ReichspräsidentHindenburg ernennt mit unsicherer Zustimmung des Reichstags Heinrich Brüning von der katholischen Zentrumspartei zum Reichskanzler, die Regierung erzielt aufgrund ihrer Unterstützung durch Teile der DNVP- sowie der SPD-Fraktion in der Folge knappe Mehrheiten im Reichstag
15. Juli 1930:
der Konflikt zwischen Regierung und Reichstag wegen eines rigiden Sparprogramms endet mit der (verfassungsrechtlich problematischen) Umsetzung der abgelehnten Gesetzesvorlage als Notverordnung, der Auflösung des Parlaments und der Ausrufung von Neuwahlen
14. September 1930:
die NSDAP steigert sich von 2,6 auf 18,3 % und wird zweitstärkste Partei in der Reichstagswahl 1930; Stimmengewinne gibt es auch für die KPD (13,1 %); aufgrund der globalen Weltwirtschaftskrise ziehen ausländische Kapitalanleger aus den USA verstärkt Kapital ab, was die deutsche Wirtschaftskrise weiter verschärft; die SPD (24,5 %) entscheidet sich, die Tolerierung der Regierung Brüning fortzusetzen
Reichspräsidentenwahl: trotz eines demagogischen Wahlkampfs der Nationalsozialisten zugunsten ihres Kandidaten Adolf Hitler und des Straßenterrors von SA und SS wird Hindenburg als Kandidat der Zentrumspartei und der SPD im zweiten Wahlgang wiedergewählt
Entlassung Brünings durch Reichspräsident Hindenburg als Folge von Intrigen der Kamarilla um Hindenburg
1. Juni 1932:
Einsetzung eines Präsidialkabinetts unter Kanzlervon Papen, der im Laufe seiner Amtszeit mittels weiterer Notverordnungen umfangreiche Spar- und Arbeitsprogramme durchsetzt
14. Juni 1932:
Aufhebung des Verbots von SA und SS infolge einer geheimen Absprache; bürgerkriegsähnliche Zustände im Wahlkampf: Saalschlachten und Straßenkämpfe zwischen den einzelnen Kampforganisationen mit rund 300 Toten und über 1100 Verletzten
die NSDAP fällt auf 33,1 % zurück, bleibt aber deutlich stärkste Partei; SPD und Zentrum schlagen ein Koalitionsangebot Papens aus und Pläne seiner Regierung zu einem Putsch und Bekämpfung von NSDAP und KPD mittels der Reichswehr scheitern, Papen tritt zurück
Generalleutnant Kurt von Schleicher aus der Kamarilla des Reichspräsidenten wird neuer Kanzler und bleibt Reichswehrminister; er versucht erfolglos, eine „Querfront“ zur Unterstützung seiner Politik zu organisieren, aber die Spaltung der NSDAP scheitert und die SPD ist misstrauisch gegenüber seinen Ideen, den Reichstag für längere Zeit aufgelöst zu lassen
Januar 1933:
Fürsprache zahlreicher Hindenburg nahestehender Personen beim Reichspräsidenten zugunsten einer Regierungsbildung durch Hitler (unter anderem Wilhelm von Preußen und Elard von Oldenburg-Januschau)
Hitlers PropagandaleiterJoseph Goebbels fasst die Ereignisse des für die Machtergreifung entscheidenden Tags in seinem Tagebuch zusammen – wobei dieser Eintrag mangels fundierter Quellenkritik lediglich als exemplarisch für den Triumph, das Pathos und eine implizite Andeutung der anstehenden Diktatur gelten kann:
„Es ist so weit. Wir sitzen in der Wilhelmstraße. Hitler ist Reichskanzler. Wie im Märchen. Gestern mittag Kaiserhof: wir warten alle. Endlich kommt er. Ergebnis: Er Reichskanzler. Der Alte [gemeint ist Reichspräsident Hindenburg] hat nachgegeben. Er war zum Schluß ganz gerührt. So ist’s recht. Jetzt müssen wir ihn ganz gewinnen. Uns allen stehen die Tränen in den Augen. Wir drücken Hitler die Hand. Er hat’s verdient. Großer Jubel. Unten randaliert das Volk. Gleich an die Arbeit. Reichstag wird aufgelöst.“
Göring ordnet als kommissarischer preußischer Innenminister die zwangsweise Auflösung sämtlicher Gemeindevertretungen Preußens zum 8. Februar und Neuwahlen für den 12. März an, gleichzeitig wurden Gemeindeorgane wie Räte und Bürgermeister reichsweit unter Gewaltandrohung aufgelöst bzw. Personen inhaftiert
6. Februar 1933:
Verordnung des Reichspräsidenten zur Auflösung des preußischen Landtags und zur Anberaumung einer Neuwahl – zusammen mit der des Reichstags – am 5. März 1933.
