Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Dieser Artikel behandelt das Mineral. Borax als chemischer Stoff wird unter Natriumtetraborat behandelt. Eine Beschreibung der US-amerikanischen Reaktorexperimente befindet sich unter BORAX-Experimente.
Borax
Borax-Kristalle aus dem Borax-Tagebau, Kramer-Borat-Lagerstätte, Kern County, Kalifornien
Der oder das[10]Borax, Borsaures Natron, veraltet und allgemein ungebräuchlich auch Tinkal,[2] ist ein selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der Borate mit der chemischen Zusammensetzung Na2[B4O5(OH)4] · 8 H2O[4]. Alternativ kann die chemische Zusammensetzung auch mit der Formel Na2B4O7· 10 H2O[5][6] ausgedrückt werden. Borax ist damit chemisch gesehen ein Dinatriumtetraborat-Decahydrat[11] (kurz Natriumtetraborat oder Natriumborat, lateinisch auch Natrium boracicum).
Borax kristallisiert im monoklinen Kristallsystem und entwickelt meist kurze, prismatische oder tafelige Kristalle mit harz- bis glasähnlichem Glanz auf den Oberflächen. Er kommt aber auch in Form erdiger, körniger oder massiger Mineral-Aggregate vor. In reiner Form ist Borax farblos und durchsichtig. Durch vielfache Lichtbrechung aufgrund von Gitterbaufehlern oder polykristalliner Ausbildung kann er aber auch durchscheinend weiß sein und durch Fremdbeimengungen eine hellgraue, hellblaue oder hellgrüne Farbe annehmen. Mit einer Mohshärte von 2 bis 2,5 gehört Borax zu den weichen Mineralen, die sich ähnlich wie das Referenzmineral Gips (Härte 2) mit dem Fingernagel ritzen lassen.
Borax ist ein wichtiger Rohstoff zur Herstellung verschiedener Borverbindungen, die unter anderem in der Glas- und Keramikindustrie (Glasuren, Email) sowie als Flussmittel beim Löten verwendet werden.
Borax, früher auch Baurach genannt, bezeichnete im Mittelalter unterschiedliche Nitrate (Salpeter) sowie das Metalllötmittel chrysocolla (Malachit oder basisches Kupferkarbonat; vergleiche auch Chrysokoll) und wohl erst im 17. Jahrhundert den heutigen Borax (Natriumsalz der Borsäure). Borax wurde zuerst 1748 durch den schwedischenMineralogenJohan Gottschalk Wallerius wissenschaftlich beschrieben.
Der Name leitet sich über mittellateinisch borax (mittelhochdeutsch buras)[12] von dem persisch-arabischen Wort بورق (bauraq oder būrak; persisch būrāh oder būraq), das verschiedene Bedeutungen hatte, so unter anderem Pottasche, Salpeter und andere Nitrate sowie Borax und eventuell auch borsaures Natron.[13] Die Bezeichnung bezieht sich möglicherweise auf die arabische Bedeutung „weiß“.[7] Borax, dessen Herkunft unklar war, wurde im Mittelalter auch als „eyn gummi eynes boumes“ bezeichnet.[14]
Da der Borax bereits lange vor der Gründung der International Mineralogical Association (IMA) bekannt und als eigenständige Mineralart anerkannt war, wurde dies von ihrer Commission on New Minerals, Nomenclature and Classification (CNMNC) übernommen und bezeichnet den Borax als sogenanntes „grandfathered“ (G) Mineral.[3] Die ebenfalls von der IMA/CNMNC anerkannte Kurzbezeichnung (auch Mineral-Symbol) von Borax lautet „Brx“.[1]
Klassifikation
In der veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Borax zur gemeinsamen Mineralklasse der „Carbonate, Nitrate und Borate“ und dort zur Abteilung der „Gruppenborate (Soroborate)“, wo er zusammen mit Tincalconit sowie im Anhang mit Halurgit und Hungchaoit die „Tincalconit-Borax-Gruppe“ mit der System-Nr. Vc/B.05 bildete.
