Bundesstelle für Fernmeldestatistik

Liegenschaft des BND Am Speckweg in Butzbach

Die Bundesstelle für Fernmeldestatistik (BFSt) war bis 2014 eine Tarnbezeichnung für Außenstellen des Bundesnachrichtendienstes (BND). Die Außenstellen gehören zur Abteilung Technische Aufklärung (TA), vormals Abteilung II.

Die Bezeichnung sollte die Stellung als Bundesbehörde suggerieren. Dieses wurde auch von offizieller Seite bestätigt.[1] Sitz der fiktiven Bundesbehörde soll Stockdorf, Gemeinde Gauting, im Landkreis Starnberg gewesen sein.

Geschichte

Die Fernmelde- und elektronische Aufklärung des Bundesnachrichtendienstes begann bereits bei seinem organisatorischen Vorgänger, der Organisation Gehlen (OG). 1947 wurde in Schloss Kransberg bei Bad Nauheim die erste Kurzwellen-Horcherfassungsstelle der Organisation Gehlen errichtet. Ergänzend hierzu nahm im nahen Butzbach die erste „Horch-Leitstelle“ mit 50 Mitarbeitern ihren Betrieb auf. In dieser Zeit stießen weitere ehemalige Mitarbeiter aus dem Bereich der ehemalige Nachrichtendienste „Abwehr“ und Forschungsamt der Luftwaffe zur Organisation Gehlen. Nachdem Oberst a. D. Leo Hepp die Leitung der Horcherfassung übernommen hatte, erweiterte Gehlen den Auftrag. Im Rahmen der Nachrichtengewinnung zur Berlin-Blockade erfolgte die erste Erfassung im VHF/UHF-Bereich der 24. Sowjetischen Frontluftarmee (24. FLA) durch die Organisation Gehlen vom Hohen Meißner aus. Schnell wurde die zusätzliche Errichtung weiterer Peil- und Hörstellen für die Kurzwellen-Erfassung durch die Organisation Gehlen auf bundesdeutschem Gebiet durch die Ausweitung der Erfassungstätigkeit erforderlich.

1954 begann die Organisation Gehlen mit britischer Technik aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges erstmals mit der mobilen Funkmesserfassung, vor allem von Radarsignalen an der Grenze zur Deutschen Demokratischen Republik.

Nach dem NATO-Beitritt und der Gründung der Bundeswehr gingen Teile der Fernmelde- und Elektronische Aufklärung als Teil des Militärischen Nachrichtenwesens in den Bereich des Bundesministeriums der Verteidigung über. Es stellte sich die Frage nach der Kompetenzverteilung bei der technischen Aufklärung zwischen der am 12. November 1955 gegründeten Bundeswehr und dem am 1. April 1956 errichteten Bundesnachrichtendienst.

BND-Gelände mit zahllosen Antennen an einer Wiese in Gauting.
Umfangreiche Funktechnik auf dem Dach zur Aufklärung und Kommunikation.

Zu dieser Zeit wurde in Kransberg die „Horchstelle A“ der Organisation Gehlen eingerichtet. Später wurde auch die Funkauswertung von Oberursel nach Kransberg verlegt. Danach wurde diese Erfassungsstelle nach Butzbach verlegt. In Butzbach befand sich bereits seit etwa 1948 eine Führungsstelle der „Horchstelle A“ Kransberg. Mittlerweile wurde die Tarnbezeichnung „Bundesstelle für Fernmeldestatistik“ (BFSt) benutzt.

Die „Horchstelle B“ wurde ab 1950 mit amerikanischer Zustimmung in Berlin-Tempelhof eingerichtet. Später zog sie in eine französische Liegenschaft nach Reinickendorf im französischen Sektor Berlins. Bereits 1948 wurde anscheinend von Kransberg aus der Probeerfassungsbetrieb auf dem Hohen Meißner durchgeführt. Der VHF/UHF-Sprechfunkverkehr der sowjetischen Luftstreitkräfte in der Sowjetischen Besatzungszone konnte von dort aus wesentlich effektiver abgehört werden. Vor dem politischen Hintergrund der folgenden Luftbrücke der Alliierten nach Berlin war dies interessant.

Die „Horchstelle C“ wurde im oberbayerischen Söcking bei Starnberg, die „Horchstelle D“ ab etwa 1956 in Husum eingerichtet. Zeitweise wurde wohl auch von Bremen/Bremerhaven (Amerikanische Besatzungszone) aus überwacht.

Heute ist die Abteilung Technische Aufklärung (TA) des Bundesnachrichtendienstes für die Technische Aufklärung zuständig. Der Bundesnachrichtendienst hatte im Bereich der Fernmelde- und Elektronischen Aufklärung international einen guten Ruf.[2]

Technik

Über die aktuellen technischen Möglichkeiten der Technischen Aufklärung des BND und verwandter Bundeswehr-Einrichtungen ist öffentlich wenig bekannt. 2010 wurde eine Kooperation des Bundesnachrichtendienstes mit Siemens bekannt. Weiterhin findet auch seit Jahrzehnten eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Rohde & Schwarz in München statt. Im Bereich der Fernmeldeaufklärung arbeitet der Bundesnachrichtendienst bevorzugt mit deutschen Elektronikherstellern zusammen. Mitarbeiter deutscher Firmen, die Telefonanlagen oder Abhörtechnik in arabische Länder geliefert haben, waren später häufig auch bei der Entschlüsselung im Dienst des Bundesnachrichtendienst aktiv.