50.000 SS-/SA-Mitglieder werden zu bewaffneten „Hilfspolizisten“ ernannt
27. Februar 1933:
Brand des Reichstagsgebäudes. Der kommunistisch engagierte NiederländerMarinus van der Lubbe wird der Brandstiftung beschuldigt, die Frage der Täterschaft ist jedoch bis heute nicht eindeutig geklärt, die Tat wird von SA und SS als Vorwand genommen, um Deutschland mit einer Terrorwelle zu überziehen; politische Gegner werden inhaftiert, gefoltert oder liquidiert
Verordnung des Reichspräsidenten gegen Verrat am Deutschen Volke und hochverräterische Umtriebe[2]
5. März 1933:
Neuwahlen: die Nationalsozialisten erringen zusammen mit den Konservativen (DNVP) eine knappe Mehrheit, die anderen Parteien wurden durch die NSDAP, die die erwünschte absolute Mehrheit um 6,1 Prozentpunkte verfehlt hatte, massiv behindert
8. März 1933:
die von der KPD gewonnenen Reichstagsmandate werden dieser aberkannt; diese Parlamentssitze gelten als erloschen (auf diese Weise wird zugleich die für das Ermächtigungsgesetz erforderliche Zweidrittelmehrheit gesichert)
Errichtung des KZ Dachau in der Nähe von München, genutzt zur Inhaftierung politisch missliebiger Personen, besonders der politisch linken Parteien
21. März 1933:
der „Tag von Potsdam“, die konstituierende Sitzung des Reichstags (ohne Sozialdemokraten und Kommunisten) in der Potsdamer Garnisonkirche wird von Goebbels inszeniert, um die Harmonie zwischen dem alten Deutschland (repräsentiert von Paul von Hindenburg) und der „jungen Kraft“ (Hitlers NS-Bewegung) darzustellen
Verordnung des Reichspräsidenten zur Abwehr heimtückischer Angriffe gegen die Regierung der nationalen Erhebung („Heimtückegesetz“)[4]
23. März 1933:
der Reichstag, nach dem Brand im Februar in der Krolloper tagend, stimmt im Beisein von bewaffneten SA- und SS-Einheiten über das Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich („Ermächtigungsgesetz“) ab, das die legislative Gewalt in die Hände der Reichsregierung legen soll, die Reichstagsabgeordneten der KPD können an der Abstimmung nicht mehr teilnehmen, da sie zuvor festgenommen wurden beziehungsweise aufgrund Todesdrohungen untertauchen mussten, trotz dieser Umstände stimmen die anwesenden Abgeordneten der SPD, auch hier fehlen einige wegen Festnahme oder Flucht, gegen das Gesetz, während die Abgeordneten aller anderen Parteien dafür stimmen
Ereignisse zwischen dem 24. März 1933 und dem 31. Dezember 1933
24. März 1933:
Veröffentlichung des zunächst auf vier Jahre befristeten Ermächtigungsgesetzes im Reichsgesetzblatt (Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich) mit den Unterschriften des Reichskanzlers Hitler und des Reichspräsidenten Hindenburg[5]
28. März 1933:
Die deutsche Bischofskonferenz nimmt ihre Warnung gegen Hitler offiziell zurück.
31. März 1933:
das erste Gleichschaltungsgesetz löst die Landesparlamente auf und bestimmt deren Neubesetzung nach den Ergebnissen der Reichstagswahl vom 5. März, die Landesregierungen werden zur Gesetzgebung ohne Zustimmung der Parlamente ermächtigt, im zweiten Gesetz vom 7. April werden in den Ländern Reichsstatthalter eingesetzt, die für die Durchführung der „vom Reichskanzler aufgestellten Richtlinien der Politik“ sorgen sollen
März/April 1933:
in zahlreichen Verhaftungsaktionen durch SA und SS werden die Festgenommenen in SA-Keller oder „wilde“ Lager verschleppt und gefoltert
als erstes Gewerkschaftshaus in Deutschland wird das Gewerkschaftshaus in Hannover überfallen und besetzt,[10] angeblich „spontane“ Boykottmaßnahmen gegen jüdische Geschäfte in ganz Deutschland, die aber nicht den von den Nationalsozialisten erwünschten Anklang bei der Bevölkerung finden
7. April 1933:
das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums ermöglicht dem Regime die Entlassung von Beamten "nicht arischer Abstammung" sowie von Beamten, "die nach ihrer bisherigen politischen Betätigung nicht die Gewähr dafür bieten, daß sie jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eintreten". Auf Angestellte und Arbeiter finden die Vorschriften sinngemäße Anwendung.