Im zuletzt 2018 überarbeiteten und aktualisierten Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser klassischen Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. V/H.10-30. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies ebenfalls der Abteilung „Gruppenborate“ (planare und tetraedrische Gruppen [B3O5]1− bis [B6O10]2−), wo Borax zusammen mit Diomignit und Tincalconit eine eigenständige, aber unbenannte Gruppe bildet.[16]
Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) bis 2009 aktualisierte[17]9. Auflage der Strunz'schen Mineralsystematik ordnet den Borax in die hier eigenständige Klasse der „Borate“ und dort in die Abteilung der „Tetraborate“ ein. Diese ist zudem weiter unterteilt nach der Art der Kristallstruktur, so dass das Mineral entsprechend seinem Aufbau in der Unterabteilung „Insel-Tetraborate (Neso-Tetraborate)“ zu finden ist, wo es als einziges Mitglied die unbenannte Gruppe 6.DA.10 bildet.
Die Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Borax wie die veraltete Strunz'sche Systematik in die gemeinsame Klasse der „Carbonate, Nitrate und Borate“ und dort in die Abteilung der „Wasserhaltigen Borate mit Hydroxyl oder Halogen“ ein. Hier ist er als einziges Mitglied in der unbenannten Gruppe 26.04.01 innerhalb der Unterabteilung der „Wasserhaltigen Borate mit Hydroxyl oder Halogen“ zu finden.
In den Anionen des Borax liegen Tetraborat-Ionen vor, bei denen jedes Boratom mit zwei oder drei (bei zwei Atomen) weiteren Boratomen über eine Sauerstoffbrücke miteinander verbunden ist. Zusätzlich ist jedes Boratom durch eine Hydroxygruppe nach außen abgesättigt, so dass sich eine Formel von [B4O5(OH)4]2− für das Anion ergibt.[18]
Beim Erhitzen verliert es bei etwa 100 °C einen Teil seines Kristallwassers und bildet ein Pentahydrat. Oberhalb von 400 °C erhält man wasserfreies Natriumtetraborat.[11]
Die mittlere letale Dosis (LD50-Wert) wird für Borax mit 2 bis über 6 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht angegeben.[22]
Bildung und Fundorte
Borax kommt in der Natur in kristalliner oder massiver Form ähnlich wie Anhydrit oder Gips als Evaporit vor, entsteht also bei der Austrocknung von Salzseen, die dann auch als Boraxseen bezeichnet werden. Daneben findet sich das Mineral auch als Bodenausblühung in ariden Gebieten oder als Sinterabsatz an Thermalquellen. Als Begleitminerale treten unter anderem Calcit, Gips, Halit, Soda und weitere Borate, Carbonate und Sulfate auf.[5][23]
Als seltene Mineralbildung konnte Borax nur an wenigen Orten weltweit nachgewiesen werden, wobei bisher rund 80 Fundorte dokumentiert sind (Stand: 2021).[24]
Borax wird jährlich weltweit im Megatonnenbereich produziert und ist ein wichtiger Rohstoff zur Herstellung von Borsäure, zur Gewinnung von Boraten und Perboraten sowie weiterer Bor-Verbindungen.[22]
Gewonnen wird Borax heute nahezu ausschließlich aus dem kristallwasserärmeren Boraxmineral Kernit.
Borax ist gelegentlich Bestandteil von Düngemitteln und wird als Zuschlagstoff von Zement und Isolierstoffen eingesetzt.[22]
Des Weiteren wirkt Borax als vorbeugendes Holzschutzmittel gegen Schimmel und Insekten[28] und wird zu etwa 5 bis 20 Gewichtsprozent der Gesamtmenge als Flammschutzmittel, hier vorwiegend für Dämmstoffe auf Zellulosebasis, eingesetzt.[29][30] In letztgenannter Anwendung werden seine Eigenschaften als teilweise problematisch angesehen und eine Minderung als sinnvoll erachtet.[31] Eine im Auftrag des Umweltbundesamtes erstellte Studie bemerkt hierzu: „Zusammenfassend wird festgestellt, dass die Anwendung von Borax als Flammschutzmittel akzeptabel ist. Da jedoch die Hintergrundbelastung über die Nahrung bereits so hoch ist, dass die täglich duldbare Aufnahmemenge ausgeschöpft ist, muss gewährleistet sein, dass es durch die Anwendung des Borats als Flammschutzmittel nicht zu einer nennenswerten Zusatzbelastung des Menschen kommt.“[32]
Bis zu einer Menge von 8,5 Masse-% Borax-Äquivalent bzw. 5,5 Masse-% Borsäure-Äquivalent ist der Zusatz nicht deklarationspflichtig.[33]
Daneben wird Borax für Pufferlösungen (Borat- sowie Borat-Phosphat-Puffer) und in der Borax-Karmin-Lösung (Grenachers-Lösung) als Farbstoff in der Mikroskopie verwendet.
