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts als Verhältniszahl (Bruch) angegeben, z. B. 1:80. Für ebene Strecken wurde 1:∞ angegeben. Heute ist in den meisten Ländern die Angabe in Promille üblich, z. B. 12,5 ‰ (= 0,0125 = 1⁄80). Verhältniszahlen werden noch in Ländern mit (historischem) Bezug zum imperialen Maßsystem verwendet. (z. B. Großbritannien, USA und Indien).
Die Neigungen im Eisenbahnbau sind, verglichen mit dem Straßenbau, eher klein, da wegen der kleineren Haftreibung und den hohen Anhängelasten, sonst kein wirtschaftlicher Betrieb möglich wäre. Im Allgemeinen wird zwischen Flachbahnen (0–12 ‰) und Gebirgsbahnen (bis über 50 ‰Anm 1) unterschieden.
Die Grenze für Adhäsionsbetrieb liegt je nach Konfiguration des Rollmaterials zwischen 70 ‰ bis 135 ‰ (Straßenbahn Lissabon).
Deutschland
Nach Erfahrungswerten der Deutschen Bahn (Stand: 1994) könnten bei Neubaustrecken des Hochgeschwindigkeitsverkehrs mit 40 ‰ statt 12,5 ‰ maximaler Neigung etwa 15 % bis 20 % der Kosten eingespart werden.[1] Dafür ist entsprechend motorisiertes und mit leistungsfähigen Bremssystemen ausgerüstetes Rollmaterial nötig. (Z.B. ICE 3; speziell entwickelt für 40 ‰ Neigung der Schnellfahrstrecke Köln – Rhein/Main).
Schweiz
Die Schweiz weist einen hohen Teil an Gebirgsbahnen auf. Lediglich die Transitachsen im Nord-Süd Verkehr konnten ab 2007 (Lötschberg-Basistunnel), 2016 (Gotthard-Basistunnel) und 2020 (Ceneri-Basistunnel) als Flachbahnen (12 ‰ Neigung) ausgestaltet werden. So müssen keine zusätzlichen Lokomotiven mehr für die Steilstrecken eingesetzt werden. Der europäische Schienengüterverkehr wird somit einfacher und seine Wettbererbsfähigkeit erhöht.[2]
Neigungstafel in Escholzmatt aus Sicht eines Lokführers. Die folgende Strecke weist eine Neigung von 20 ‰ über 5'710m auf.
Beispiele verschiedener Schweizer Bahnstrecken mit starken Neigungen:[3]
Bahn
Streckenname
Strecken-Nr.
Streckenabschnitt(e)
Neigung (⌀)
SBB
Simplonstrecke (Ital. Staatsgebiet)
222
Iselle – Domodossola
25 ‰
SBB
Gotthard Nordrampe
531
Göschenen – Erstfeld
26 ‰
SBB
Gotthard Südrampe
541
Airolo – Bodio
26 ‰
BLS
Lötschberg-Bergstrecke
351
Kandersteg – Frutigen
Goppenstein – Brig
27 ‰
SBB
La Chaux-de-Fonds – Neuchâtel
272
km 25.8 – Vauseyon
27 ‰
SOB
Bahnstrecke Wädenswil – Einsiedeln
782
Biberbrugg – Wädenswil
50 %
Aufgrund der anspruchsvollen Topologie werden in der Schweiz i. d. R. alle Strecken mit sogenannten Neigungszeigern ausgestattet, die dem Lokpersonal die Führung des Zuges bei wechselnder Streckenneigung vereinfachen sollen. Auf dem Schweizer Streckennetz ändert sich die Streckenneigung teilweise mehrmals pro Kilometer. Die Tafeln zeigen die Neigung in Promille (‰), wobei der Pfeil anzeigt ob es sich um eine Steigung oder ein Gefälle handelt. Die kleinere Zahl gibt zusätzlich die Länge der Strecke an, über die die angegebene Steigung herrscht.[4]
Als verlorene Steigung bezeichnet man das Aufgeben einer bereits erstiegenen Höhe durch Bergabführung, wenn das Ziel nur durch erneuten Anstieg zu erreichen ist. Besonders bei Gebirgsstraßen, die über Pässe hinüberführen, vermeidet man auf beiden Seiten des Passes solche verlorenen Steigungen, da sie die Länge der Straße vergrößern, dadurch unter gewöhnlichen Verhältnissen die Straßenanlage selbst verteuern und den Verkehr verlangsamen, da ihre Befahrung mehr Zeit beansprucht. Sie sind nur dann gerechtfertigt, wenn durch ihre Anwendung so viel an Baukosten erspart wird, dass die Zinsen die durch sie bedingte jährliche Mehrausgabe an Beförderungskosten und Straßenunterhaltung übersteigen. Dies kann eintreten, wenn tief eingeschnittene Quertäler oder Geländerücken zu überschreiten sind, da dann ohne Anwendung verlorener Steigungen große, kostspielige Brückenbauten bzw. Erdarbeiten erforderlich würden.[5]
Steilste Straßen
Eine der steilsten Straßen der Welt mit 35 % ist die Baldwin Street in NeuseelandSteigungsangabe in Prozent auf einem Verkehrsschild (unteres Schild) in St Mawes, Cornwall
Die Straße Ffordd Pen Llech in Harlech (Wales) hat einen Abschnitt mit einer maximalen Steigung von 37,45 %.
↑L. v. Willmann: Verlorene Steigung. In: Otto Lueger: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften. Band 9, Stuttgart, Leipzig, 1914, S. 827.