Auf Anordnung von Kurt Otto, dem kommissarischen nationalsozialistischen Landeshauptmann der Provinz Sachsen werden die zum Goethe-Jahr 1932 im Rahmen der Wiederherstellung der Kuranlagen von Bad Lauchstädt entstandenen Wandmalereien von Charles Crodel öffentlich verbrannt und vollständig zerstört.[11]
das Preußische Gemeindeverfassungsgesetz vereinheitlichte zum 1. Januar 1934 alle bis dahin in Preußen geltenden Kommunalverfassungen; Bürgermeister als Gemeindeleiter werden ohne Wahl auf zwölf Jahre berufen und können in der Gemeinde nach dem Führerprinzip alle Entscheidungen ohne Gemeinderat treffen.
per Gesetz wird der Reichsrat und folglich die Mitwirkung der Länder an der Reichsgesetzgebung aufgehoben
30. Juni 1934:
der „Röhm-Putsch“ dient als Vorwand für parteiinterne Säuberungen und eine weitere Machtkonzentration in der Partei, in der sogenannten „Nacht der langen Messer“ wird die Führung der SA zerschlagen, auch ehemalige politische Gegner wie Kurt von Schleicher werden ermordet
1. August 1934:
Gesetz über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reiches: das Amt des Reichspräsidenten wird mit dem des Reichskanzlers vereinigt, die bisherigen Befugnisse des Reichspräsidenten gehen auf Adolf Hitler über
2. August 1934:
Reichspräsident von Hindenburg stirbt auf Gut Neudeck, Hitler gibt sich den Titel „Führer und Reichskanzler“
die reichseinheitliche Deutsche Gemeindeordnung vom 30. Januar 1935 tritt in Kraft: sie schafft das bisherige föderalistisch strukturierte und oft nur noch auf dem Papier stehende Gemeindeverfassungsrecht der deutschen Länder ab
Literatur
Karl Dietrich Bracher, Wolfgang Sauer, Gerhard Schulz (Hrsg.): Die nationalsozialistische Machtergreifung. Studien zur Errichtung des totalitären Herrschaftssystems in Deutschland 1933/34. Westdeutscher Verlag, Köln [u. a.] 1960 (= Schriften des Instituts für Politische Wissenschaft 14, ISSN0522-9677); 3 Bände. Ullstein, Berlin u. a. 1974.
Martin Broszat: Die Machtergreifung. Der Aufstieg der NSDAP und die Zerstörung der Weimarer Republik. dtv, München 1984, ISBN 3-423-04516-7.
Richard J. Evans: Das Dritte Reich. Band 1, Aufstieg. Übersetzt von Holger Fliessbach und Udo Rennert, DVA, München 2004, ISBN 3-421-05652-8.
Gotthard Jasper: Die gescheiterte Zähmung. Wege zur Machtergreifung Hitlers 1930–1934. edition suhrkamp, Frankfurt am Main 1986, ISBN 3-518-11270-8.
Wolfgang Michalka (Hrsg.): Die nationalsozialistische Machtergreifung. Schöningh, Paderborn/München/Wien/Zürich 1984, ISBN 3-506-99374-7 (= UTB, Bd. 1329).
↑Es wird alles geschehen, um im Bereiche der Provinzialverwaltung die häßlichen Spuren zu tilgen, die hier und da die jüdisch irre geleitete sogenannte moderne Kunstrichtung hinterlassen hat. Mit Empörung habe ich in dem altehrwürdigen Goethetheater in Lauchstädt feststellen müssen, daß dieser durch unsern großen deutschen Dichter geheiligte Raum in abscheulicher Weise durch Schmierereien verschandelt worden ist, die mit Kunst nichts zu tun haben. Ich habe angeordnet, daß die Kulturschande sofort ausgelöscht wird. Die Arbeiten sind bereits im Gange. Die Bühnenumrahmung des Goethetheaters wird in der Form wiederhergestellt werden, die ihr Goethe gegeben hat. Erblicken Sie in diesem Akt der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes dieses geheiligten Raumes das Sinnbild dafür, daß der Nationalsozialismus alles Artfremde und Schlechte aus den Kulturstätten des deutschen Volkes restlos austilgt. (Maßnahmen des Landeshauptmannes im Lauchstädter Goethetheater; Magdeburgische Zeitung, 1. Juni 1933, Nr. 277, Hauptausgabe); vgl. https://sites.google.com/site/charlescrodel/home/kunstverbrennung Die Kunstverbrennung vom 30. / 31. Mai 1933 und die Werkvernichtung der Malklasse und Graphikwerkstatt der Burg Giebichenstein.