Aufklärungsquote im Nachrichtenverkehr

Im Verlauf des Jahres 2011 überprüfte der Nachrichtendienst nahezu 2,9 Millionen E-Mails und SMS. Nach Auswertung der Suche habe sich in 290 Fällen „nachrichtendienstlich relevantes Material“ darunter befunden. Dies entsprach einer „Erfolgsquote von 0,01 Prozent“. Vize-Regierungssprecher Georg Streiter gab dazu bekannt, „nur ein eingeschränkter Teil der internationalen Telekommunikation unterliege der Überwachung durch den Bundesnachrichtendienst. Die Zahlen seien dabei rückläufig. 2010 habe der Nachrichtendienst noch rund 38 Millionen ‚Telekommunikationsverkehre‘ erfasst, 2011 dann weniger als drei Millionen.“[3]

Außenstellen

Die Außenstellen wurden teils vom Bundesnachrichtendienst allein, aber auch über Kooperationsverträge mit der Bundeswehr (Amt für Nachrichtenwesen der Bundeswehr), Bundesgrenzschutz und Diensten der NATO-Bündnispartner betrieben. Ab 1990 wurden viele dieser Einrichtungen zurückgebaut oder aufgelöst.[4]

Folgende nicht abschließende Auflistung zeigt Außenstellen des Bundesnachrichtendienstes, die als Bundesstelle für Fernmeldestatistik getarnt waren:

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Drs. 15/311. (PDF; 33 kB) Schleswig-Holsteinischer Landtag, abgerufen am 12. Mai 2023: „Die „Bundesstelle für Fernmeldestatistik (BFSt)“ ist eine Bundesbehörde mit Sitz in Stockdorf, Gemeinde Gauting bei München, die sich mit fernmelde- und informationstechnischen Fragestellungen beschäftigt.“
  2. Siemens und der BND Beste Verbindung – Die Korruptionsaffäre nährt Spekulationen, Siemens sei Lieferant des BND für Spionagetechnik und habe im Gegenzug mit den Geheimen kooperiert. Die Hinweise sind ebenso richtig wie banal. von Hans Leyendecker auf sueddeutsche.de vom 17. Mai 2010
  3. BND hat Millionen Mails und SMS mitgelesen In: Die Welt online vom 5. April 2013
  4. Erich Schmidt-Eenboom: Empfänglich für Geheimes – Die (west)deutschen Nachrichtendienste im Äther. desert-info.ch (PDF; 69 kB)
  5. a b BND gibt Tarnnamen für Horchposten auf. Der BND verringert auch als Folge des NSA-Skandals ein wenig seine Geheimniskrämerei. Außenstellen mit obskuren Decknamen wie "Ionosphäreninstitut" wurden enttarnt. In: Zeit Online. Zeit Online GmbH, 6. Juni 2014, abgerufen am 12. Mai 2023.
  6. Alles im Ohr. In: Der Spiegel. Nr. 17, 1993, S. 47 (online).
  7. Armin Müller: Wellenkrieg. Ch. Links, Berlin 2017, ISBN 978-3-86153-947-6, S. 243, 257.
  8. Der Turm im Cité Foch ist verschwunden. In: koeppe4you.de. 5. Dezember 2003, archiviert vom Original; abgerufen am 12. Mai 2023.
  9. Manfred Bischoff: BND Funkaufklärung. Abgerufen am 19. Mai 2023.
  10. Mehrere Tweets. In: Le Cueilleur. 16. Mai 2023, abgerufen am 19. Mai 2023.
  11. 50° 24′ 59,6″ N, 8° 39′ 30″ O, Antennenanlage
  12. „Horch und Guck“ enttarnt sich selbst. In: Husumer Nachrichten. 31. August 2016, abgerufen am 12. Mai 2023 (Autorenkürzel: sp).
  13. Höfen: Geheimdienst löst seinen Horchposten auf. In: Aachener Nachrichten. 21. Oktober 2009, abgerufen am 12. Mai 2023.
  14. Andre Meister: Der BND arbeitet an einer erheblichen Erweiterung seiner Satelliten-Überwachung. Der BND investiert viele Millionen Euro, um seine Massen-Überwachung von Satelliten-Kommunikation auszubauen. Das geht aus geheimen Dokumenten hervor, die wir veröffentlichen. Im Schleppnetz der Erfassung landen auch Journalisten und Hilfsorganisationen. Diese befürchten Gefahren für Leib und Leben. 13. Februar 2017, abgerufen am 12. Mai 2023.

Koordinaten: 48° 5′ 26,1″ N, 11° 24′ 45,2″ O

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