Auch in der Goldgewinnung kann Borax erfolgreich eingesetzt werden.
Als Lebensmittelzusatzstoff hat es die Bezeichnung E 285, ist aber in der EU ausschließlich für echten Kaviar zugelassen und in den USA ganz verboten.[37]
Im 17. Jahrhundert wurde Borax als Bestandteil selbst hergestellter Imprägniermittel für Musikinstrumente genutzt. Wissenschaftliche Untersuchungen konnten nachweisen, dass der italienische GeigenbauerGuarneri del Gesù unter anderem Borax als Holzschutzmittel für seine Instrumente verwendet hat. Es war nicht einfach eine Vergleichsprobe von einer der von Antonio Stradivari gebauten Geigen zu bekommen. Nachdem bei Reparaturarbeiten etwas Holz eines Originalinstrumentes untersucht wurde, war deutlich, dass auch Stradivari eine spezielle Mischung als Bearbeitungs- und Imprägniermittel genutzt hat. Diese enthielt neben Borax, auch Fluoride, Chrom und Eisensalze, die in unbehandelten Hölzern nicht auftreten.[39]
Heilkunde
Medizinisch wurde Borax als Grundlage für die Arzneimittelbestandteile Borsäure, Borsalbe und Borwasser gebraucht.[40] In der Alternativmedizin wird Borax heute noch als Heilmittel gegen Arthritis, Osteoporose, Alzheimer-Demenz, Wechseljahresbeschwerden, zur Vorbeugung gegen Krebs und zur Verbesserung der geistigen Leistungsfähigkeit verkauft. Für diese Heilversprechen gibt es keine wissenschaftlichen Belege.[41][42] Von den Befürwortern wird behauptet, Bor sei ein Spurenelement, dessen Mangel zu obigen Beschwerden führen oder diese verschlimmern kann.[43]
Die folgenden Verbindungen sind in Europa nicht zugelassen und dürfen in Lebensmitteln nicht verwendet werden: Calcium-Fructo-Borat, Borcitrat, Bor-Aspartat, elementares Bor, Boron (als Boron Citrat, Boron Aspartat und Boron Glycinat Komplex) und Borsäure.[44] Es ist unklar, inwieweit die Studienergebnisse auf hier zugelassene Borverbindungen übertragbar sind. Aus dem Ausland importierte Nahrungsergänzungsmittel mit diesen Inhaltsstoffen können vom Zoll zurückgehalten werden.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfiehlt, pro Tag nicht mehr als 0,5 Milligramm Bor über Nahrungsergänzungsmittel aufzunehmen. Bei einigen marktüblichen Produkten liegt die vom Hersteller empfohlene tägliche Verzehrmenge bereits bei durchschnittlich 3 Milligramm.[45]
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André Leisewitz, Hermann Kruse, Engelbert Schramm: Ergebnisse und zusammenfassende Übersicht. In: Erarbeitung von Bewertungsgrundlagen zur Substitution umweltrelevanter Flammschutzmittel. Band1, Dezember 2000, S.1–2 (umweltbundesamt.de [PDF; 13kB; abgerufen am 21. Oktober 2019] Forschungsbericht 20408542 (alt) 29744542 (neu), Umweltforschungsplan des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, im Auftrag des Umweltbundesamtes).
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